60 Tonnen Schwermetall fließen jährlich aus dem Burgfeyer Stollen bei Mechernich in den Veybach. Für den Erftverband ist das ein Umweltskandal.
Umweltsünde Burgfeyer StollenDer Veybach ist einer der dreckigsten Bäche in Deutschland
„Das ist keine Umweltsünde, das ist ein Umweltskandal. Und dass jeder wegschaut und mit dem Finger auf den anderen zeigt, macht es seit Jahrzehnten noch schlimmer“, sagt ein Mitarbeiter des Erftverbands, der namentlich nicht genannt werden möchte. Es müsse dringend etwas geschehen. Es könne nicht sein, dass der Veybach einer der mit Schwermetallen am stärksten belasteten Bäche in Deutschland ist – nachweislich seit vielen Jahrzehnten.
In den Unterlagen des Erftverbands, die der Redaktion vorliegen, steht, dass allein rund 7,5 Tonnen Nickel pro Jahr aus dem Burgfeyer Stollen in den Veybach gelangen. Nickel ist für Wasserorganismen giftig. Laut Erftverband fließen in Burgfey das ganze Jahr über 300 Liter pro Sekunde aus dem Burgfeyer Stollen in den Veybach. Pro Jahr kommen so etwa 60 Tonnen Schwermetall zusammen.
Erftverband bezeichnet ökologischen Zustand des Veybach als unbefriedigend
Auch Cadmium, Zink, Cobalt und Blei sind in größeren Mengen im Veybach-Wasser vorhanden und können nach Angaben des Erftverband-Mitarbeiters noch in Rotterdam nachgewiesen werden. Der Erftverband bezeichnet den chemischen Zustand des Veybachs in internen Unterlagen als „nicht gut“. Der ökologische Zustand sei im unteren Abschnitt, dem Bereich bei Euskirchen, mit „unbefriedigend“ zu bewerten.
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„Es ist schon komisch, dass manche Bewertungen von anderen Behörden genau das Gegenteil behaupten. Die Schwermetalle haben einen gravierenden Einfluss, insbesondere auf das Makrozoobenthos“, sagt der Erftverband-Experte. Dies sind wirbellose tierische Organismen in der Wassersohle. Dazu gehören Schnecken, Fadenwürmer, Libellenlarven oder Krebstiere.
Veybach: Anzahl der Arten sinkt nach Einleitung des Schwermetalls
Die Anzahl der nachgewiesenen Arten verminderte sich laut Erftverband bereits im Jahr 2018. Waren es damals oberhalb der Einleitung des Stollenwassers noch 26 Arten, die dokumentiert werden konnten, waren es unterhalb des Burgfeyer Stollens nur noch neun Arten, die im Gewässerboden nachgewiesen wurden. In der Erft (der Veybach mündet in Euskirchen in die Erft) fiel dem Erftverband zufolge die Zahl der Arten oberhalb des Zuflusses von 35 auf 23 unterhalb der Mündungsstelle.
„Betroffen sind vor allem Käfer und Schnecken, deren Populationen zusammenbrechen, sowie Krebstiere und Strudelwürmer, deren Populationen durch die Schwermetalle gänzlich ausgelöscht werden“, heißt es in dem Gutachten des Erftverbands. Bereits vor mehr als 25 Jahren hat der Erftverband verschiedene Versuche unternommen, das Stollenwasser zu reinigen und damit die Schwermetallbelastung zu reduzieren.
Laut Erftverband wurden diese Versuche 1998 eingestellt. „Aufgrund der geringen Aussicht auf eine großtechnische Anlage“, wie der Verband in den Unterlagen schreibt. 2011 habe man die Pilotanlage im Bereich Burgfey modernisiert und den Testbetrieb wieder aufgenommen.
2020 schätzte der Verband die Investitionskosten für eine Aufbereitungsanlage zur sogenannten Vollstrombehandlung bei einem Durchfluss von bis zu 330 Litern pro Sekunde auf rund 7,3 Millionen Euro. Die jährlichen Betriebskosten für die Anlage beziffert der Verband mit mehr als 600.000 Euro.
„Beides dürfte aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung heute etwas höher liegen“, so der Erftverband-Mitarbeiter: „Aber in Zeiten, in denen jeder über Umweltschutz redet, sollte das Geld durchaus gut investiert sein. Zumal während der Flut das verseuchte Wasser des Veybachs durch viele Häuser geflossen ist.“
Hat die Flut nun etwas geändert? Gibt es Pläne, das Schwermetall-Problem anzugehen? Das sagen die potenziell beteiligten Stellen:
Fragt man bei der Euskirchener Verwaltung nach, erhält man von Pressesprecher Tim Nolden diese Antwort: „Das Verfahren zur Sanierung liegt nicht in der Verantwortung der Kreisstadt Euskirchen, sondern wird vom Erftverband und der Bezirksregierung Arnsberg bearbeitet. Deshalb können wir dazu leider keine Einschätzung geben.“
Mechernichs Bürgermeister strebt eine schnelle Lösung an
Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick sagt: „Für uns ist wichtig, dass bei der Beseitigung der 60 Tonnen Schwermetalle pro Jahr keine Kosten auf die Bürger zukommen.“ Das Ganze müsse anders finanziert werden. „Das Problem war den Behörden schon damals, bei der Stilllegung des Bergwerks 1957, bekannt und man hat den Betreiber aus dieser Nummer ohne Folgen entlassen“, so Schick.
