Dahlem – Drei weitere Windenergieanlagen (WEA) sollen im Bereich der Gemeinde Dahlem gebaut werden. Pläne, Bauanträge und nötige Fachgutachten, etwa zum Arten- oder Schallschutz, sind jetzt einsehbar (siehe „Beteiligung“). Mitte September sollen Einwände öffentlich beraten werden. Doch Bedenken gibt es schon jetzt.
Die neuen Anlagen plant die Dunoair Windpark Planung GmbH (Rees/Trier) innerhalb des Windparks Dahlem IV. Im Gemeindewald von Dahlem sollen zwei Anlagen entstehen, eine dritte auf unmittelbar angrenzendem Grund und Boden von Emanuel Graf Beissel von Gymnich aus Schmidtheim. „Dahlem V“ heißt das Gruppenvorhaben mit drei Anlagen des Herstellers Enercon, die jeweils eine Gesamthöhe von 228 Metern haben und eine Nennleistung von 5000 kW.
Beteiligung
Mit der Bekanntmachung wurde auch die vorgeschriebene Möglichkeit zur öffentlichen Einsicht des Planvorhabens mit allen Baudetails und Fachgutachten ermöglicht.
Die Unterlagen sind noch bis zum 30. Juni einsehbar bei der Kreisverwaltung Euskirchen (Jülicher Ring 32, Ansprechpartner Cornelia Aha, Tel. 02251/15495 oder Bernd Scheipers, 15239), bei der Gemeinde Dahlem (Hauptstraße 23 in Schmidtheim, Ansprechpartner Erwin Bungartz, Tel. 02447/955547), bei der Gemeinde Hellenthal (Rathausstraße 2, Ansprechpartner Martin Berners, Tel. 02482/85161).
Der öffentliche Erörterungstermin der vorgebrachten Einwände ist für den 20. September ab 9.30 Uhr im Sitzungssaal der Kreisverwaltung in Euskirchen geplant.
Online einsehbar sind die Unterlagen auf dem UVP-Internetportal NRW unter dem Stichwort „Dahlem V“. (sli)
„Wir sind fassungslos!“ Claudia Rapp-Lange, Länder- und Fachbeirätin der Naturschutzinitiative (NI) in NRW und Sprecherin im Kreis Euskirchen, kann nach Durchsicht der Planungsunterlagen und Fachgutachten nur mit dem Kopf schütteln. Aufgrund seiner Lage – Dahlem V soll im Gebiet des Rotbachs als Teil von Dahlem IV gebaut werden – gehe sie von „erheblichen artenschutzrechtlichen Verstößen“ aus.
Auswirkungen für Störche
Die Anlagen seien an den bewaldeten Hängen des Rotbachs geplant – unter anderem in einem der Kerngebiete für die Nahrungsversorgung der wenigen Schwarzstörche in der Region. In einer gemeinsamen Presseerklärung von NI und Naturschutzbund (NABU) im Kreis Euskirchen heißt es, dass man „allerschlimmste Auswirkungen auf die Population“ befürchte.
Thilo Wemmer-Geist, Projektleiter bei Dunoair in Trier, kann die Kritik nicht nachvollziehen. Er sieht sich durch das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das den vom Verwaltungsgericht Aachen veranlassten Baustopp von drei zum Windpark Dahlem IV zählenden WEA aufhob, in seinem Kurs bestätigt. Mittlerweile sind die drei Anlagen am Netz. Rückenwind spürt das Unternehmen auch durch den das Klimaschutzgesetz des Bundes korrigierenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes. Wemmer-Geist geht trotz zwei weiterer noch anhängiger Verfahren gegen Dahlem IV davon aus, „dass unser Windpark immer genehmigungsfähig war“. Er hat daher einen konkreten Fahrplan für die drei neuen Anlagen in Dahlem V: Die Genehmigung werde wohl Ende 2021/Anfang 2022 erteilt, mit der Inbetriebnahme sei im Verlauf des Jahres 2022 zu rechnen.
