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Elektrifizierung der EifelstreckeSelbst die Bahn spricht inzwischen von einer Zumutung

Lesezeit 6 Minuten
Mitarbeiter der Firma Europten führen auf der Eifelstrecke bei Euskirchen Gründungsarbeiten für die Oberleitungsmasten durch.

Bevor das rund sechs Meter lange Rammrohr in den Boden getrieben wird, muss es von den Mitarbeitern der Firma Europten millimetergenau ausgerichtet werden. Das Rohr dient als Anker für das Betonfundament, auf dem schließlich der Oberleitungsmast errichtet wird.

Auf dem Abschnitt zwischen Euskirchen und Nettersheim wird an der Elektrifizierung gearbeitet. Die Sperrungen rufen aber auch Unmut hervor.

Im Juni sollen auf der Eifelstrecke wieder Züge der Deutschen Bahn (DB) zwischen Euskirchen, Kall, Nettersheim, Blankenheimerdorf, Schmidtheim, Dahlem und weiter bis Jünkerath und Gerolstein verkehren. So jedenfalls berichteten es Vertreter der Bahn während einer Sondersitzung des Mobilitätsausschusses des Kreistags Ende Januar in Euskirchen.

Aktuell laufen Arbeiten zur Elektrifizierung der Strecke, und diese werden sich nach heutigem Stand auch noch einige Zeit hinziehen. Frühestens Ende 2028 könnten die Dieseltriebwagen vom Typ Vareo auf der Strecke zwischen Köln und Trier von elektrischen Zügen abgelöst werden. Doch auch bis dahin wird es wegen der Arbeiten an den elektrischen Anlagen immer wieder zu Sperrungen der Strecke – zumeist in Teilbereichen – kommen.

Deshalb müssen Bahnkunden zum Beispiel schon im Herbst dieses Jahres südlich von Nettersheim wieder auf die Busse des Schienenersatzverkehrs umsteigen. Neben dieser bereits bekannten Sperrung der Eifelstrecke zwischen Gerolstein und Nettersheim im Zeitraum vom 13. Oktober 2025 bis zum 15. März 2026 plant die DB aber auch schon eine Sperrung der Eifelstrecke zwischen Hürth-Kalscheuren und Nettersheim an allen Wochenenden vom 9. Januar bis zum 1. Juni 2026.

Auch im Jahr 2026 drohen weitere Streckensperrungen in der Eifel

Doch auch damit noch nicht genug: „Uns liegen Auszüge aus einer Präsentation der DB InfraGO AG vor, wonach die Wochenendsperrungen zwischen Nettersheim und Weilerswist-Derkum beziehungsweise Hürth-Kalscheuren bis Anfang Dezember 2026 andauern sollen“, sagt der Eifeler Bahnexperte Jörg Wießner, Vorsitzender des Vereins Eifelquerbahn, der seinen Sitz im Landkreis Vulkaneifel hat.

Wir wissen, dass wir unseren Kunden bis zum Ende dieses Jahrzehnts einiges zumuten.
Dirk Pohlmann, Sprecher der Deutschen Bahn beim Ortstermin in Euskirchen

Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, als es beim Wiederaufbau der in großen Teilen bei der Flutkatastrophe von 2021 zerstörten Bahnstrecken in der Eifel immer wieder zu Verzögerungen kam, ist Wießner sogar pessimistisch, was die Wiederaufnahme des Bahnverkehrs südlich von Kall in diesem Juni angeht: Angesichts der von der Bahn angesprochenen Kapazitätsengpässe bei den Arbeiten zur Elektrifizierung der Strecken „scheint auch hinter der für Juni 2025 geplanten Wiederinbetriebnahme zwischen Gerolstein und Kall ein großes Fragezeichen zu stehen“, unkt Wießner.

Neben einer Bahnstrecke befindet sich ein Betonfundament. Dahinter liegt ein Oberleitungsmast aus grün lackiertem Metall.

Ist das Betonfundament ausgehärtet, können die Oberleitungsmasten montiert werden.

„Während die DB in ihrer ursprünglichen Pressemitteilung vom 5. Februar noch von einer ‚Streckenverfügbarkeit zwischen Köln und Gerolstein‘ ab Mitte Juni sprach, ist nun nur noch vom ‚Ziel der DB‘ die Rede, die ‚Befahrbarkeit‘ der Eifelstrecke zwischen Gerolstein und Köln bis Mitte Juni herzustellen“, schaut der Experte inzwischen auf den genauen Wortlaut der Bahn-Mitteilungen: „Es bleibt zudem offen, ob diese Befahrbarkeit auch einen planmäßigen Betrieb durch DB Regio auf diesem Streckenabschnitt bedeutet.“

Beim Ortstermin in Euskirchen geht es um die Elektrifizierung

Bahn-Sprecher Dirk Pohlmann will sich bei einem Ortstermin in Euskirchen nicht detailliert zur weiteren Zeitplanung der Bauarbeiten äußern. „Wir wissen, dass wir unseren Kunden bis zum Ende dieses Jahrzehnts einiges zumuten“, so der Unternehmenssprecher: „Wir können alle Bahnkunden nur um Verständnis dafür bitten. Ziel ist es jedoch, bis zum Ende des Jahres 2028 die Elektrifizierungsmaßnahmen auf den Strecken in der Eifel abzuschließen.“

Mitarbeiter der Firma Europten montieren einen Oberleitungsmast auf einem Betonfundament.

Mitarbeiter der Firma Europten bei der Montage einer der rund 1000 Oberleitungsmasten, die allein im Abschnitt zwischen Euskirchen und Nettersheim benötigt werden.

