Drei Tage hatten 10.000 Bürgerinnen und Bürger in Mechernich kein Trinkwasser. Doch was passiert, wenn es länger dauert?
Nach Sabotage-VerdachtWer im Notfall für sauberes Wasser im Kreis Euskirchen sorgen kann
Nach drei Tagen war der Spuk vorbei. Drei Tage lang wussten Mitte August rund 10.000 Menschen in Teilen des Mechernicher Stadtgebietes nicht, wann sie wieder das Wasser aus der Leitung wie gewohnt nutzen können. War das Trinkwasser kontaminiert worden? Ein Loch im Zaun auf dem Gelände des Trinkwasser-Hochbehälters der Mechernicher Bleibergkaserne ließ den Verdacht aufkommen. Vorsicht war geboten, zumal wenige Tage zuvor ein ähnlicher Sabotage-Verdacht an einer Trinkwasserversorgung in Köln aufgekommen war.
So galt in der Mechernicher Kernstadt, in Strempt, Roggendorf, Breitenbenden, Weißenbrunnen und Denrath zunächst: Leitungswasser nur noch für die Toiletten-Spülung nutzen! Danach konnte es zumindest abgekocht verwendet werden, bis am dritten Tag die letzten Ergebnisse aus dem Labor kamen: Das Wasser ist nicht belastet. Es hätte also alles schlimmer sein können.
Lieferung von Wasserflaschen an Bürger war schon in Vorbereitung
Doch was, wenn es mal wirklich schlimmer kommen sollte? Wenn Trinkwasser über einen längeren Zeitraum nicht zur Verfügung steht?
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Jörg Nußbaum ist Technischer Betriebsleiter der städtischen Wasserversorgung Mechernich. Es gebe ein Sicherheitssystem, das bei einem längeren Ausfall zum Einsatz komme, sagt er: „Das ist in Mechernich schon wegen des Krankenhauses und der vielen Praxen nötig.“ Details werden allerdings nicht öffentlich verraten. Man will es Zeitgenossen, die Böses im Schilde führen, nicht zu einfach machen.
Die Lieferung von Wasserflaschen oder Galonen an die Bürger war Nußbaum zufolge nach der Warnung im August schon in Vorbereitung. Dafür wären Lkw genutzt und Milchtankfahrzeuge in Wassertankfahrzeuge verwandelt worden. Für das Stadtgebiet Mechernich wäre das nichts Neues: Nach der Flutkatastrophe 2021 war zum Beispiel Kommern eine Woche lang von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten.
Nach Sabotage-Verdacht in Mechernich Kontakt zum THW
Erfahrungen, auf die man beim jüngsten Ereignis hätte zurückgreifen können. Helfen können dann das THW oder die Bundeswehr mit Wasseraufbereitungs-Komponenten. „Wir hatten auch schon Kontakt zum THW aufgenommen“, sagt Nußbaum. „Das THW agiert grundsätzlich ausschließlich auf Anforderung“, erklärt Raphael Maus vom Ortsverband Euskirchen des Technischen Hilfswerks. Die Lieferung von Trinkwasser an die Bevölkerung hätte der für Mechernich zuständige Ortsverband Euskirchen mit seinen Lkw eigenständig leisten können.
Doch müsste Wasser etwa aus Bächen und Seen aufbereitet werden, greife das bundesweite modulare System des THW. „Wenn wir Unterstützung im Bereich von Sonderfähigkeiten brauchen“, erläutert Maus, „können wir auf andere Ortsverbände zurückgreifen.“ Denn bei der Vielzahl möglicher Ereignisse ist klar: Nicht jeder THW-Ortsverband kann alles. Aber alle wissen, wer im Notfall helfen kann. „Das funktioniert sehr gut“, sagt Maus.
Die Aufbereitung von Wasser aus Bächen oder Seen ist möglich
Um etwa bei einer Trinkwassernot helfen zu können, halte das THW bundesweit 13 Fachgruppen „Trinkwasserversorgung“ vor, zwei davon in Nordrhein-Westfalen. Im Falle des Kreises Euskirchen kämen wohl die Ortsverbände Ibbenbüren oder Lemgo wegen der geografischen Nähe infrage. Doch wenn es sein müsse, kämen auch Fachstellen-Kollegen und -Kolleginnen aus anderen Bundesländern.
Die verfügen über die Geräte und die Kompetenz, die eine Aufbereitung von Wasser aus Seen oder Bächen zu Trinkwasser von bis zu 15.000 Litern in der Stunde ermögliche. Damit hätte den etwa 10.000 Mechernichern im August schon mal geholfen werden können. Denn in einer solchen Notlage ist natürlich Katzenwäsche statt Duschen angesagt, Wasch- oder Spülmaschinen haben auch Pause, so dass der statistische Pro-Kopf-Tagesverbrauch von 128 Litern erheblich unterschritten würde.
„Der Verbrauch ist in dem betroffenen Gebiet um etwa 40 Prozent zurückgegangen“, so der Mechernicher Wasserexperte Nußbaum mit Blick auf den Vorfall vor ein paar Wochen. Schnell war ja auch klar, dass keine chemische Kontamination vorlag, so dass zumindest abgekochtes Wasser genutzt werden konnte.
