Nettersheim-Dahlem – Rolle rückwärts von der Rolle rückwärts: Die ehemalige Eifelhöhen-Klinik soll nun doch als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden. Das verkündete die NRW-Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, Josefine Paul (Grüne), am Dienstagnachmittag zunächst bei der Regionalkonferenz in Köln.
Wenig später bestätigte die Bezirksregierung Köln, dass der Erlass des Ministeriums von Anfang September damit aufgehoben sei. Vor gut einem Monat hatten Ministerium und Bezirksregierung noch unisono mitgeteilt, dass „die gleichmäßige Verteilung der Geflüchteten über alle Regierungsbezirke in Landesunterkünfte sichergestellt“ sei.
Zudem gebe es Alternativen zur ehemaligen Reha-Klinik im Marmagen außerhalb des Regierungsbezirks Köln. Nun also doch wieder die Eifelhöhen-Klinik, die eigentlich schon längst als Puffereinrichtung für bis zu 750 geflüchtete Ukrainer am Start hätte sein sollen.
Nun soll das Deutsche Rote Kreuz doch die Leitung übernehmen
Der Anruf bei Rolf Klöcker, Geschäftsführer des Kreis-DRK, ließ nicht lange auf sich warten. Am Mittwochvormittag fragte die Bezirksregierung unverbindlich an, ab wann das DRK die frühere Eifelhöhen-Klinik möglicherweise als Flüchtlingsunterkunft betreiben könnte.
„Realistisch ist der 1. Januar 2023. Wenn die Not im Dezember aber schon größer sein sollte, könnten wir eine abgespeckte Variante an den Start bringen“, sagte Klöcker dieser Zeitung. Aktuell stehe es aber noch „völlig in den Sternen, was konkret ausgeschrieben wird“. Davon hänge beispielsweise ab, wie viel Personal des DRK benötigt werde.
Wechselhafte Geschichte
Als Naturparksanatorium Eifel gegründet
Die Eifelhöhen-Klinik Marmagen wurde 1970 als Naturparksanatorium Eifel GmbH gegründet. Im Mai 1973 begannen am Ortsrand von Marmagen auf dem früheren Galgenberg, der eigens umgetauft wurde in den wohlklingenderen Namen Mühlenberg, die Arbeiten am sechsstöckigen Kliniktrakt.
Im September 1975 nahm die Reha-Klinik den Betrieb mit 311 Betten und den drei Fachrichtungen Innere Medizin, Orthopädie und Neurologie auf. Seitdem wurden hier rund 150 000 Patienten behandelt.
Florierender Klinikbetrieb
1976 kam es zur Umbenennung in Eifelhöhen-Klinik GmbH & Co. KG. Der Klinikbetrieb florierte in den 1980er-Jahren und machte schnell die Erweiterung auf 450 Betten notwendig. 1987 folgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Im Juni 1991 ging die Einrichtung als erste deutsche Reha-Klinik an die Börse. Mitte der 1990er-Jahre wurde es für die Klinik allerdings schwieriger, da sie durch Einsparungen im Gesundheitswesen hart getroffen wurde. Just in diesen Zeitraum fiel auch die Eröffnung der Kaiser-Karl-Klinik in Bonn, einer 100-prozentigen Tochter der Aktiengesellschaft. Die hatte in den Anfangsjahren einen hohen Zuschussbedarf. Nach mageren Jahren mit sinkenden Umsätzen und Verlusten stellten sich ab 1999 sowohl in Marmagen als auch in der Bonner Kaiser-Karl-Klinik wieder positive Entwicklungen ein.Seit 2001 gehörte auch die Reha Düsseldorf GmbH zum Konzern. Von beiden defizitären Einrichtungen trennte sich der Konzern 2005 wieder. 2002 beteiligte sich die AG an der Aatalklinik in Bad Wünnenberg.
Missmanagement und Insolvenzantrag
2010 beschloss die AG, den Klinikbetrieb in Marmagen auf die heutige 100-prozentige Tochtergesellschaft Eifelhöhen-Klinik Marmagen GmbH zu übertragen. Im Februar 2020 schloss die Eifelhöhen-Klinik (EHK) in Marmagen. Jahrelanges Missmanagement führte zunächst zum Insolvenzantrag, dann zur endgültigen Schließung. Ende Oktober 2019 wurde die Klinik erstmals aufgrund von erheblichen Hygienemängeln geschlossen.
Das Impfzentrum
Der Kreistag beschloss Ende Juni 2020 mehrheitlich, das leerstehende, aber voll eingerichtete Gebäude ab dem 1. Juli zu mieten und für den Katastrophenfall vorzuhalten. Als sogenannte Reserveklinik wurde die EHK aber nie genutzt. Dafür machte der Kreis im Dezember 2020 aus der Not eine Tugend und bereitete die ehemalige Reha-Klinik als Impfzentrum vor. Nach 146 587 verabreichten Dosen schloss das Impfzentrum im Oktober 2021, bevor nur zwei Monate später der Impfbetrieb wieder kurzzeitig aufgenommen wurde. Dann fragte die Bezirksregierung im März 2022 an, ob die EHK nicht als Puffereinrichtung für Ukraine-Flüchtlinge genutzt werden könne. (ch/tom)
„Als wir damals den Zuschlag nicht bekommen haben, haben wir einigen potenziellen Mitarbeitern abgesagt. Das macht es jetzt nicht einfacher“, berichtet Klöcker. Wie viel Personal benötigt werde, hänge von den geforderten Leistungen ab.
