Von möglicherweise mehreren Wölfen wurden zwei Highland-Kälber gerissen. Tierhalter kritisieren, dass das NRW-Wolfs-Monitoring nicht die tatsächliche Situation in der Eifel spiegele.
Besorgte TierhalterKälber gerissen – Die Furcht vor den Wölfen in der Eifel wächst
Für den Besitzer einer Rinderherde oberhalb des Eifelorts Wolfert in der Gemeinde Hellenthal war es eine hässliche Überraschung. Am Tag nach dem Weihnachtsfest entdeckte ein Spaziergänger auf einer Wiese am Ortsrand die abgenagten Kadaver zweier Highland-Kälber. Für den Besitzer steht fest: Seine Kälber sind mehreren Wölfen zum Opfer gefallen.
Der Halter der Herde schottischer Hochlandrinder vermutet, dass es sich um drei Jungwölfe – im Volksmund schon als „Berker Rudel“ bezeichnet – handelt, die ebenso wie ein großer einzelner, etwa vier bis fünf Jahre alter Rüde oder eine Zweier-Gruppe mehrfach in dem ausgedehnten Waldbereich gesehen wurden. Ob die drei Wölfe tatsächlich ein Rudel bilden und in dem Territorium im Dahlemer und Hellenthaler Wald sesshaft werden, kann man allerdings noch nicht sagen.
Hochlandrinder bilden bei Gefahr einen Schutzring um ihre Kälber
Dass es mehrere Wölfe waren, leitet der Halter aus der Wehrhaftigkeit seiner Hochlandrinder her. Bei Gefahr bildeten sie einen Schutzring um die Kälber. Doch beim Angriff mehrerer Wölfe werde die Herde auseinandergetrieben, die Kälber seien dann schutzlos.
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Einen echten Wolfsnachweis wird es durch diesen Riss nicht geben, denn nach 24 Stunden ist eine DNA-Untersuchung nicht mehr möglich. Wölfe fressen schnell und lassen meist Teile der Beute zurück. Doch schon nach kurzer Zeit tun sich andere Tiere, etwa Füchse, Wildschweine oder Krähen, an den Kadavern gütlich. Danach ist eine DNA-Analyse sinnlos.
Ganz in der Nähe wurde auch ein gerissenes Stück Rotwild gefunden
Der Wolf ist auch in der Jägerschaft im Kreis Euskirchen ein leidenschaftlich diskutiertes Thema. Das bestätigt deren Vorsitzende Angela Schmitz. Wenige Tage nach dem Fund der beiden jungen Hochlandrinder bei Wolfert sei in der Nähe ein gerissenes Stück Rotwild gefunden worden, berichtet sie.
Die Information sei an das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (Lanuv) weitergeleitet worden, doch das habe zunächst keine Probe nehmen wollen. „Tote Wildtiere werden meistens nicht begutachtet“, so Schmitz. In der Natur sei es ja ein normaler Vorgang, dass Wölfe Rehe oder Hirsche reißen.
Unterstützung bei der Forderung, ein Wolfsmanagement in der Eifel einzurichten, bei dem auch Wildtierrisse erfasst werden, erhalte die Jägerschaft von Josef Tumbrinck, dem Abteilungsleiter Naturschutz im nordrhein-westfälischen Umweltministerium. Tatsächlich wurde der Rotwild-Riss bei Wolfert dann doch beprobt. Die Analyse durch das Senckenberg-Institut wird aber Zeit in Anspruch nehmen. Und auch den Fall der Hochlandrinder will das Lanuv nun aufrollen.
Fotos entstehen meist durch Wildkameras der Jäger
Wie verbreitet Wölfe, die erst spät in die Eifel gekommen sind, hier tatsächlich sind, ist selbst für Experten schwer einzuschätzen. Wolfsbegegnungen sind selten, kommen aber vor. Dann sind es meist unscharfe Handyfotos, die wenig Aufschluss bieten. Fotos entstehen auch durch Wildkameras der Jäger. Und es gibt Risse und Spuren.
Die Wahrnehmung und die damit zunehmenden Ängste und Sorgen in der Bevölkerung – vor allem bei Tierhaltern – decken sich aber nicht mit Wolfsnachweisen des Lanuv, das nur gesicherte Erkenntnisse veröffentlicht.
