Naturpark NettersheimWie der „Eifelhummer“ von der Krebspest bedroht wird
Lesezeit 5 Minuten
Der Europäische Flusskrebs ist im Naturpark Nettersheim vom Aussterben bedroht.
Grund dafür sind aggressive amerikanische Krebsarten, die die Krebspest verbreiten.
Gabriele Griebel will die Tiere retten – und hat drei geeignete Habitate gefunden.
Kreis Euskirchen – Um die Wiederansiedlung des in der Region so gut wie ausgestorbenen Europäischen Flusskrebses (Edelkrebs) und des Steinkrebses zu unterstützen, sucht der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) Lebensräume wie an den kleinen Bächen bei Berescheid. Dort könnte der „Eifelhummer“ wieder ein geeignetes Habitat finden.
Lebensraum
Für die Wiederansiedlung des Europäischen Flusskrebses eignen sich laut Nabu Gewässer, die im Sommer eine Mindesttemperatur von 15 Grad erreichen, über lehmige Ufer und Versteckmöglichkeiten wie grobe Steine, Wurzeln und Totholz verfügen.
Das Wichtigste: Es dürfen keine amerikanischen Flusskrebsarten im Gewässer und näheren Umfeld vorkommen, da sie die Krebspest übertragen können. Grundsätzlich ergeben sich für die Grundstücksbesitzer durch die Wiederansiedlung keine Nutzungsbeschränkungen. (sli)
Ein Symbol dafür ist „Harry“. Doch er kann nicht schwimmen. Und er würde sich auch nicht unter Überhängen am Ufer ein Versteck suchen, nicht unter Steinen im kleinen Gewässer. Denn „Harry“ ist aus Stoff. Er sieht aus wie ein ausgewachsener Europäischer Flusskrebs, auch Edelkrebs genannt, wie es ihn früher in vielen Bächen und Seen in der Eifel gab.
18 Zentimeter groß von der Nasenspitze bis zum Körperende, dazu kommen noch die kräftigen Scheren, und 370 Gramm schwer. Das Stoffexemplar des Flusskrebses hat das „Kampfgewicht“ eines realen ausgewachsenen Männchens.
Drei Habitate für die Wiederansiedlung
Gabriele Griebel, diplomierte Naturführerin beim Naturpark in Nettersheim, zeigt „Harry“ gerne den Teilnehmern bei ihren naturkundlichen Führungen. Dabei wird auch die Mündung des Schafbachs in den Berescheider Bach gezeigt. Die liegt unweit der Hinweistafel zum Edelkrebspfad, einem rund sieben Kilometer langen Rundweg unterhalb von Berescheid.
Drei Bäche fließen im Umkreis zusammen: Schafbach, Berescheider Bach und Scheckenbach. Es sind drei klare, renaturierte Wasserläufe, die mal munter durch die Wiesen mäandern, mal im Wald bis zu 2,50 Meter Höhenunterschied mit einem kleinen Wasserfall überwinden. Es wären drei geeignete Habitate für die Wiederansiedlung des Europäischen Flusskrebses, der in der Eifel einst wie sein kleinerer Bruder, der Steinkrebs, heimisch war. Im Nationalpark wurden in den vergangenen Jahren Projekte zur Wiederansiedlung initiiert (siehe „Nationalpark“).
Nur 135 Exemplare des Edelkrebses und eine Sichtung eines Steinkrebses wurden 2013 nach Angaben des Edelkrebsprojektes in NRW gemeldet. Was ist da passiert? Die Krebspest grassiert – eine Epidemie, eingeschleppt von invasiven Arten, aber letztlich von Menschen ausgelöst. Denn Aquarianer und Teichbesitzer, so vermutet es nicht nur Gabriele Griebel, haben seit Jahrzehnten aggressive amerikanische Krebsarten in Gewässer ausgesetzt, in die sie eigentlich nicht gehören:
Der amerikanische Sumpfkrebs, der Kamberkrebs, der heute nach Angaben des Nabu „nahezu alle großen Fließgewässer wie Rhein, Ruhr und Lippe und das westdeutsche Kanalnetz besiedelt hat“, oder der Signalkrebs haben ihre europäischen Artgenossen verdrängt durch Infektion. Heute findet man da, wo eigentlich der Eifelhummer sein Dasein unter Steinen und überhängenden Uferböschungen fristen könnte, nichts. Oder, wie zum Beispiel in der Olef, den eingeschleppten amerikanischen Bruder.
