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Faszination HeimatIn den Eifel-Bächen tummelt sich das Leben – Wasser wird immer wärmer

Lesezeit 5 Minuten
Ein Stein ragt mit der Spitze aus dem Wasser eines Bachs empor, links und rechts ist grünes Ufer erkennbar.

Auf den ersten Blick ist kaum zu erkennen, wie viele Lebewesen hier in der Urft bei Nettersheim wohnen.

In unserer Serie „Faszination Heimat“ schauen wir uns jeden Monat in der Natur um. Diesmal sind wir mit Gummistiefeln in die Urft gestiegen.

Die Urft – gut 46 Kilometer lang, meistens ein nicht besonders tiefes, langsam dahinfließendes Flüsschen. Sie entspringt im Dahlemer Wald ein paar Kilometer westlich von Schmidtheim und mündet schließlich in Rurberg in den Obersee der Rurtalsperre und damit in die Rur. Auf ihrem Weg durch die Eifel fließt sie direkt am Naturzentrum Eifel in Nettersheim vorbei. „Das ist toll, 364 Tage im Jahr“, sagt Wolfgang Düx.

Er ist naturwissenschaftlicher Leiter des Naturzentrums und spielt mit seiner Aussage auf den einen Tag im Juli 2021 an, an dem die Bäche und Flüsse der Eifel sich zu unaufhaltsamen, zerstörerischen Fluten entwickelten und das Naturzentrum zu einer einsamen Insel wurde. Nach wie vor stecke die Bildungsstätte noch im Wiederaufbau. Erst seit wenigen Wochen ist das Haupthaus wieder bezogen. Drei weitere Häuser seien noch nicht wieder aufgebaut, so Düx. Das Leben in, auf und am Bach habe sich schneller erholt.

Nach der Flutkatastrophe neuen Fisch in der Urft entdeckt

„Zwei Wochen nach der Flut habe ich mich hier wieder reingetraut“, sagt Düx und zeigt auf die Urft, die friedlich dahin plätschert. „Vorher hatte man zu viel Respekt.“ Er fand Schnecken, Köcherfliegenlarven, Koppen – alles wie vor der Flut. Allerdings: „Die Fischfauna hatte sich verändert“. Auf einmal waren auch Döbel in diesem Teil der Urft zu finden. Diese bevorzugten eigentlich wärmere und weniger sauerstoffhaltige Gewässer.

Zunächst habe er sich über den Döbel gefreut, doch dann: „Als erwachsener Fisch frisst der gerne auch Fische und vor allem deren Brut.“ Der Neuankömmling wurde zur Bedrohung vor allem für die Forellen in der Urft. Zum Glück sei er aber von alleine wieder verschwunden, so Düx.

Ein braun gefleckter Fisch schwimmt über einem Stein in einem Bach.

Koppen kommen in der Urft häufig vor.

Die Urft in Nettersheim sei eine Forellenregion, Döbel hingegen lebte in Äschenregionen. Tatsächlich ließen sich Fließgewässer sehr gut danach einteilen, welche Tiere dort lebten, weiß der Experte. Und nicht nur das: „Man kann anhand der Tiere sagen, wie gut die Qualität des Wassers ist“, berichtet Düx begeistert. Die Güte von Gewässern wird europaweit in fünf Stufen bewertet: sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend und schlecht.

Tiere verraten die Qualität des Wassers in der Urft

Das Wasser der Nettersheimer Urft sei von guter Qualität, sagt Düx. Also Stufe zwei. Um das zu belegen, stapft der Biologe in Gummistiefeln mitten rein in den Bach. In eine Schale füllt er etwas Wasser und stellt sie am Ufer ab. Dann macht er sich mit einem feinen Sieb auf die Suche. Er findet schnell verschiedene Köcherfliegenlarven, einige Flussnapfschnecken und Schlammschnecken. Dann ein paar Schwimmkäfer.

Auf einem Stein, der im Wasser liegt, sind viele kleine Schnecken zu sehen.

Überall auf den Steinen in der Urft bei Nettersheim sitzen kleine Schnecken.

Seine Funde legt er in der Schale mit Wasser ab. „Alle Tiere, die wir hier einfangen, müssen wir auch wieder freilassen“, betont er. Wenig später gelingt es ihm, eine Koppe zu fangen. Der kleine, flache Fisch sei hier keine Seltenheit. „Unter jedem zweiten Stein findet man eine“, sagt Düx. Auch Bachschmerlen entdeckt er, bekommt sie aber nicht zu fassen. Wenig später geht ihm dann doch ein etwas seltenerer Fang ins Netz: eine Prachtlibellenlarve. Libellen, aber auch einige Fliegen und Mücken legen ihre Larven in Bächen ab und vollziehen im Erwachsenenalter einen Lebensraumwechsel.

