Diskussion mit Experten: Welche Probleme die Landwirtschaft mit der Ausbreitung des Wolfs in der Nordeifel hat, machten Betroffene klar.
EU-AnkündigungUmgang mit dem Wolf: Landwirte im Kreis Euskirchen hoffen auf schnelle Lösungen
Letztlich geht es um die Zukunft der Landwirtschaft in der Nordeifel und den angrenzenden Gebieten. Da waren sich die Landwirte einig, die auf Einladung des Rheinischen Landwirtschaftsverbands nach Düren gekommen waren. Denn speziell für die Weidetierhaltung stellt die Rückkehr des Wolfs alle Beteiligten vor große Aufgaben: Herdenschutz, egal, ob er mit hohen Elektrozäunen oder speziell ausgebildeten Herdenschutzhunden betrieben wird, ist teuer. Der Nachweis, ob tatsächlich ein Wolf für den Riss eines Weidetieres verantwortlich ist, ist nicht immer eindeutig zu erbringen, was für die Tierhalter auch finanzielle Nachteile bedeuten kann.
In der Aula der Dürener Landwirtschaftskammer hatten die Kreisbauernschaften und Kreisjägerschaften Aachen, Düren und Euskirchen eine Info-Veranstaltung organisiert. „Gemeinsam mit den Experten wollen wir Lösungswege diskutieren, die den Schutz der Nutztiere und die Akzeptanz des Wolfes gleichermaßen gewährleisten“, hatten die einladenden Verbände vorab das Ziel des Treffens formuliert.
Bauern sehen Ankündigung der EU als „Schritt in die richtige Richtung“
Dass die Stimmung im Saal deutlich entspannter war als zum Beispiel noch vor wenigen Monaten bei einer ähnlichen Versammlung in Tondorf, war wohl auch der Tatsache geschuldet, dass die EU kürzlich angekündigt hat, den Schutzstatus des Wolfs herabstufen zu wollen. Die Bestandszahlen des Wolfes haben sich in den vergangenen Jahren so entwickelt, dass diese Entscheidung „aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig“ sei, hieß es dazu unlängst von Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte dann auch Helmut Dahmen, Chef der Kreisbauernschaft Euskirchen: „Wir dürfen uns da aber trotzdem keine falschen Illusionen machen: Es wird noch Jahre dauern, bis alle Probleme, die die Rückkehr des Wolfs mit sich bringt, gelöst sein werden.“
Besonders betroffen sind derweil die Halter von Schafen und Ziegen. „Ich kenne etliche Berufskollegen, die bereits aufgegeben haben, weil sie mit der emotionalen Belastung und der Angst vor weiteren Wolfsangriffen auf ihre Schafherden nicht mehr klargekommen sind“, sagte Simon Darscheid vom Schafzuchtverband NRW.
Zahl der Wolfssichtungen in der Nordeifel hat sich 2024 vervielfacht
Während der Landwirt bereits seit mehreren Jahren mit Wölfen vor seiner Haustür im Bergischen Land zu tun hat, hat die potenzielle Bedrohung ihrer Tiere durch den Wolf für viele Landwirte aus der Region in diesem Jahr noch einmal eine wesentlich höhere Bedeutung bekommen: Im Umfeld des Nationalparks Eifel ist inzwischen ein Wolfsrudel offiziell bestätigt, die Zahl der Wolfssichtungen hat sich in der Folge speziell im Gebiet der Stadt Schleiden im Vergleich zu den Vorjahren vervielfacht.
Dass sich der Wolf in den kommenden Jahren noch weiter ausbreiten wird, befürchtet unterdessen auch Stephan Brock, der in Schweinheim eine Pferdepension mit rund 140 Tieren betreibt. Zäune sind für ihn keine Lösung: „Ich habe das mal ausgerechnet“, sagte er: „Wenn ich alle Weiden und Koppeln wolfssicher einzäunen wollte, würde das zwischen ein und zwei Millionen Euro kosten.“
Bauern beklagen praktische Probleme beim Thema Herdenschutz
Ein Rinderhalter aus Simmerath machte deutlich, dass die Topografie seiner Steilhangweiden das Ziehen der Herdenschutzzäune gar nicht zulasse. Und Landwirt Günter Wagner aus Nonnenbach sah die Schwierigkeiten beim Herdenschutz von der praktischen Seite: „Im Sommer müsste man die Elektrozäune spätestens alle 14 Tage von Hand freischneiden, damit sie weiterhin funktionieren. Wer soll das machen? Wir finden doch schon aktuell keine Mitarbeiter, die in der Landwirtschaft anpacken wollen.“
Sein Fazit daher: „Die Landschaft der Nordeifel wird sich verändern, wenn immer mehr Betriebe aufgeben.“ Es werde zunehmend zur Verbuschung von Flächen kommen, wenn sie zum Beispiel nicht mehr von Schafen beweidet werden könnten.