Der Krebs fehlt weiterhin
Auch deshalb ist Griebel an diesem Tag zwischen Schafbach und Scheckenbach unterwegs und hat „Harry“ im Gepäck. Sie will deutlich machen, dass auch nach 22 Jahren der vom Kreis Euskirchen und unterschiedlichen Unterstützern und Förderern betriebenen Renaturierungsmaßnahmen an Eifelbächen ein Ende noch nicht erreicht ist: Der Krebs – wohlgemerkt der, der hier immer vorhanden war – fehlt in den angestammten Gewässern.
Nationalpark
Rund 500 junge Steinkrebse aus eigener Zucht hat Flusskrebs-Experte Dr. Harald Groß in den vergangenen Jahren in drei verschiedenen Projekten ausgesetzt. Zuletzt waren es im vergangenen Jahr 130 Tiere im Bereich Wahlerscheid und im Kermeter.
Die Entwicklung wird regelmäßig überprüft, wie Annette Simantke vom Nationalpark-Forstamt berichtet. In den vergangenen Jahren seien keine Tiere entdeckt worden. Überrascht und erfreut sei Groß daher gewesen, in diesem Jahr fünf Tiere im Bereich des Kermeters wiedergefunden zu haben. Möglicherweise seien sie wegen des Niedrigwassers besser auszumachen gewesen. Dies sowie die heißen und trockenen Sommer bereiten den Experten Sorgen. Groß: „Der Steinkrebs könnte einer der Verlierer des Klimawandels sein.“
Die Zahlen der Funde sind jedoch mit Vorsicht zu behandeln. Dass fünf Tiere entdeckt wurden, heißt laut Simantke nicht automatisch, dass tatsächlich nur fünf Krebse dort leben. Da die Krebse Höhlen graben und sich verstecken, sei es sehr schwer, sie bei den Nachkontrollen zu finden. (rha)
1997 hatte der naturnahe Rückbau der Eifelbäche begonnen. 2006 kam das Projekt Bachpassagen, bei dem Bäche durch Entrohrung und Brückenbau durchgängig für Kleinstlebewesen gemacht, Uferrandstreifen angelegt und Bachbereiche entfichtet wurden, wo es nötig war. Vier Wanderwege , die jeweils eine hier lebende Tierart als Paten haben, wurden an Bächen angelegt: Der Mühlkoppenpfad im Wolferter- und Pützbachtal (Gemeinde Hellenthal), der Bachneunaugenpfad am Liersbach (Bad Münstereifel), der Feuersalamanderpfad an der Simmel (Dahlem) und der Edelkrebspfad im Schafbachtal (Schleiden).
2016 wurden auch im Bereich von Scheckenbach und Berescheider Bach im Zuge des Bürgerwindpark-Baus an Kreuzungen der Bachläufe mit Straßen oder Wirtschaftswegen alte Verrohrungen abgerissen und stattdessen mit Mitteln aus dem Topf für Ausgleichsflächen Brücken gebaut. An diesen Projekten waren der Kreis, die Kommunen und der Naturpark Nordeifel beteiligt. Gefördert wurden sie unter anderem mit Mitteln der Europäischen Union. Die HIT Umwelt- und Naturschutz Stiftungs GmbH wiederum fördert zusammen mit dem NRW-Umweltministerium seit 2016 das von Fischereiverband und Nabu begründete Edelkrebsprojekt NRW.
Das Projektbüro ist in Bad Münstereifel, wo Marina Nowak auf Meldungen aufmerksamer Zeitgenossen hofft: Hier gibt es geeignete Bachläufe oder Teiche, die als Habitat für die Wiederansiedlung der heimischen Krebsarten geeignet sind (siehe „Lebensraum“). Voraussetzung: Der Bach muss frei von den amerikanischen Invasoren im Wasser sein. Also muss man wissen, wie man die Arten unterscheidet. Dafür werden ehrenamtliche Flusskrebskartierer gesucht, die kostenlos geschult werden. Einziger Nachteil: „Wer Krebse finden will, der muss sich auf die Lauer legen – nachts. Denn einige Arten sind leider nachtaktiv, tagsüber verstecken sie sich“, so Gabriele Griebel. Sie hat von ihrem Ehemann vor kurzem eine große, wasserdichte Stabtaschenlampe geschenkt bekommen. Die will sie nun gerne ausprobieren. Jedoch: „Mein Mann teilt dieses Hobby leider nicht.“