Tina Mommer aus Stadtkyll betreibt mit vier Mitstreitern eine Whatsapp-Gruppe, die sich mit Wolfssichtungen und Rissen im Umkreis von 50 Kilometern um Blankenheim beschäftigt. Dadurch versorgen sich mehr als 1300 Nutztierhalter, Landwirte, Jäger, Naturschützer und Interessierte mit Informationen. So warnen sich Tierhalter, wenn ein Wolf in einem Bereich gesehen wird.
Über Whatsapp informieren sich Tierhalter, Jäger und Naturschützer gegenseitig über Sichtungen und Risse
Die Gruppe legt Wert darauf, dass es sich nicht um einen Chat handelt und die Betreiber darin nur sachliche Infos weitergeben. So sind sie auch bemüht, Fake News auszusondern. Sichtungen und Risse werden nicht nur geteilt, sondern an die zuständigen Behörden weitergegeben. Denn mittlerweile, so Mommer, habe man auch Kontakte zum zuständigen Wolfsmanagement aufgebaut und arbeite mit den Wolfsberatern zusammen. Die Zahlen, die vom Lanuv genannt werden, so sagt Tina Mommer, seien unzulänglich.
Laut Mommer wurden vor allem im vergangenen Halbjahr im Bereich von Blankenheim über Hellenthal bis hin nach Simmerath etliche Vorfälle und Risse gemeldet. Es seien auch einige Zusammenstöße von Wölfen und Spaziergängern mitgeteilt worden, bei denen explizit die fehlende Scheu der Wölfe beschrieben worden sei.
So etwa von Nicole Schumacher, die in Kehr mit ihrem Vater, einem ehemaligen Jäger, Damwild, Ziegen, Schafe, Pfauen und Pferde hält. Nachdem bei ihr 2023 fünf Pfauen gerissen wurden, hat sie ihr Gehege mit einem elektrischen Schutzzaun umgeben und eine Überwachungsanlage mit Alarm installiert. Bei dem Riss wurde aber offiziell nur ein „männlicher Beutegreifer“ festgestellt.
Nicole Schumacher hatte schon mehrfach Besuch von Wölfen. Vor allem ein großer einzelner Wolf wird in Losheim und Kehr immer wieder gesichtet, auch im Ort. Bei der jüngsten Begegnung sei der große Wolf seelenruhig in 50 Metern Entfernung an ihr vorbeigetrabt und habe sich von ihrer Anwesenheit nicht stören lassen.
Nicole Schumacher: „Wölfe sind schlau. Sie lernen und wissen, dass wir ihnen nichts tun.“ Mehrfach fotografierte sie auch einen, einmal zwei Wölfe, am Gehege. Doch in allen Fällen reichte es nur zur C2-Einstufung, einem bestätigten Hinweis, nicht um einen eindeutigen Nachweis (C1).
Wildtier-Risse wurden für das Wolfsmonitoring bisher kaum untersucht
Die Aufnahme dieser Meldungen bei den zuständigen Stellen, so kritisiert Tina Mommer, habe bisher zu wünschen übrig gelassen. Risse an Wildtieren, nicht weniger wichtig für die Statistik eines Wolfsmonitorings, seien kaum bis gar nicht bearbeitet worden.
Froh ist sie, dass das Lanuv und auf rheinland-pfälzischer Seite das Kluwo (Koordinationszentrum Luchs und Wolf) ein neues Monitoring aufbauen, da dieses in den vergangenen anderthalb Jahren im Hinblick auf Wildtiere ins Hintertreffen geraten sei. Auch sei die Ausbildung neuer Wolfsberater in Arbeit.
Mommer: „Somit hoffen wir, die in der Vergangenheit aufgetretenen Probleme angehen zu können.“ Privatleute, Landwirte und Jäger sollten nach dem Vertrauensverlust in die zuständigen Stellen wieder dazu bewegt werden, diese bei Rissen und Sichtungen zu kontaktieren.
Tierhalter sehen auch die Politik in der Pflicht zu reagieren
Mommer: „Da der Druck durch das erhöhte Aufkommen der Wölfe auch das Management dazu bewegt hat, grundsätzliche Strukturen im Monitoring zu ändern, hoffen wir, dass auch die Politik sich dementsprechend dieser Situation endlich annimmt.“ Zusätzlich müsse, wenn die Aufnahme der Genetik der Wölfe durch Proben der offiziellen Stellen abgeschlossen sei und das Monitoring vernünftig laufe, über Regulierungspläne gesprochen werden.