Weitere Planungen
Mit den drei Anlagen von Dahlem V hat die Gemeinde ihr Maximum an geplanten Windrädern zumindest auf Gemeindegrund erreicht. Mehr sind laut Bürgermeister Jan Lembach nicht geplant: „So ist auch der Gemeinderatsbeschluss.“ Er reagierte auch auf Gerüchte, wonach sogenannte „Explorer“ der Windkraftindustrie derzeit weitere Standortoptionen untersuchten, etwa an den Kalktriften zwischen Baasem und Schmidtheim parallel der B51. „Natürlich kommen zu uns wie zu den Kollegen in Blankenheim oder Nettersheim alle halbe Jahre solche Leute, aber nie ist was draus geworden.“
Die Gemeinde habe 2005 die bis dahin bestehende Windenergiekonzentrationszone im Flächennutzungsplan aufgehoben, so die Bezirksregierung Köln auf Anfrage. Folge: Überall im sogenannten Außenbereich des Gemeindegebietes, so keine öffentlichen Belange dagegenstehen und die Erschließung gesichert ist, können neue Anlagen als „privilegiertes Bauvorhaben“ gebaut werden. (sli)
Doch möglicherweise muss Dunoair bis dahin mit neuen Klagen der Naturschützer rechnen, auch wenn die zum jetzigen Zeitpunkt erst ihre grundsätzlichen Bedenken angemeldet haben. Und selbst wenn nicht: Die vom Unternehmen beauftragten zwei avifaunistischen Gutachten und das Artenschutzgutachten legen eine zeitweise Abschaltung von zwei der drei Rotoren nahe. So betonte das Fachbüro aus Stolberg schon 2015, dass ein gewisser Raumnutzungsanteil von Rotmilanen entlang des Rotbachs und der nördlichen Bachhänge nachgewiesen worden sei. Zwei der dort zunächst geplanten Anlagen wurden in der Folge aus der Planung herausgenommen. Das Büro hat zwar jetzt keine grundsätzlichen Bedenken mehr gegen den Bau der drei Anlagen, obwohl sie in der Nähe der vor sechs Jahren nicht bebauten Flächen liegen, spricht sich aber als Schutz für die Rotmilane für eine zeitweise Abschaltung der WEA1 (nördlich des Rotbachs) vom 1. Juni bis zum 31. Juli in den Brutzeitwochen und dann in den Tagesstunden aus. Die benachbarte geplante WEA5 – die Nummerierung bezieht sich auf alle Windkraftanlagen in Dahlem IV – solle so stundenweise sogar schon ab dem 1. April vom Netz gehen.
Schutz der Wildkatze
Ähnlich skeptisch im Detail – bei einer abschließenden positiven Beurteilung – ist das Gutachten mit Blick auf den Schwarzstorch. Hier schlagen die Experten ein begleitendes Artenhilfsprogramm mit der Einbringung von Brutplattformen an mehreren Stellen im Gemeindegebiet vor, um Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen umzusetzen.
Gefährdet sind laut Aussage des dritten Gutachtens zum Thema, des Artenschutzgutachtens, durch den Bau der drei neuen WEA mehrere Fledermausarten und die Wildkatzenpopulation. Doch zwei 2018 und 2019 von einem anderen Fachbüro explizit zur Beurteilung der Wildkatzengefährdung am Standort angefertigte Gutachten gehören nicht zu den Unterlagen der Offenlage für Dahlem V.
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Nur am Rande geht das Artenschutzgutachten auf die Auswirkungen auf die Wildkatze ein. Darin ist jedoch vermerkt, dass eine Vielzahl von Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen festgestellt worden sei, was vor allen Dingen für die Bauzeit gelte. Es seien Kompensationsmaßnahmen für die Wildkatze durchzuführen. Auch hier kommt das von Dunoair beauftragte Fachbüro zu einem abschließenden Urteil, wonach keine „artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände“ erfüllt seien. Das sehen die Naturschützer möglicherweise anders. Ob sie oder andere das als Einspruch geltend machen oder vor Gericht ziehen werden, bleibt abzuwarten.