Nettersheim-Marmagen – Es ist ein einfacher Satz in einer Pressemitteilung: „Die Bezirksregierung Köln hat dem Dienstleister für Sicherheit und Betreuung in der Notunterkunft Marmagen gekündigt.“
Damit zieht die Bezirksregierung einen Schlussstrich, nachdem sich die Inbetriebnahme der Puffereinrichtung für bis zu 756 Geflüchtete aus der Ukraine in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik immer wieder verzögert hatte.
Zunächst war der Start für Ende April vorgesehen. Auch der zuletzt genannte Termin Mitte August ist durch die Kündigung der Dienstleisterverträge mit der Firma BOS112 Risc-Management GmbH obsolet.
BOS 112 schaltet Anwalt ein
„Die Kündigung ist notwendig geworden, da die vertraglich gemachten Zusagen nicht eingehalten wurden“, heißt es seitens der Bezirksregierung. Dirk Schneemann, Sprecher der Bezirksregierung ergänzt auf Nachfrage: „Das Unternehmen wurde mehrmals abgemahnt und um Einhaltung der Zusagen gebeten.“
BOS 112 will die Kündigung jedoch nicht einfach so hinnehmen und hat bereits einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht eingeschaltet. Rechtsanwalt Christoph Krosch hat sich nach eigenem Bekunden in den Fall eingearbeitet und sagt im Gespräch mit dieser Zeitung, „dass man natürlich auf die Kündigung reagieren werde“. Schließlich habe das Unternehmen BOS112 in den vergangenen zwei Monaten bereits in die Unterkunft investiert – materiell und personell.
Unternehmen weist Schuld von sich
„Die bisherige Nichtöffnung der Einrichtung liegt ausdrücklich nicht daran, dass BOS112 ihren vertraglichen Pflichten nicht nachgekommen ist“, sagt Krosch. Er könne sich vorstellen, dass sich ein Rechtsstreit über mögliche Entschädigungen über Monate hinziehe. Und, so Krosch weiter: „Man hätte ohne Probleme öffnen können.“
Das ist laut Krosch aber nicht geschehen, weil keine Flüchtlinge da seien, es also aktuell keinen Bedarf gebe. Zudem seien behördliche Auflagen nicht erfüllt worden. „Wir sind der Auffassung, dass man nun einen Schuldigen sucht“, so Krosch.
Das sagt das DRK
Deutsches Rotes Kreuz wäre startklar
Das Deutsche Rote Kreuz ging beim Vergabeverfahren für die Dienstleistungen rund um die Flüchtlingsunterkunft in Marmagen leer aus. Wäre die Organisation nun sofort startklar? „Wir würden natürlich grundsätzlich zu unserem seinerzeit vorgelegten Angebot stehen und könnten das auch relativ zeitnah umsetzen“, sagt Rolf Klöcker, Geschäftsführer des Kreis-DRK: „Hier hat sich mal wieder das Risiko realisiert, das damit einhergeht, wenn man einem Unbekannten eine Leistung überträgt, nur weil er das günstigste Angebot abgegeben hat. Papier ist geduldig und daher ist es wichtig, auch die angebotene Leistungsfähigkeit zu überprüfen.“
Fahrdienst der KV
Vor zwei Jahren habe die Kassenärztliche Vereinigung (KV) den Ärztlichen Fahrdienst ausgeschrieben und – aufgrund des günstigsten Angebots – an einen Verein aus Oberfranken vergeben, der dann ein halbes Jahr später Insolvenz angemeldet habe, so Klöcker. Den Fahrdienst mache die KV nun selbst.
Kein Kontakt zur Bezirksregierung
Wenn das bei einer Ausschreibung rauskomme, sei der Schuss nach hinten losgegangen. „Bloß gut, dass in Marmagen aktuell noch keine Menschen betreut werden müssen, die darunter zu leiden gehabt hätten“, so der DRK-Chef. Kontakt zum DRK habe die Bezirksregierung aber noch nicht aufgenommen.
Wie es mit der Eifelhöhen-Klinik und den Plänen für die geplante Flüchtlingsunterkunft weitergeht, ist offen. „Hinsichtlich der weiteren Planungen steht die Bezirksregierung in Abstimmung mit allen Beteiligten“, heißt es in der Mitteilung von der Bezirksregierung in Köln. (tom)
BOS112 hat nach Angaben der Bezirksregierung Anfang Juni den Zuschlag für den Betreuungs- und Sicherheitsdienst in der Unterkunft Marmagen erhalten, „weil das Unternehmen anhand der Auswahlkriterien im Vergabeverfahren am höchsten bewertet worden war“. Punkte wurden unter anderem für das eingereichte Gesamtkonzept vergeben – inklusive vielschichtiger weiterer Bausteine wie Sanitätsstation, Kinderspielstube oder Freizeitgestaltung.
In den vergangenen Monaten leitete BOS 112 zahlreiche Impfstellen und Corona-Testzentren. Mit einer großen Flüchtlingsunterkunft – nach Angaben der Bezirksregierung sollen bis zu 756 Geflüchtete in Marmagen unterkommen – hat das Unternehmen aber keine Erfahrung. Vom Hausmeister über Betreuer und Rettungshelfer bis hin zum Einrichtungsleiter hat BOS112 Mitarbeiter gesucht.
Keine Erfahrung in der Betreuung von Geflüchteten
Dass mit BOS112 ein Unternehmen den Zuschlag erhalten hat, das bisher keine Erfahrungen im Bereich Flüchtlingsbetreuung vorweisen kann, und eine erfahrene Hilfsorganisation wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK) das Nachsehen hatte, ist wohl der freien Marktwirtschaft geschuldet.
So hat die Bezirksregierung im Juni jedenfalls ihre Entscheidung begründet. „Für die Auswahl des Betreuungs- und Sicherheitsdienstes ist die Bepunktung im Vergabeverfahren ausschlaggebend. Nicht berücksichtigt wird dabei aus Gründen des fairen Wettbewerbs, wie viel Erfahrung das sich bewerbende Unternehmen vorweisen kann“, so Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Bezirksregierung.
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Der Kreis bezeichnet das langwierige Verfahren rund um die Inbetriebnahme als „sehr bedauerlich“. Nach der Kündigung des Betreibervertrages durch die Bezirksregierung hoffe der Kreis, dass es jetzt nicht zu einer langen juristischen Auseinandersetzung komme, so Sprecher Wolfgang Andres: „Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass die Eifelhöhen-Klinik ein guter Standort zur Unterbringung von geflüchteten Menschen ist. Wie in den vergangenen Monaten auch, werden wir mit der Bezirksregierung und einem möglichen neuen Betreiber eng kooperieren.“