Dabei gehe es nicht um einzelne Problemwölfe, sondern um alle Tiere, die ansässig werden. Da ein Jagdrecht unter aktuellen Bestimmungen überhaupt nicht durchführbar sei, müsse auch dieses von der Politik überdacht werden. Dabei bringe es nichts, die Landesjagdverbände dazu zu zwingen, ein normales Jagdrecht einzuführen. Mommer: „Dies würde dazu führen, dass wahrscheinlich kein Jäger mehr ein Revier betreuen möchte, welches von Wölfen besiedelt wäre.“
Kreisjägerschaft Euskirchen: Das Rotwild wird immer scheuer
Bei der Kreisjägerschaft Euskirchen spielt die Wolfspopulation zunehmend eine Rolle. In vielen Revieren sei es schwer geworden, die Abschusspläne für das Rotwild zu erfüllen. Es werde immer schwieriger, weil das Rotwild sein Verhalten in Gebieten, in denen der Wolf unterwegs sei, ändere. Es werde scheuer und komme immer später am Abend aus der Deckung. Und es bilde größere Rudel, in denen die Tiere dicht beieinander blieben – auch das erschwere die Jagd. Denn auf ein Tier schießen sollte der Jäger nur, wenn er sicher sein kann, dass die Kugel nur ein Stück Wild trifft, und nicht versehentlich ein zweites verletzt.
Dem naheliegenden Argument, dass der Jäger ja gar nicht mehr so viel schießen müsse, wenn der Wolf jage, widerspricht Angela Schmitz: „So einfach ist das nicht.“ Ein hoher Rotwildbestand sei nicht unbedingt schädlich für den Wald, solange die Tiere genügend Flächen hätten, auf denen sie Ruhe und Nahrung – Äsung, wie der Jäger sagt – finden.
Elektrozäune auf den Weiden versperren Wanderwege des Wildes
Zögen sie sich aber wegen des Wolfes in dichte Baumbestände zurück, richteten sie dort Schaden an. Sie weist auch auf ein Problem hin, das entsteht, wenn wegen des Wolfes Weidetiere mit immer höheren Elektrozäunen geschützt werden. Diese Zäune beschnitten auch den Lebensraum des Wildes und versperrten seine uralten Wanderwege.
Lanuv: Neues Territorium „Rureifel“ bestätigt
Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) hat das neue Wolfsterritorium „Rureifel“ im Kreis Düren und in der Städteregion Aachen bestätigt. Anhand genetischer Nachweise habe das Wolfsweibchen mit der Kennung GW4074f von ihrem Erstnachweis in NRW am 31. März 2024 bis zum 2. November 2024 im Bereich zwischen Hürtgenwald und Simmerath bestätigt werden können.
Laut bundesweit geltender Monitoringstandards sei ein Wolf als territorial zu werten, wenn er sich für mindestens sechs Monate in einem Gebiet genetisch nachweisen lässt. Das Weibchen, so teilt das Lanuv auf der Homepage mit, stamme aus dem Rudel „Hohes Venn“ in Belgien und sei dort vermutlich 2023 geboren worden.
Am 2. November 2024 habe neben der DNA des Weibchens GW4074f auch genetisches Material des gleichaltrigen Wolfsrüden GW4073m nachgewiesen werden können. Der stamme aus dem Nachbarrudel „Hohes Venn Süd“ in Belgien. Ob es hier zu einer Paarbildung gekommen ist oder kommen wird, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend geklärt werden.
Landwirtschaftskammer NRW berät zu Herdenschutzmaßnahmen
Die Nachweise erfolgten innerhalb der bereits seit Juli 2019 bestehenden Förderkulisse Eifel-Hohes Venn. In dieser, so das Lanuv, werden vom Land bis zu 100 Prozent der Kosten für investive Herdenschutzmaßnahmen gefördert.
Die Landwirtschaftskammer NRW biete eine ausführliche Beratung zu Herdenschutzmaßnahmen kostenlos für alle Weidetierhalter an. Die Servicehotline Herdenschutz sei unter Tel. 029 45 / 98 98 98 von montags bis donnerstags in der Zeit zwischen 8 und 17 Uhr, freitags zwischen 8 und 13 Uhr besetzt. Darüber hinaus könnten rund um die Uhr Beratungstermine über den Anrufbeantworter der Hotline oder per E-Mail angefragt werden. (eb)