Kreis Euskirchen – Der Blick auf den aktuellen Inzidenzwert ist ab Montag vor dem Gang in die Stadt genauso wichtig wie der Einkaufszettel. Der Grund: Welche Geschäfte in welcher Form geöffnet haben, hängt vom Infektionsgeschehen ab. Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte dürfen wieder inzidenzunabhängig öffnen.
Doch sich neben dem neuesten Roman noch die trendige Frühlingsmode mit nach Hause nehmen? Das ist nicht so einfach.
Im Kreis Euskirchen lag am Donnerstag der von der Landeszentrale Gesundheit bekanntgegebene Inzidenzwert bei 54,7 (wobei noch nicht alle Neuinfektionen berücksichtigt wurden). Das würde am kommenden Montag bedeuten, dass Einkaufen im Modehaus nur mit vorherigem Termin möglich ist.
Das ist der Fall, wenn der Inzidenzwert zwischen 50 und 100 liegt. Fällt er unter die 50er-Grenze, ändert sich nicht alles, aber vieles. Dann dürfen Geschäfte wieder ohne Terminabsprache öffnen. Dann gilt lediglich die Regel: ein Kunde pro zehn Quadratmeter für die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche.
Ab dann kommt pro 20 Quadratmeter ein weiterer Kunde hinzu. In einem Laden mit 100 Quadratmetern Verkaufsfläche können also zehn Kunden bedient werden, in einem Geschäft mit 1000 Quadratmetern 90.
Im Modehaus Knie in Kall sind laut Silke Knie bereits einige Terminanfragen für die kommende Woche eingegangen. „Mehr erhofft hatten wir uns alle schon lange“, sagt sie. Aber in diesen Zeiten sei man ja schon über die kleinen Dinge froh. Auf eine Öffnung nach Termin warte sie im Prinzip seit Wochen. Hygienekonzepte habe man im Modehaus längst ausgearbeitet.
Abholservice wird beibehalten
Trotz der Öffnung wolle das Modehaus den Abholservice der vergangenen Wochen zunächst beibehalten. Kunden können sich per E-Mail oder Telefon etwas wünschen und die Mitarbeiterinnen stellen eine Auswahl zusammen. Der Kunde kann zu Hause anprobieren und das, was nicht gefällt oder passt, zurückbringen.
Der Service sei gut angenommen worden, berichtet Knie. Dennoch seien die Kunden froh, wieder direkt ins Geschäft kommen zu können. Nach den neuen Regeln könnte sie zehn Kunden gleichzeitig im Laden betreuen, berichtet Knie. So viele Menschen kämen sonst vielleicht an verkaufsoffenen Sonntagen ins Geschäft.
Vom Inzidenzwert hängt auch im Fußball alles ab
Der Inzidenzwert könnte den Fußball ins Abseits stellen – vor allem auf Verbandsebene. In welcher Form trainiert werden kann, entscheidet eben dieser Wert. Ab dem 5. April können bei einem Wert unter 50 Freizeitveranstaltungen mit maximal 50 Teilnehmer stattfinden. Das reicht für ein Fußballspiel. Sollte sich der Inzidenzwert nicht so positiv darstellen, darf maximal trainiert werden.
Das bedeutet, dass in unterschiedlichen Kreisen die Sport-Möglichkeiten unterschiedlich sein können – beispielsweise bei der Bezirksliga, in der die Kreise Euskirchen und Düren vertreten sind, könnte das zu Problemen führen. „Für den Fußball-Verband ist die Corona-Schutzverordnung des Landes NRW maßgebend, die noch nicht veröffentlicht ist. Jetzt über noch nicht vom Land NRW beschlossene Regelungen zu spekulieren, wäre unseriös. Wir werden unsere Vereine informieren, sobald alle Beschlüsse für den Amateursport vorliegen“, sagt Ellen Bertke vom FVM. (tom)
Eine Beobachtung, die auch Andreas Brucker teilt. Im Möbelhaus Brucker könnten es sogar 1500 Menschen gleichzeitig sein – eine Zahl, die selbst an Spitzentagen nicht erreicht werde. Die Regeln seien wohl eher für die Citys großer Städte gedacht, so Brucker.
Er werde aber darauf achten, dass nie zu viele Menschen gleichzeitig einen Termin erhalten. Sein Unternehmen benötige auch nicht unbedingt viele Kunden. „Wenn wir so ein paar Küchen am Tag verkaufen, tut das schon ganz gut“, sagt er.
Er sieht die neuen Beschlüsse verhalten positiv: „Grundsätzlich sind wir erstmal froh, dass wir überhaupt eine Perspektive haben.“ Jedoch bleibe abzuwarten, wie sich das Infektionsgeschehen entwickele. In Österreich seien die Zahlen nach der Öffnung der Läden wieder stark angestiegen. Sollte das auch hier passieren, könne es gut sein, dass sie in wenigen Wochen wieder schließen müssten.
