Der scheidende Erftverband-Vorstand Dr. Bernd Bucher erklärt unter anderem, welche Maßnahmen zum Hochwasserschutz geplant sind.
Zwei Jahre nach der FlutErftverbands-Chef erklärt, warum der Hochwasserschutz so lange dauert
Die Schäden an den Gewässern sind größtenteils beseitigt. Zudem hat der Erftverband fünf Hochwasserschutzbecken konkret geplant — weitere sollen folgen. Außerdem sind seit der Flutkatastrophe vor zwei Jahren der Veybach zwischen Wißkirchen und Euskirchen sowie die Erft in der Erftaue renaturiert worden.
Auch diese Maßnahmen sollen besser vor Hochwasser schützen, auch wenn sie teilweise Jahrzehnte vor der Katastrophe angegangen worden sind. Vielen Politikern und Bürgern geht es beim Hochwasserschutz nicht schnell genug – so ist 24 Monate nach der Flut der Damm bei Horchheim noch nicht wieder hergestellt.
Arbeiten in Horchheim dauern bis November
Die Schäden am Dammkörper seien nicht durchs Überströmen entstanden, sondern weil das Wasser so stark durch die Hochwasserentlastung „geschossen“ sei, dass sich ein sogenannter Kolk gebildet hatte, erklärt der Experte. Der extreme Strudel habe den Damm von hinten förmlich angenagt.
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An der Hochwasserentlastung sollen nun eine Betonplatte gegossen und dicke Wasserbausteine verlegt werden. Insgesamt rechnet der Erftverband mit Kosten in Höhe von 2,5 Millionen Euro — 1,3 Millionen für Damm, Pegel und Tosbecken. Es seien viele Berechnungen nötig gewesen, genau wie Absprachen mit der Bezirksregierung Köln. „Es ging nicht darum, das Alte wieder herzustellen. Es soll besser werden. Das Projekt ist nicht von der Stange“, sagt Dr. Bernd Bucher, Vorstand des Erftverbands.
Ein weiteres Großprojekt, das noch nicht abgeschlossen ist, ist der Wiederaufbau der Kläranlage in Köttingen. Der kostet laut Bucher etwa 20 Millionen Euro und dauert bis 2025.
Prognosen an kleineren Gewässern
Die Prognose, wann welches kleinere Gewässer über die Ufer treten könnte, werde weiterhin schwierig sein. „Man versucht mit Radarsensoren, die kaum Strom verbrauchen, wenn sie nicht aktiv sind, eine Art Frühwarnsystem zu implementieren“, so Bucher: „Das ist aber noch in der Entwicklungsphase. Aber selbst wenn es kommt, wird der Vorlauf an Warnzeit relativ gering sein.“ Es werde nicht vergleichbar mit dem Rhein sein, wo man genau weiß, wenn der Fluss bei Koblenz Hochwasser führt, wann die Welle in Köln ankommt. Die Pegel entlang der Erft seien alle wieder aufgebaut und in Betrieb.
Meldeketten werden sich nicht ändern
Nach der Flutkatastrophe war Kritik an der Meldekette aufgekommen. So meldete ein Erftverband-Mitarbeiter beispielsweise per E-Mail an die Bezirksregierung, dass das Hochwasserrückhaltebecken oberhalb von Eicherscheid vollläuft. Die Bezirksregierung informierte dann Land und Krisenstab des Kreises — zu einem Zeitpunkt, an dem vielerorts die Kommunikationsmöglichkeiten schon sehr eingeschränkt waren.
Für die eigentliche Warnung vor Hochwasser sei das Land zuständig, so Bucher. Daran werde sich auch nichts ändern. „Wir können keine Handlungsempfehlungen aussprechen. Das sind hoheitliche Aufgaben“, erklärt Bucher. Eine Änderung der Warnketten sei daher nicht geplant. „Was man aber machen kann, ist die Arbeit an den Schnittstellen verbessern. Jeder ist noch zu sehr in seiner Welt unterwegs“, so Bucher.
Vor wenigen Tagen sei das Projekt DIRECTED (siehe unten) gestartet worden, gefördert von der EU, mit Beteiligung des Kreises Euskirchen und des Rhein-Erft-Kreises, um beispielsweise Antworten auf die Fragen zu finden: Welche Informationen werden vom wem benötigt, wer hat welche Hol-, wer welche Bringschuld?
Ist der Hochwasserschutz besser geworden?
„Wir haben ein paar Dinge umgesetzt: die Renaturierungen des Veybachs, der Erftaue in Euskirchen und des Rotbachs bei Sinzenich. Ansonsten waren wir vor allem damit beschäftigt, die Schäden an den Gewässern zu beseitigen“, erklärt Bucher. Dies sei weitgehend erfolgt. Dort, wo es noch nicht abschließend passiert sei, stehe man in Absprache mit anderen Unternehmen — beispielsweise der Deutschen Bahn.
Fünf Hochwasserrückhaltebecken sind laut Bucher bereits konkret geplant — beispielsweise am Mühlensee in Kommern und vor Schwerfen. Weitere sollen entstehen. Beispielsweise im Bereich der Steinbachtalsperre. „Dort kommt auch unter der Talsperre noch viel Wasser zusammen“, erklärt der Erftverband-Chef, der im September in den Ruhestand gehen wird. Sein Nachfolger soll Prof. Heinrich Schäfer werden. Wo genau ein mögliches Hochwasserrückhaltebecken im Bereich der Steinbach errichtet werden könnte, will Bucher aber nicht verraten.