Die Larve einer Prachtlibelle schwimmt in einer weißen Schale.

Die Larve einer Prachtlibelle gehört zu den selteneren Funden in der Nettersheimer Urft.

So auch die Köcherfliege. Ihre Larven wohnen in einem selbstgebauten Köcher, um ihr „weiches Hinterteil“ zu schützen, erläutert der Experte. Die Köcher sehen aus wie kleine Röhrchen aus winzigen Steinchen und Schilfstückchen. Aus einem der Köcher, die Düx gefangen hat, schaut sogar ein kleiner Kopf heraus. Unter Wasser grasten sie vor allem Algenwiesen ab. „Wir bezeichnen sie auch gerne als Kühe des Baches“, so Düx.

Auch Egel kommen in den Eifeler Bächen vor

Er hat schon wieder einen Fang gemacht. Mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen, liegen ein paar Bachflohkrebse in seinem Sieb. Die kleinen Tierchen mit ihren vier Antennen seien in der Urft häufig anzutreffen, berichtet Düx. Zusammen mit den anderen Funden belegt ihr Vorkommen, dass die Qualität des Wassers in der Urft laut Übersichtskarte vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW tatsächlich gut ist.

Auch ein paar Egel findet Düx. Die seien aber nicht gefährlich, beruhigt er direkt. „Blutegel gibt es hier keine!“

An der Urft in Nettersheim lebt ein Eisvogel

Neben den Tieren im Bach gebe es auch einige Bewohner auf und an dem Gewässer, so der Experte weiter. Der Eisvogel beispielsweise, der seine Bruthöhlen in die Steilwände entlang von Bächen baue. Den sehe man aber oft nur morgens, wenn noch nicht so viel los sei.

Mehr Glück könne man mit der Wasseramsel haben. „Das ist der einzige Vogel, der tatsächlich übers Bachbett laufen kann“, berichtet Düx. An diesem Vormittag lässt sich aber keine blicken. Dafür hüpft etwas anderes federleicht über das Wasser: ein Wasserläufer. Der gehöre zu den Wanzen, weiß Düx.

Ein Wasserläufer sitzt auf einer sich kräuselnden Wasseroberfläche.

Wasserläufer können, wie der Name es verrät, über das Wasser laufen.

Doch nicht nur die Tiere zeichneten den Lebensraum Bach aus, sondern auch die Pflanzenwelt. „Sie werden hier am Ufer keine Eichen oder Buchen finden“, so der Biologe. Stattdessen wachsen hier Weiden und Erlen. „Die vertragen es, dass sie nasse Füße bekommen“, scherzt Düx.

Leider werden Bäume am Ufer immer häufiger entfernt, ergänzt er. Für den Lebensraum Bach habe das drastische Folgen. Ohnehin werden die Bäche laut Düx immer wärmer. Wenn dann noch schattenspendende Bäume fehlten, beschleunige das den Prozess. Für viele Arten im Bach seien der Schatten und eine kühle Temperatur aber überlebenswichtig.

Vorsichtig lässt er die gefangenen Tierchen wieder in den Bach und stapft ans Ufer. Einfach mit einem Sieb in den Fluss waten und auf Suche gehen, das sei verboten, berichtet er. Das Naturzentrum habe aber eine Erlaubnis. Wer also einmal das Leben im Bach selbst unter die Lupe nehmen will, der muss nach Nettersheim an die friedlich vor sich hin plätschernde Urft.


Naturzentrum bietet im Oktober Exkursionen in die Urft an

Bildung, darum geht es beim Naturzentrum Eifel. Vor allem Schulklassen kommen laut Wolfgang Düx hierher und lernen einiges über Biologie, Geologie und Archäologie. „Es geht um Sensibilisierung.“ Auch Privatleute jeden Alters sind willkommen.

Ein Mann steht in einem Bach. Er trägt ein graues, kurzärmeliges Hemd und Jeans. In der Hand hält er ein Sieb.

Wolfgang Düx steigt gerne mit Gummistiefeln und Sieb in die Urft.

Immer wieder bietet das Naturzentrum Veranstaltungen an. Die Exkursion in die Urft mit dem Titel „Das Leben im Bach“ gehört laut Düx zu den Klassikern, die schon seit 30 Jahren angeboten werden. Die nächsten Exkursionen finden am 4. und 11. Oktober statt.