Strittig waren und sind die sogenannten Ewigkeitskosten für die Reinigung des Wassers. Er habe, so Schick, die Gespräche „immer wieder nach vorne gebracht, weil Bleibelastung in Mechernich nicht erst seit gestern eine große Rolle spielt“.
Auch der Kreis Euskirchen verweist zunächst an das NRW-Umweltministerium in Düsseldorf. Dort sitzt mit Oliver Krischer ein Grüner Minister im Chefsessel. Achim Blindert, Allgemeiner Vertreter von Landrat Markus Ramers, sagt auf Anfrage: „Natürlich haben wir als Kreis Euskirchen ein großes Interesse an einer zeitnahen, nachhaltigen und langfristigen Lösung zur Reinigung des Stollenwassers im Veybach. In der Vergangenheit sind dazu bereits verschiedene Vorschläge erarbeitet und diskutiert worden. Für welche Lösung das Land sich auch immer entscheidet: Der finanzielle Aufwand wird dauerhaft und erheblich sein.“
Laut Erftverband steigt der Druck, das Wasser zu reinigen
Der Chef des Erftverbands, Dr. Bernd Bucher, verweist im Gespräch auf den Klimawandel, immer heißere Sommer und die immer weiter fortschreitende Renaturierung von Veybach und Erft. „Wenn das Wasser ausufert, werden sich die Schwermetalle auf den Retentionsflächen ablagern“, so Bucher: „Und bei Bergheim profitieren wir aktuell vom Sümpfungswasser des Tagebaus, das in die Erft fließt und so das Wasser verdünnt. Wenn das Sümpfungswasser in spätestens 30 Jahren nicht mehr vorhanden ist, steigt die Belastung stark an.“ Der Druck, eine Lösung für den Veybach zu finden, nehme eher zu denn ab.
Umweltministerium will nicht zurück-, dafür nach vorne blicken
„Bezüglich des Veybachs ist zu beachten, dass die Reinigung des Stollenwassers eine Daueraufgabe sein wird“, sagt ein Sprecher des Umweltministeriums. Das Ministerium prüfe derzeit intensiv, wie eine nachhaltige Sanierung der Schwermetallverunreinigungen auf den Weg gebracht werden könne – beispielsweise mit einer Ionentauschanlage. Aktuell werden Möglichkeiten der Finanzierung der Investitions- und Unterhaltungskosten für eine großtechnische Anlage geprüft.
Das Umweltministerium tausche sich mit Blick auf die Hinterlassenschaften des früheren Bergbaus auch mit dem Wirtschaftsministerium aus. Doch warum ist in all den Jahren eigentlich nichts passiert? „Ich bitte um Verständnis, dass zu früheren Entscheidungen, und aufgrund der laufenden Abstimmungen, keine weiteren Informationen möglich sind“, so der Sprecher.
Die Burgfeyer Stollen zu verschließen, ist keine Option
7,5 Kilometer lang ist der Burgfeyer Stollen. Er verläuft in Teilen unter dem Abfallwirtschaftszentrum des Kreises in Strempt. Eine theoretische Möglichkeit, die Schwermetalle erst gar nicht mehr in den Veybach einzuleiten, könnte sein, den Stollen zu versiegeln oder ein Teil des Wassers umzuleiten, um weniger reinigen zu müssen. Das bleibt wohl nur graue Theorie. Der Grund: die unvorhersehbaren Auswirkungen des Grundwassers auf die Region.
Von 1806 bis 1930 wurde der Burgfeyer Stollen immer weiter in Richtung Westen vorgetrieben. Er gerät im Westfeld in einen anderen Grundwasser-Einzugsbereich. Und dort fließt nach Angaben des Erftverbands nicht so stark belastetes Wasser.
Wenn es gelänge, diese 150 Liter pro Sekunde zu separieren, müssten nur die restlichen 150 Liter gereinigt werden. Dafür müssten bei Scheven unter anderem zwei Wasserdämme mit Schieber eingebaut werden. Gewässer würden im Westfeld angestaut und durch den Schevener Stollen in den Bleibach geleitet.
Die Separierung würde jedoch zu einer „deutlichen Veränderung der hydrologischen Situation führen, die den vorbergbaulichen Verhältnissen nahekommt“, heißt es seitens des Erftverbands. Über diesen Zustand des Erdreichs rund um Mechernich vor dem Bergbau gibt es keine Aufzeichnungen.
Denkbar wäre ein Anstieg des Grundwasserspiegels oder Wasserzulauf in Bergbaustollen – auch in diesem Fall wären die Konsequenzen nicht vorhersehbar. Auch mit Blick auf das Abfallwirtschaftszentrum.