Wie viel Wasser soll künftig maximal in der Euskirchener Steinbachtalsperre gestaut werden? Diese Frage stellt sich nach der Flutkatastrophe.
VerbandsversammlungEuskirchen überstimmt Swisttal im Streit um die Steinbachtalsperre
In der Regel fallen die Ergebnisse einstimmig aus, wenn die Verbandsversammlung des Wasserversorgungsverbandes Euskirchen-Swisttal (WES) Beschlüsse fasst. In der jüngsten Sitzung des Gremiums, das vor mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörern im Euskirchener Ratssaal tagte, war es anders. Es ging um die künftige maximal zulässige Staumenge der nach der Flut 2021 trocken gelegten Steinbachtalsperre, die dem WES gehört.
Die Festlegung der Höchstgrenze ist wichtig für die Planung der Wiederherstellung der Talsperre – und genauso für den Hochwasserschutz der unterhalb der Talsperre liegenden Orte an Steinbach, Orbach und Swist von Schweinheim bis Heimerzheim.
Die Euskirchener Vertreter setzten sich dank ihrer Stimmenmehrheit durch
Schon während der Diskussion hatte sich herauskristallisiert, dass die vier Vertreter und Vertreterinnen der Gemeinde Swisttal ein anderes Ziel verfolgten als die neunköpfige Euskirchener Gruppe. Die kontroverse Debatte mündete nach einer fast einstündigen Sitzungsunterbrechung mit gescheiterten Kompromissversuchen in zwei gegensätzlichen Anträgen. Der jeweiligen Stimmenzahl der beiden Lager entsprechend, zogen die Swisttaler mit ihrem Antrag den Kürzeren, während die Euskirchener ihre Vorstellungen mit einem Abstimmungsresultat von 9:4 durchsetzten.
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Dies bedeutet, dass der WES bei der Bezirksregierung Köln eine Betriebserlaubnis für die Steinbachtalsperre mit einem maximalen Stauvolumen von 750.000 Kubikmeter Wasser beantragt. Das Gesamtvolumen des Sees beläuft sich auf 1,05 Millionen Kubikmeter, woraus sich ergibt, dass gut 250.000 Kubikmeter als Hochwasserschutzraum zur Verfügung stehen.
Mindestens 250.000 Kubikmeter, muss man hinzufügen. Denn besagte 750.000 Kubikmeter sollen nach den Vorstellungen des Euskirchener Lagers nur die theoretische Höchststaumenge sein. „Die konkrete Stauhöhe soll die Verbandsversammlung nach der Genehmigung durch die Bezirksregierung festlegen“, erklärte die Euskirchener Wortführerin Sandra Eisermann.
Euskirchen und Swisttal stritten über das künftige Stauvolumen
Die Swisttaler hatten sich mit ihrem Antrag an Berechnungen des Erftverbandes orientiert, der einen Hochwasserschutzraum von 500.000 Kubikmeter empfahl – als zulässiges Stauvolumen folglich 550.000 Kubikmeter. Diese Lösung basiere auf einer Expertenmeinung, sagte der Swisttaler Hanns Christian Wagner. „Und sie ist die einzige Lösung, der wir unsere Zustimmung geben können.“ Wagners Mitstreiter Werner Hahnenberg kritisierte den Beschluss: Dadurch werde der Hochwasserschutz „zugunsten anderer Interessen“ geopfert, was Eisermann zurückwies.
In der März-Sitzung der Versammlung hatte auch die Leitung des WES, dessen Betriebsführung in den Händen des Energieversorgers e-regio liegt, diese Variante befürwortet. Mit ihr würden „auch die Anforderungen für die Brauch- und die Löschwasserbereitstellung gerade in den Sommermonaten erfüllt“, hatte es in einer Sitzungsvorlage geheißen.
Euskirchens Bürgermeister widersprach seiner Swisttaler Amtskollegin
Ein weiterer Aspekt spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: die Menge des Wassers, die aus der Talsperre in den Unterlauf des Steinbachs abgegeben wird. Der WES spricht in diesem Zusammenhang von der maximalen Drosselabgabe durch eine entsprechende Vorrichtung im Damm. Der Erftverband hatte bei seiner Modellrechnung eine Menge von 10 Kubikmeter pro Sekunde angenommen.