THW hätte Mechernich über längeren Zeitraum versorgen können
Die THW-Fachgruppen „Trinkwasseraufbereitung“ bieten quasi das All-inklusive-Programm: Sie lagern, sie transportieren und sie geben das aufbereitete Wasser ab – etwa als Einspeisung in ein bestehendes Leitungsnetz (was im Falle Mechernich wegen des Verdachts der Sabotage oder gar eines Anschlags natürlich nicht infrage gekommen wäre), als Übergabe an Transportfahrzeuge oder an öffentlich leicht zugängliche Zapfstellen.
„Das aufbereitete Wasser entspricht der Deutschen Trinkwasserverordnung und hat damit die gleiche Qualität wie das Wasser aus dem Hahn“, versichert das Technische Hilfswerk. Nach dem Starkregen 2021 seien etwa Gemeinden und Krankenhäuser vom THW mit dem lebensnotwendigen Nass versorgt worden.
„Wenn in Mechernich tatsächlich eine Verunreinigung im Leitungssystem vorgelegen hätte, hätten wir also auch hier über einen längeren Zeitraum die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen können“, erklärt Maus – logistisch und auch per Aufbereitung. Und gekostet hätte das die Stadt Mechernich nichts, wie Tim Bauer erklärt: „Grundsätzlich gilt: Wenn eine für die Gefahrenabwehr zuständige Stelle das THW anfordert und selber keinen Abrechnungspartner, also Verursacher, hat, werden keine Rechnungen gestellt“, sagt der Fachberater des THW-Ortsverbandes Euskirchen.
Nach dem Vorfall in Mechernich: Das sagen die Trinkwasserversorger
Der Vorfall in Mechernich wirft Fragen auf: Wie wird das Trinkwasser geschützt? Was kann getan werden, wenn es mal nicht zur Verfügung steht? Diese Zeitung hat beim Wasserverband Euskirchen-Swisttal (WES) und beim Wasserverband Oleftal nachgefragt.
Der WES bezieht dem e-regio-Sprecher Sebastian Zimer zufolge sein Wasser durch eigene Förderung sowie für einige wenige Bereiche Euskirchens vom Verbandswasserwerk. „Im Jahr bereitet der WES rund 4,9 Millionen Kubikmeter Wasser für zirka 75 000 Menschen in Euskirchen und Swisttal auf“, so Zimer.
Personal des WES ist seit dem Vorfall besonders wachsam
„Wir nehmen den Vorfall aus Mechernich sehr ernst“, erklärt der Sprecher der e-regio, die das operative Geschäft des WES betreibt: „Grundsätzlich haben wir ein umfangreiches Sicherheitskonzept zum Schutz der Wasserversorgung.“
Alle Anlagen, die in der Zuständigkeit des WES liegen, seien fernüberwacht, so Zimer: „Dadurch bekommen wir rund um die Uhr Kenntnis über unbefugte Zutritte. Zusätzlich kontrollieren wir engmaschig die Anlagen und Außengelände vor Ort.“ Das Personal sei seit dem Vorfall bei den täglichen Kontrollen der Wasseranlagen besonders wachsam.
„Wenn es den Verdacht gibt, dass die Qualität des Trinkwassers beeinträchtig ist“, so Zimer, „reagieren wir sofort. Überschreitet ein Messwert den Grenzwert nach Trinkwasserverordnung wird dies dem Gesundheitsamt gemeldet und geeignete Maßnahmen eingeleitet.“ Bei kleineren Ausfällen sorgten Redundanzen im Netz dafür, dass die Versorgung aufrechterhalten werden könne. „Für größere Störfälle existiert ein mit den Behörden abgestimmter Störfall- und Maßnahmenplan zur Notfallversorgung“, erklärt Zimer.
Mitarbeiter des Wasserverbands Oleftal erneut sensibilisiert
Der Wasserverband Oleftal versorgt rund 45.000 Einwohner in Schleiden, Hellenthal, Kall, Dahlem, in den Nettersheimer Ortsteilen Barhaus und Marmagen sowie in Einruhr (Gemeinde Simmerath) und in Kalenberg (Stadt Mechernich). 90 Prozent des Wassers bezieht der Wasserverband aus der Oleftalsperre, den Rest aus Quellen in Kall, Marmagen und Dahlem.
Nach dem Vorfall in Mechernich seien sofortige Kontrollen aller Anlagen auf eventuelle Veränderungen vorgenommen, erklärt der Verbandsvorsteher, Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg.
Alle Anlagen wurden und werden ohnehin regelmäßig kontrolliert, so Westerburg. Alle Mitarbeiter seien nochmals sensibilisiert worden, auch auf kleinste Veränderungen zu achten. Dennoch: „Vollkommener Schutz gegen Anschläge ist unmöglich“, stellt Westerburg klar.
Bei einer Notlage sei das „Zusammenspiel verschiedener Faktoren“ vonnöten, so der Verbandsvorsteher: „Der Wasserversorger muss kontinuierlich in den Erhalt und die Sicherheit der Wasserversorgung investieren.“ Das sehe auch die Nationale Wasserstrategie so vor. Zudem müssten im Notfall die Katastrophenschutzpläne im Zusammenspiel der Behörden, Ver- und Entsorger und Bevölkerung greifen. „Jeder Bürger und jeder Haushalt muss zudem Eigenvorsorge treffen“, erklärt Rudolf Westerburg.