In Euskirchen ist Günter Blauen zufrieden. „Wir sind zunächst einmal froh, dass wir wieder Kunden empfangen dürfen“, sagt der Geschäftsführer des Modehauses Prinz. Mit einem Inzidenzwert, der seit Wochen leicht über der Grenze von 50 liege, könne man zumindest ein wenig planen. Nach der aktuellen Beschlussvorlage können Händler mit „Click & Meet“ Kunden empfangen. „Wir arbeiten daran, dass ab dem Wochenende auf der Homepage Termine vereinbart werden können“, sagt Blauen.
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Wahrscheinlich werden die Kunden stundenweise in den Laden gelassen. „Natürlich besteht keine Kaufverpflichtung. Die gibt es ja sonst auch nicht“, sagt Blauen schmunzelnd. Man müsse kein schlechtes Gewissen haben, wenn man nichts finde. Sein Team sei einfach nur froh, seiner Arbeit nachgehen zu können.
Auch Hans-Peter Neußer, Geschäftsführer der Euskirchener Galeria Kaufhof, sagt, dass „alles, was Richtung Öffnung geht, positiv ist“. Wenn es wirklich möglich sei, dass ab Montag Kunden ins Geschäft dürften, sei man glücklich. Die Hygienekonzepte seien ausgeklügelt, so Neußer. Zur Buchung eines Shopping-Termins könne er noch nichts sagen. Das werde konzernweit gesteuert.
Landrat Markus Ramers sagt: „Es ist natürlich sehr schwierig, wenn die Kunden nach Euskirchen oder ins Outlet nach Bad Münstereifel fahren wollen und fünf oder sechs Termine vorher machen müssen. Das ist in der Praxis noch nicht ausgereift.“
Der Euskirchener Stadtmarketing-Verein Zeus weist darauf hin, dass nun eine klare Kommunikation wichtig sei, damit die Gewerbetreibenden wissen, welche Regeln konkret für sie gelten. Darüber hinaus müsse weiterhin jeder auch im privaten Bereich dazu beitragen, dass die Ansteckungsrate sinkt.
„Dann können wir bald wieder mehr Angebote nutzen und auch die Gastronomen können wieder Gäste empfangen“, teilt Martina Ernst, Assistentin des Zeus-Vorstands, mit. Der Verein veröffentliche alle angebotenen Services kostenlos und stelle Kontakte zu Partnern her, die unterstützen könnten.
IHK gehen die Beschlüsse nicht weit genug
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen begrüßt nach eigenen Angaben Teile der Bund-Länder-Beschlüsse zur Lockerung des Lockdowns, die jedoch nicht weit genug gehe. Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK, bilanziert: „Für die Hotellerie- und Gastronomie-Branche fehlt nach wie vor eine Öffnungsperspektive. Wenn künftig nach zwei Wochen kontinuierlicher Inzidenz von unter 50 lediglich die Außengastronomie öffnen darf, bedeutet das im Umkehrschluss, dass etliche Betriebe mit weiteren Schließungen über Wochen oder gar Monate rechnen müssen. Das wäre fatal.“
Für den Handel seien die jüngsten Beschlüsse ein Schritt in die richtige Richtung, wenngleich auch in diesem Bereich weitaus mehr möglich wäre. „Wir sind davon überzeugt, dass für noch mehr Einzelhändler eine schnellere Öffnungsperspektive möglich wäre“, so Bayer.
Denn der Handel sei nicht der Transmissionsriemen für Infektionen. Der Hauptgeschäftsführer ergänzt: „Die Unternehmer haben zahlreiche Hygienemaßnahmen ergriffen, um Mitarbeiter und Kunden effektiv zu schützen. Ihr Engagement hätte bei den Bund-Länder-Beschlüssen stärker berücksichtigt werden müssen.“
Hotel- und Gaststättenverband vermisst jegliche Perspektive
Sauer? Nein, Patrick Rothkopf ist enttäuscht. „Für die Branche sind die Beschlüsse inakzeptabel“, sagt der Kreis-Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Es fehle jegliche Perspektive für die Gastronomie und Hotelbranche. „Wir werden einfach nicht ernst genommen“, sagt Rothkopf, der auch Vizepräsident des Dehoga Nordrhein ist.
Die Zusammenarbeit mit der Stadt Euskirchen sei sehr gut. Gastronomie- und Einzelhandelsbetriebe zahlen dort für die Nutzung städtischer Flächen auch 2021 keine Gebühr. Rothkopf will erneut Kontakt zur Verwaltung aufnehmen, um Möglichkeiten zu erörtern, wie und wo noch Außengastronomie geschaffen werden könne.
Das Ostergeschäft könne sich eigentlich jeder Gastronom abschminken, so Rothkopf. Das wäre nach Ostern 2020, Weihnachten und Karneval der nächste Schlag. Auch mit Kommunionen könne man nicht planen. „Diejenigen, die Außengastronomie anbieten können, haben ein bisschen Glück“, so Rothkopf: „Dass die Hoteliers außen vor bleiben, mit keinem Wort erwähnt werden, ist ein Skandal. Das ist mit gesundem Menschenverstand nicht zu erklären.“