Dafür ist momentan der rund 32 Kilometer lange Abschnitt zwischen Euskirchen und Nettersheim gesperrt. „Bis zum Juni werden in diesem Bereich Gründungsarbeiten für die Oberleitungsmasten durchgeführt“, erklärt DB-Projektleiter Nikolai Kopnow. Im Bereich des Bahnübergangs an der Georgstraße in Euskirchen sind am Donnerstag Mitarbeiter der Firma Europten damit beschäftigt, ein etwa sechs Meter langes Rammrohr in den Boden zu treiben. „Hier gelingt das sehr einfach, weil wir einen relativen weichen Untergrund haben“, sagt Bauleiter Daniel Laube: „In der Eifel, wo es die unterschiedlichsten Gesteinsformationen gibt, dürfte das manchmal etwas schwieriger werden.“

Laut wird es aber auch auf dem Streckenabschnitt bei Euskirchen, wenn das Rohr in die Tiefe getrieben wird: „Das sind kurzzeitig sicher weit über 100 Dezibel“, so Laube weiter. Kleiner Trost für die Anwohner der Bahnstrecke, die zum Beispiel in Satzvey, Mechernich, Kall oder Nettersheim manchmal nur wenige Meter von der Strecke entfernt wohnen: Der Spuk ist bereits nach wenigen Minuten wieder vorbei.

1000 Oberleitungsmasten im Abschnitt zwischen Euskirchen und Nettersheim

Das offene Stahlrohr dient quasi als Anker für das benötigte Betonfundament, auf dem die Oberleitungsmasten montiert werden. Ist das Rohr im Boden versenkt, wird darüber ein Bewährungskorb für die Verschalung befestigt, der dann schließlich mit Beton ausgegossen wird. „Je nach Größe des Masts sind dafür rund 1,2 bis 1,5 Kubikmeter Beton notwendig“, erklärt der Bauleiter: „Fünf Tage dauert das Aushärten, dann ist das Fundament für den Oberleitungsmast fertig.“ Im nächsten Arbeitsschritt können dann die Masten montiert werden.

Diese Prozedur wiederholt sich allein auf dem Abschnitt zwischen Euskirchen und Nettersheim rund 1000 Mal, denn so viele Masten sind laut Deutscher Bahn auf diesem Abschnitt für die Stromversorgung der künftig elektrisch fahrenden Züge notwendig.

Entwarnung gibt es inzwischen von der Bahn für den Bereich des Kaller Tunnels. Zwar befinden sich die Elektrifizierungsarbeiten für diesen Teilabschnitt immer noch in der Ausschreibung. „Wir sind aber sehr optimistisch, dieses Baulos in Kürze vergeben zu können“, so Projektleiter Kopnow. Außerdem sei es nicht notwendig, den Gleiskörper im Tunnelbereich abzusenken: „Wir arbeiten dort mit einer Deckenstromschiene. Der Platz dafür ist ausreichend.“


„Bahn-Irrsinn“ wirkt sich auch negativ auf den Tourismus in der Eifel aus

Die Gesamtsituation sorgt zunehmend für Unmut in der Kommunalpolitik. So haben sich zum Beispiel der Kreistag Vulkaneifel und die Stadt Gerolstein mit Resolutionen und einem offenen Brief an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gewandt, da neben den Pendlern auch der Tourismus in der Region unter den Folgen der seit nunmehr dreieinhalb Jahren dauernden Streckensperrung in der Eifel leidet.

Das „Sperrpausenkonzept“ für das Jahr 2026 kennt man in der Euskirchener Kreisverwaltung noch nicht. „In der Sondersitzung im Januar wurde darauf hingewiesen, dass das Konzept gerade erstellt wird“, teilte Sprecher Wolfgang Andreas auf Anfrage mit. Der Zweckverband go.Rheinland habe angekündigt, das Konzept und die Gründe im April näher zu erläutern, so Andres.

Dahlemer Bürgermeister Jan Lembach kritisiert den Zeitplan der Bahn

Der Dahlemer Bürgermeister Jan Lembach (CDU) spricht mittlerweile nur noch vom „Bahn-Irrsinn“ auf der Eifelstrecke: „Ich habe derzeit gar keinen Überblick, wann in unserer Gemeinde gefahren wird und wann nicht. Natürlich ist das ein Dilemma für alle, die mit der Bahn fahren wollen oder gerne fahren würden. Für Gäste ebenso wie für die Pendler“, so Lembach. „Warum konnte man nicht erst einmal die Strecke mit Dieselbetrieb schnellstmöglich wiederherstellen, die Züge einige Jahren fahren lassen und in dieser Zeit die Elektrifizierung planen, ausschreiben und gebündelt angehen?“, fragt der Bürgermeister.

Ein roter Vareo-Nahverkehrszug fährt durch Mechernich.

Ab Juni sollen zwischen Euskirchen und Nettersheim wieder Züge fahren.

„Für den Tourismus in der Nordeifel stellen die Bahnlinien grundsätzlich einen großen Wettbewerbsvorteil dar, der seit nunmehr dreieinhalb Jahren nicht mehr besteht“, beklagt Iris Poth, Geschäftsführerin der Nordeifel Tourismus GmbH. Die fehlende Möglichkeit, mit der Bahn anzureisen, wirke sich speziell auf den Tagestourismus aus: „Genaue Zahlen fehlen, aber es kann davon ausgegangen werden, dass vereinzelte Ziele deutlich mehr Besuchende aufweisen würden“, so Poth.

Der Übernachtungstourismus in der Region sei ebenfalls betroffen: „Das bei den Gästen beliebte ‚Wandern ohne Gepäck‘ wird durch die fehlenden einfachen Rückkehrmöglichkeiten mit der Bahn zum Ausgangspunkt der Wanderung deutlich komplizierter“, sagt die Tourismus-Expertin.