Dass es noch viel zu tun gibt, fand auch Steffen Pingen, der beim Deutschen Bauernverband für den Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit verantwortlich ist. „Neben dem Töten auffälliger Tiere muss es auch ein generelles Bestandsmanagement geben, um die Zahl der Wölfe insgesamt zu begrenzen“, forderte der Verbandsvertreter. Man könne das Thema nicht weiter auf die lange Bank schieben. „Ohne Bestandsmanagement hat die Weidetierhaltung keine Zukunft“, so Pingen. Neben Vorranggebieten für den Wolf müsse es aber auch Ausschlussgebiete geben, aus denen der Wolf ferngehalten werden müsse.
Erleichterungen in der Praxis schlug der Monschauer Hermann Carl vor, der als Wolfsberater in den vergangenen Jahren schon zu insgesamt 56 Nutztierrissen gerufen wurde. „Obwohl ich auch Jäger bin, durfte ich bislang kein schwer verletztes Rind oder Schaf von seinen Qualen erlösen. Das darf eigentlich nur der Tierarzt.“ Er habe auf eigene Kosten eine Ausnahmegenehmigung erwirkt, die er sich auch für andere Jäger wünscht. „In der Regel sind wir schneller vor Ort als der Tierarzt, deshalb wäre das wünschenswert“, so Carl.
Ministerium verspricht schnellere Arbeit des Landesamts
Dr. Josef Tumbrinck, Abteilungsleiter im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW, der zuvor mehr als 20 Jahre Landesvorsitzender des Nabu war, machte deutlich, dass der Herdenschutz auch in Zukunft ein zentrales Thema für die Weidetierhalter bleiben werde: „Da ist noch viel Luft nach oben. Das ist einfach eine Aufgabe, um die man sich kümmern muss“, so der Experte.
Um den betroffenen Nutztierhaltern schnell zu helfen, sei die Herabstufung des Schutzstatus' des Wolfs ein wichtiges Signal. Zunächst werde es aber ganz sicher bei der Bejagung einzelner Tiere bleiben. „Wichtig wird sein, dass wir die Möglichkeit erhalten, übergriffige Wölfe so schnell wie möglich zu töten“, sagte Tumbrinck.
Dass es auch in der Abwicklung von Schadensfällen zu Verbesserungen beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz kommen müsse, gab er unumwunden zu: „Wir müssen alles daran setzen, den Betroffenen unter die Arme zu greifen.“
Um schneller Klarheit nach einem Nutztierriss zu schaffen und auch Schadenersatzzahlungen für die Landwirte schneller auf den Weg zu bringen, sei die genetische Untersuchung bereits beschleunigt worden. „Spätestens 14 Tage nach dem Riss haben wir jetzt das Ergebnis auf der Lanuv-Website“, so Tumbrinck. Zudem sei eine Überarbeitung der Förderrichtlinien angestoßen worden, inklusive der Aufnahme weiterer Tierrassen, für die Maßnahmen des Herdenschutzes vom Land übernommen werden sollen.
Kein Wolfs-Nachweis bei Kälberrissen in Blankenheim und Nettersheim
Mehrere Risse von Nutztieren gab es im Frühjahr in landwirtschaftlichen Betrieben im Kreis Euskirchen zu beklagen. Während das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) den Riss von drei Schafen und sechs Lämmern in der Gemeinde Kall im April eindeutig einem Wolf zuordnen konnte, gab es für drei Angriffe auf Rinderherden in den Gemeinden Blankenheim und Nettersheim keine Bestätigung durch das Lanuv.
Im Fall eines toten Kalbs vom 21. Mai in Rohr spricht das Lanuv von einer ungeklärten Todesursache: Vermutlich sei das Tier tot oder lebensschwach geboren worden. „Postmortaler Tierfraß“ sei auch bei einem Kalb festgestellt worden, das ebenfalls aus ungeklärter Ursache am 5. Juni auf einer Weide bei Marmagen tot aufgefunden worden war. Gleiches gelte für ein totes Kalb vom 9. Juni aus der Gemeinde Blankenheim.
In allen drei genannten Fällen habe die genetische Untersuchung keine Hinweise auf einen Wolf ergeben. Einen solchen Nachweis gab es jedoch bei einem Rind, das am 17. Juni verletzt auf einer Weide bei Hürtgenwald im Kreis Düren gefunden wurde. An den Wunden des Tieres seien DNA-Spuren eines Wolfs aus dem Rudel „Hohes Venn“ in Belgien nachgewiesen worden, so das Lanuv.