Unternehmen fordert 1,2 Millionen Euro von der Bezirksregierung Köln
So habe das DRK bei einer Einrichtung auch die Sicherheit mithilfe eines Subunternehmens gewährleistet oder sich um einen Caterer bemüht. Zudem müsse geklärt sein, ob Dienstleistungen wie Kleiderkammer oder Unterricht gewünscht seien.
Nach Angaben von Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Bezirksregierung, hat die Bezirksregierung „darüber hinaus ganz konkrete Pläne zu weiteren Unterbringungen im Regierungsbezirk.“
Mehr könne sie aber noch nicht sagen, weil die Gespräche über mögliche Liegenschaften noch nicht abschließend geklärt seien. Auch sei offen, ob die Eifelhöhen-Klinik wieder als Puffereinrichtung für Geflüchtete aus der Ukraine für die Bezirksregierung oder als generelle Flüchtlingsunterkunft hergerichtet wird und so die Kommunen entlastet werden können.
Derweil fordert das Unternehmen BOS 112 nach Informationen dieser Zeitung von der Bezirksregierung mehr als 1,2 Millionen Euro als Ausgleichszahlung offener Forderungen. In der Summe ist aber auch eine Schadensersatzforderung enthalten. In einem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, beziffert das Unternehmen allein die Kosten für die Anschaffung von Betten auf 340 000 Euro.
BOS 112 hatte den Zuschlag als Betreiber der geplanten Puffereinrichtung erhalten. Dann hatte die Bezirksregierung BOS 112 aber gekündigt, weil die Firma sich aus Sicht der Bezirksregierung nicht an Vertragsvereinbarungen gehalten hatte.
Werden die hart von der Flut betroffenen Kommunen entlastet?
Nach Informationen dieser Zeitung wird im Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration laut darüber nachgedacht, die hart von der Flut betroffenen Kommunen von der Aufnahme von Flüchtlingen wieder zu entbinden. Ursprünglich hatte das NRW-Ministerium Anfang September mitgeteilt, dass alle elf Kommunen im Kreis wieder Geflüchtete unterbringen müssen.
Über die Situation in den Kommunen – praktisch alle Kommunen im Kreis kommen bei der Flüchtlingsfrage an ihre Grenzen – wurde auch in der Bürgermeisterinnen- und Bürgermeister-Konferenz am Mittwochnachmittag diskutiert. An der Runde nahm auch der neue Regierungspräsident Dr. Thomas Wilk teil.
Regierungspräsident beeindruckt vom Wiederaufbau nach Flut
Der 51-Jährige war am Mittwoch erstmals seit seiner Ernennung im Kreis Euskirchen und machte sich am Vormittag zunächst ein Bild vom Stand des Wiederaufbaus in Bad Münstereifel. Dort traf er sich mit Landrat Markus Ramers und Bad Münstereifels Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian. „Ich bin beeindruckt, wie weit der Wiederaufbau hier bereits vorangeschritten ist“, wird Wilk in einer Pressemitteilung des Kreises zitiert.
Anschließend ging es weiter zur Steinbachtalsperre. Dort war der RP mit Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt und Markus Böhm, Geschäftsführer der e-regio, verabredet. Sie sprachen über kurzfristige Möglichkeiten zur Teilauffüllung der Talsperre, um die Versorgung mit Lösch- und Brauchwasser sicherzustellen.
Darüber hinaus wurde über die langfristige Perspektive der Talsperre diskutiert. Ziel des Wasserverbands Euskirchen-Swisttal ist es, in der Steinbachtalsperre Lösch- und Brauchwasser vorzuhalten. Gleichzeitig soll die Talsperre künftig aber auch dem Hochwasserschutz dienen. Und die Naherholung soll auch wieder gewährleistet werden.
Landrat Markus Ramers freut sich über Zusage von RP Thomas Wilk
„Das war ein vertrauensvoller und offener Austausch“, so Landrat Markus Ramers in der Mitteilung des Kreises: „Ich bin froh und dankbar, dass wir unsere Themen vorbringen konnten und freue mich über die Zusage des Regierungspräsidenten, die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam und pragmatisch anzupacken.“
Regierungspräsident Dr. Wilk sicherte nach Angaben des Kreises eine enge Zusammenarbeit zu: „Das war mehr als nur ein erstes Kennenlernen. Mir ist es wichtig, dass der Austausch wie heute sehr eng bleibt und ich bei Problemen bitte auf kurzem Weg dazu kontaktiert werde. Ich setze mich dafür ein, dass die Bezirksregierung die Herausforderungen und Themen noch schneller und lösungsorientierter bearbeiten wird.“