„Kassandra-Effekt darf nicht eintreten“
„Der Hochwasserschutz muss verstetigt werden. Es geht nicht nur darum, innerhalb von zwei Jahren alles Technische möglich zu machen. Hochwasserschutz muss in die Köpfe aller Menschen, sonst werden wir in 20, 30 Jahren wieder überrascht sein“, sagt Bucher. Die Menschen seien aber sensibler geworden. Das merke man auch zwei Jahre nach der Flut noch, wenn es länger regnet oder allein größere Regenmengen angekündigt sind.
Die „Warn-Orgie“ über Katwarn oder Nina könne Nachteile haben. „Da sind wir schnell beim Kassandra-Effekt. Nach der dritten oder vierten Warnung nimmt man die fünfte nicht mehr ernst. Und die könnte die entscheidende sein“, so Bucher: „Ich bin davon überzeugt, dass wir heute so viele Tote nicht mehr haben würden. Das Verhalten der Menschen ist anders, sie sind sensibilisiert.“
Er habe nicht den Eindruck, dass es eine Hochwasserdemenz gibt, so der Chef des Erftverbands: „Es gibt kein Gespräch mit Bürgermeistern oder dem Landrat, in dem es nicht um Hochwasserschutz geht. Der Wille, dass wir vorankommen, ist überall enorm.“
Interkommunale Hochwasserschutz-Kooperation
Die interkommunale Hochwasserschutz-Kooperation, an der sich drei Kreise und 16 Kommunen beteiligen, sei gut angelaufen, so Bucher. Viele größere und kleinere Projekte seien auf einer interaktiven Karte verankert worden. „Die eine oder andere Kommune ist aktiver“, stellt Bucher fest. Geplant seien Bürgerbeteiligungen, um auch die Ideen der Menschen vor Ort aufzunehmen. Schließlich fange Hochwasserschutz bei jedem Einzelnen an, sagt Bucher. Die Hochwasserschutz-Kooperation sei ein Schritt von vielen, um die Region resilienter zu machen. Doch Bucher warnt: „Der Ansatz ist ein guter, aber von einer Erfolgsgeschichte kann man noch nicht sprechen.“
Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung?
Bucher holt tief Luft, lässt sich Zeit, bis er sagt: „Ich muss diplomatisch sein, weil ich es mir nicht mit denen verscherzen will.“ Die Bezirksregierung sei relativ weit weg. Sie sei nicht so nah dran. „Sie verspüren nicht den Druck, den Kommunalpolitiker spüren, weil sie im ständigen Kontakt mit den Menschen vor Ort sind. Die Menschen erwarten Taten und Fortschritte. Und die Kommunen sind bei uns Mitglieder und auch sie erwarten zu Recht Taten. Dieser Druck, diese Erwartungshaltung kann die Bezirksregierung nur weniger spüren, weil sie in Köln sitzt“, so Bucher.
Unmittelbar nach der Flut sei es unbürokratisch gewesen, berichtet Bucher. Alles lief unter dem Stichwort „Gefahrenabwehr“. „Da konnte man praktisch auf Zuruf arbeiten. Das ist schon lange vorbei. Die Strukturen, Prozesse und Abläufe haben sich verwaltungstechnisch ja nicht geändert“, stellt Bucher ernüchternd fest.
Dennoch sei vieles auf den Weg gebracht worden, was vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen sei.
Das Project DIRECTED
Der Erftverband unterstützt seine Partner dabei, den operativen Hochwasserschutz zu verbessern. Mit dem Kreis Euskirchen und dem Rhein-Erft-Kreis wird laut Erftverband im Rahmen eines europäischen Forschungsprojektes daran gearbeitet, die Schnittstellen zwischen dem Katastrophenschutz und der Wasserwirtschaft zu optimieren.
Das durch die EU finanzierte Projekt DIRECTED (Disaster Resilience for Extreme Climate Events along interoperable Data, models, communication and governance) hat eine Projektlaufzeit von vier Jahren. Ziel sei die Kommunikationsfähigkeit, die Nutzung sowie den Austausch von Daten, Informationen und Wissen auf den neusten Stand der Wissenschaft zwischen verschiedenen Akteuren auszubauen. Zudem sollen die Integration und Zugänglichkeit von Modellen gefördert sowie der Wissensaustausch erleichtert werden.
Im Mittelpunkt stehen vier Reallabore, die Region Kopenhagen (Dänemark), die Emilia-Romagna Region (Italien), das Donau Einzugsgebiet und das Erft-Einzugsgebiet (zunächst mit Fokus auf den Kreis Euskirchen und den Rhein-Erft-Kreis). Die Reallabore stellen sicher, dass das Projekt die wichtigsten Interessengruppen kontinuierlich und aktiv in den gemeinsamen Entwicklungsprozess einbezieht und sich mit aktuellen Herausforderungen im Umgang mit verschiedenen Risiken klimatischer Extreme befasst.
Der thematische Fokus des Erftverbandes liege auf den Klimaextremen Hochwasser und Dürre. Dabei soll erarbeitet werden, wie der Informationsaustausch im Hochwasserfall verbessert werden kann. Zudem werde der Rahmen genutzt, das Thema „Dürre“ im Einzugsgebiet näher zu betrachten.