Fan orientalischer KücheWaschbär aus Euskirchen sucht neues Zuhause
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Issız adam, das ist der türkische Begriff für Schattenmann, ist ein Waschbär. Seit vier Monaten lebt er bei Elif Istemi.
Jetzt sucht die Tierärztin ein neues Zuhause für ihn.
Doch Waschbären sind schwer zu vermitteln. Sie gelten als invasive Art, die die heimische Flora und Fauna aus dem Gleichgewicht bringt. Dabei ist der Schattenmann sehr gesellig.
Euskirchen – Er hat grau-schwarzes Fell, ist samt seinem gestreiften Schwanz etwa einen Meter lang und erkundet die Welt am liebsten mit seinen Pfoten. Alles, was in der Reichweite von Issız adam ist, tastet er ab – und seine Reichweite kennt fast keine Grenzen. Selbst Kaffeemaschinen und Handtaschen sind vor ihm nicht sicher. Issız adam, das ist der türkische Begriff für Schattenmann, ist ein Waschbär. Seit vier Monaten lebt er bei Tierärztin Elif Istemi. Jetzt sucht sie ein neues Zuhause für ihn.
Schattenmann – Istemi hat den Waschbären so genannt, weil er immer aus dem Nichts auftaucht. Das sechs Kilogramm schwere Tier bewegt sich fast lautlos. Ab und zu macht er sich durch ein leises Grunzen bemerkbar. Oder er ist zu hören, weil er in Istemis Handtasche herumwühlt. Seine größte Schwäche ist die Neugier. Ohne Probleme kann der Schattenmann auch Schiebetüren öffnen. Nur alleine ist er nicht gerne. „Er sollte auf keinen Fall alleine gehalten werden. Wenn ich ihn weggebe, dann nur an jemanden, der noch ein Weibchen dazusetzt.“ Das männliche Jungtier ist geimpft, kastriert und gechipt. Das Tier werde lebenslang auf ihre Kosten behandelt, verspricht die Tierärztin allen Interessenten.
Mutter wurde von Jägern erschossen
Der kleine Bär kommt ursprünglich aus einem Tierheim. Die Mutter sei von Jägern geschossen worden, vermutet Istemi: „So etwas passiert oft. Die verwaisten Jungtiere bleiben dann auf der Strecke.“ Zunächst habe sie sich an Tierparks gewandt: „Aber die wollten ihn verfüttern oder hatten keinen Platz.“ Auswildern wolle sie ihn nicht, weil ihm dann das gleiche Schicksal wie seiner Mutter drohe. Tagsüber lebt der Schattenmann in einer 160 Quadratmeter großen Greifvogel-Voliere.
Er komme indes auch mit einem kleineren Außengehege aus, sagt Istemi. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) schreibt 20 Quadratmeter für ein Paar vor. Wichtig ist dabei: Das Gehege muss beheizt werden.
Auch mit Menschen scheint sich der Wonneproppen gut zu vertragen. Die meiste Zeit weicht er Istemi nicht von der Seite. Selbst, wenn diese das Fenster öffnet, blickt er zwar neugierig nach draußen, klettert aber schnell wieder rein. „Wenn ich das Tier vermitteln will, muss er an Menschen gewöhnt sein“, sagt sie.
Datteln und Pistazien sind sein Leibgericht
Und an noch etwas anderes hat sich der Waschbär bei Istemi gewöhnt: die orientalische Küche. Datteln und Pistazien sind sein Leibgericht. Wenn er die Leckereien aus dem Nahen Osten sieht, gibt es für ihn kein Halten mehr. Fühlt sich der Schattenmann unbeobachtet, ist er auch sehr interessiert an schwarzem Tee. Istemi muss dem neugierigen Tierchen dann klarmachen, wessen Getränk er gerade stehlen will.
Eigentlich ist der Waschbär ein Allesfresser. Nüsse, Heuschrecken, Gemüse und Trockenfutter für Katzen – Waschbären sind nicht wählerisch. Auch gekochte Rotgarnelen stehen auf dem Speiseplan. Vorsicht ist bei allem geboten, was auch schädlich für Hunde ist: Schokolade ist für den Waschbären tabu. Alle Arten von im Kreis heimischen Wildtieren versorgt Istemi bei sich Zuhause: Rehe und Füchse etwa. Ein Waschbär sei noch nicht dabei gewesen.
„Ich hatte bisher keine Erfahrung, aber nach vier Monaten habe ich welche“, berichtet die Expertin schmunzelnd. Für den künftigen Halter hat sie ein paar Tipps: „Der Waschbär muss beschäftigt werden. Zudem sollte man nicht zu laut sein und sich langsam bewegen, um Vertrauen aufzubauen.“ Werde alles beachtet, verhalte sich das Tier absolut loyal.
Keine gerngesehenen Gäste
Waschbären sind im Kreis keine gerngesehenen Gäste. Sie gelten als invasive Art, die die heimische Flora und Fauna aus dem Gleichgewicht bringt. „Solche Tiere dürfen nicht ausgesetzt, aber vor allem nicht in Gefangenschaft gehalten werden“, sagt Kreissprecher Wolfgang Andres. Selbst die Haltung in Zoos solle verboten werden. Andres verweist dabei auf geltendes Naturschutzrecht.
Istemi sieht das anders: „Wo sollen die denn gehalten werden? Wer hier seit mehr als 100 Jahren lebt, hat auch das Recht dazu.“ Das Lanuv verbietet die Haltung von Waschbären nicht ausdrücklich. Von Haltern werden aber unter anderem umfassendes Wissen über die Haltung und Pflege verlangt. Sie sei zufrieden, wenn das Tier „einigermaßen artgerecht“ gehalten werde, sagt Istemi. Denn bis dato gebe es ihres Wissens keinen Tierpark, der eine artgerechte Haltung gewährleisten könne.
Der Waschbär ist seit fast 100 Jahren in der Eifel heimisch
Zum ersten Mal setzten Waschbären 1835 ihre Pfoten auf deutschen Boden. Zwei Exemplare wurden aus New Orleans für die Königliche Menagerie in Berlin mitgebracht. Auch zum Gründungsbestand des Zoologischen Gartens Köln gehörten die Tiere. Bereits 1927 gelangten Waschbären bei Altenlotheim in Nordhessen in die Freiheit. 1929 und 1930 entkamen weitere Tiere aus einer Zuchtfarm in der Eifel. Die hier eingebürgerte Art ist Procyon lotor, der Nordamerikanische Waschbär.
Große Populationen gibt es in Nordhessen, Südniedersachsen und Brandenburg. Laut Naturschutzbund leben mehr als 50 Prozent der nordrhein-westfälischen Waschbären im Kreis Höxter. Auch im Kreis Euskirchen gibt es viele Tiere, vor allem im Nationalpark Eifel.
Das Ausbreitungspotenzial des Waschbären bewertet das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Hoch. Sie gelten als Gefahr für kleine Tiere wie Vögel, Fische und Amphibien. Ob Waschbären tatsächlich negative Auswirkungen auf das hiesige Ökosystem haben, und wie groß diese sind, ist laut BfN allerdings unklar. Eine Nahrungskonkurrenz mit einheimischen Arten wie Dachs und Wildkatze konnte nicht bestätigt werden. Zur Jagd sind Waschbären vom 1. August bis zum 28. Februar freigegeben. Junge Waschbären dürfen das ganze Jahr über gejagt werden.