Zwei Krähen bewachen die HühnerAuf Hof in Rißdorf leben ungewöhnliche Beschützer
Lesezeit 4 Minuten
Mechernich-Rißdorf – Als Lukas Esser auf den Auslauf zugeht, gackern die Hühner aufgeregt und kommen näher. Der 25-Jährige hat altes Brot dabei und die 350 Hennen sind ganz wild darauf. Ein Stück legt Esser auf einen Zaunpfahl neben dem Gehege. Das ist für Rudi und Gulliver, zwei Krähen, die auf die Hühner vom Esserhof aufpassen.
„Sobald ein Greifvogel hier in der Nähe rumfliegt, sieht man, wie die zwei sie verjagen“, berichtet Esser. Er betreibt den Esserhof bereits in der dritten Generation. Vor einem guten halben Jahr beschloss er wegen der hohen Nachfrage nach Eiern, ein Hühnermobil anzuschaffen und die Zahl der Hennen deutlich zu erhöhen. Seitdem leben die Hühner nicht mehr direkt im Hof, sondern auf den Wiesen drum herum.
Sonst beschützen Alpakas oder Ziegen
Er habe in dieser Zeit noch nicht ein Huhn durch Habicht und Co. verloren, berichtet er. Da ergehe es anderen Landwirten anders. Für ihn ist das ein Zeichen, dass die Krähen wahre Beschützer sind. Üblich sei es, Alpakas oder Ziegen zu den Hühnern zu stellen, um Greifvögel abzuhalten, aber das sei hier nicht nötig, berichtet Esser.
Für Lukas Esser sind die Hühner die Zukunft für den Hof. Dafür hat er die Zahl der Rinder auf ein Dutzend verkleinert. Das Hühner-Mobil funktioniere komplett automatisch, sagt er. „Wenn man Wasser und Futter auffüllt, hat man eine Woche Ruhe“, sagt Esser. Die Verteilung unter der Woche übernimmt das Mobil. Morgens um 10 Uhr öffnet es ganz automatisch die Klappen, so dass die Hühner ins Freie können. Bei Sonnenuntergang gehen die Klappen dann wieder zu. Betrieben wird die Automatik über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Mobils.
Drinnen haben die Hühner einen Scharrbereich und Stangen zum Schlafen. Die Legenester sind mit den Schalen von Dinkelkörnern ausgelegt, ein Abfallprodukt vom Ackerbau. Alle sieben bis zehn Tage verschiebt Esser das Mobil samt Auslauf, damit die Hühner immer genug Gras zu fressen haben. Ausgemistet werden müsse das Mobil auch nur etwa einmal die Woche, so Esser. „Die 350 Hühner sind weniger Arbeit als die zwölf Rinder“, sagt er und lacht. Zurzeit überlege er, ein zweites Hühnermobil anzuschaffen. Etwa 60 000 Euro koste eines. Das sei schon eine ordentliche Investition – aber eine, die sich lohne.
300 bis 320 Eier legen die Hennen auf dem Esserhof pro Tag. Am Wochenende seien sie meistens bis zum Mittag ausverkauft, berichtet Esser. Verkauft werden die Eier direkt auf dem Esserhof über einen Automaten. Dort gibt es auch noch Milchprodukte vom Taubentaler Hof und ab und zu Fleisch von einem regionalen Metzger, der noch selbst schlachtet. „Klar, die Sachen sind natürlich deutlich teurer als im Supermarkt“, sagt Esser. Doch dafür wisse man als Kunde genau, woher sie kommen. (jre)
Christoph Gerden vom Taubentalerhof hat es mit Ziegen probiert. Der Landwirt hält bei Keldenich 250 Hühner, ebenfalls in einem Hühnermobil. Die Ziegen hätten zwar Greifvögel abgeschreckt, aber unterm Strich zu viel Arbeit gemacht. Seitdem versuche er, mit Spiegelkugeln und einer Art Drachen die Greifvögel abzuhalten. Dennoch passiere es ab und zu, dass es ein Huhn erwische, so Gerden. Krähen sehe er auch hin und wieder an seinem Hühnermobil – aber, dass sie die Hühner verteidigten, habe er noch nicht beobachtet.
Ab und zu gibt es trockenes Brot
Lukas Esser hingegen ist von seinen Krähen als Beschützer überzeugt. Die Krähen vom Esserhof haben sich vor etwa zwei Jahren dort angesiedelt. Sie bekommen zwar ab und an etwas trockenes Brot von den Essers, leben aber weiterhin wild.
Die Namen habe seine Schwester den beiden gegeben, berichtet Esser. Aber hören würden sie darauf nicht. Bei Sonnenschein sitzen sie oft oben auf dem Dach des Hühnermobils, bei Regen und Wind ließen sie sich nicht so häufig blicken, berichtet Essers Freundin Katja Bastigkeit. Aber sie seien immer in der Nähe.
„Krähen sind sehr intelligente Tiere“, sagt Uwe Wedegärtner vom Naturschutzbund (Nabu) Euskirchen. Es sei durchaus denkbar, dass die zwei am Esserhof erkannt hätten, dass dort Futter für sie abfällt und sie deshalb dort ihr Revier angelegt hätten. Dazu passe auch die Beschreibung Essers, dass die Krähen die Greifvögel vertrieben.
Das habe allerdings wahrscheinlich weniger mit den Hühnern zu tun und mehr mit Revier-Verteidigung: „Dieses Verhalten ist ganz natürlich.“ In der Fachsprache nenne man das anhassen. Er könne sich zudem ein Lernverhalten bei den Krähen vorstellen. Es sei möglich, dass sie gelernt hätten, dass sie für dieses Verhalten Futter bekommen.
Das Brot ist verfüttert und Esser macht sich auf den Weg zurück zum Hof. Die Krähen haben sich noch nicht blicken lassen. „Da sind sie“, ruft er plötzlich und deutet auf eine Baumgruppe etwas weiter entfernt. Tatsächlich sind in den Ästen zwei schwarze Vögel zu erkennen. Rudi und Gulliver lassen ihre Hühner nicht aus den Augen.