Eine Verbesserung des Hochwasserschutzes für die Bachanrainer sei am zügigsten durch den Wiedereinstau der Talsperre zu erreichen, sagte die Vorsitzende der Verbandsversammlung, Swisttals Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner. Ihr Euskirchener Amtskollege Sacha Reichelt, gleichzeitig Verbandsvorsteher, hielt dagegen, er sei „ein wenig anderer Meinung“.
Es sei ungemein wichtig, den Hochwasserschutz in den Orten zu verbessern. „Schon eine Brücke kann ein Nadelöhr sein, von dem alles abhängt“, sagte Reichelt. Wann in den Dörfern effektive Maßnahmen wie der Bau von Brücken mit größerem Durchlass realisiert werden, ist fast drei Jahre nach der Hochwasserkatastrophe ebenso offen wie der Termin des Wiedereinstaus der Steinbachtalsperre.
Jetzt gehe es darum, eine Lösung zu beschließen, die die größtmögliche Flexibilität erlaube, begründete Sandra Eisermann den Antrag der Euskirchener. Wenn eines Tages die Genehmigung für den Einstau vorliege, wisse man, wie weit der Hochwasserschutz in den Ortschaften gediehen sei. Davon müsse die Verbandsversammlung am Ende die tatsächliche Einstauhöhe abhängig machen.
Schweinheimer fordern ein hohes Stauvolumen
Im massiv von der Flut getroffenen Schweinheim befasst sich die Arbeitsgruppe Infrastruktur, die sich nach der Katastrophe aus der Dorfgemeinschaft heraus gebildet hat, intensiv mit der Verbesserung des Hochwasserschutzes. Vor der Verbandsversammlung hat sie ein Positionspapier zum geplanten Wiedereinstau der Steinbachtalsperre verfasst und den Politikern zugeleitet. Darin befürwortet sie ein möglichst hohes Stauvolumen: „Eine maximale Wassermenge von beispielsweise 850.000 Kubikmeter ziehen wir einem Volumen von zum Beispiel 500.000 Kubikmeter vor.“
Zur Begründung heißt es, künftig sei deutlich häufiger mit Extremwetter-Ereignissen zu rechnen. Dies gelte aber nicht nur für Starkregen, sondern auch für anhaltende Dürren. In Trockenphasen sei die Talsperre wichtig für die Wasserversorgung. Dies betreffe sowohl die Bereitstellung von Brauchwasser für die Landwirtschaft als auch „die Versorgung der Bachläufe mit Wasser zur Erhaltung der Ökosysteme“.
Nur eine gut gefüllte Talsperre könne die Wasserversorgung über trockene Sommermonate hinweg sicherzustellen. Die Gefahr, dass das Wasser aufgrund der notwendigen Entnahmen und der nicht zu vermeidenden Verdunstung kippe, werde bei einem höheren Einstau deutlich reduziert. Zu bedenken sei dabei, dass die Talsperre „in der Vergangenheit im Durchschnitt immer signifikant unter dem Maximalvolumen geblieben“ sei.
Am Sürstbach soll an der L210 ein Rückhaltebecken entstehen
Entscheidend für den Hochwasserschutz, so die Schweinheimer, sei nicht die Einstauhöhe, sondern die Flexibilität der Talsperre, vor oder während eines Starkregenereignisses Wassermengen abzugeben, die hoch seien und gleichzeitig für die unterhalb liegenden Orte verträglich.
Wichtig sei auch, dass die Talsperre in Sachen Hochwasserschutz „nur ein Teil der Problemlösung“ sei. Damit bezieht sich die Arbeitsgruppe auf den Sürstbach, der ein ähnlich großes Wassereinzugsgebiet hat wie der Steinbach, aber anders als dieser kein Rückhaltebecken. Deshalb löste der Sürstbach am 14. Juli 2021 die erste von zwei Flutwellen im Dorf aus, die sich in Richtung Odendorf fortsetzten.
Der Erftverband arbeitet an der Lösung dieses Problems. Er will in der Nähe der L210, zwischen Loch und Schweinheim, ein Rückhaltebecken für den Sürstbach bauen. Es soll nach den bisherigen Planungen bis zu 350.000 Kubikmeter Wasser fassen. Diese Zahl nannte Dietmar Jansen vom Erftverband am Donnerstag im Hauptausschuss der Stadt Euskirchen. (ejb)