Der Fall um die heute 57 Jahre alte Melanie F. hinterfragt erstmals die Rolle eines Priesters als ewiger Amtsträger. Das Urteil könnte Kirchengeschichte schreiben.
Klage gegen katholische KircheMissbrauch als Priester oder Privatmann? Wegweisendes Urteil erwartet
Im Saal 142 des Kölner Landgerichts wird am kommenden Dienstag möglicherweise Kirchengeschichte geschrieben: Es geht in einem Prozess vor der 5. Zivilkammer nämlich um die Frage, ob ein Priester immer Priester ist oder ob er auch als Privatperson handeln kann.
Hintergrund dieses nicht nur für Gelehrte spannenden Rechtsstreits ist eine Klage der heute 57 Jahre alten Melanie F. gegen das Erzbistum Köln. Sie war als Pflegetochter des Priesters Hans Bernd U. von diesem jahrelang missbraucht worden. F. hat die Kirche auf 850 000 Euro Schmerzensgeld verklagt, weil sie es zugelassen habe, dass einer ihrer Geistlichen sich an einem Kind vergangen habe.
Der Fall ist juristisch gut belegt, er kam in einem Prozess gegen U. vor einer Jugendschutzkammer des Landgerichts Köln zur Sprache, das den Angeklagten 2022 wegen hundertfachen Missbrauchs unter anderem seiner Nichten zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilte. Melanie F. wurde seinerzeit als Zeugin gehört, ihr eigener Fall war schon verjährt.
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Der Seminarist U. hatte das damals zwölfjährige Mädchen, das er als Neunjährige im Bonner Kinderheim Maria im Walde kennengelernt hatte, und einen zwei Jahre älteren Jungen 1979 als Pflegekinder ins Pfarrhaus von Alfter geholt, in dem er als Diakon lebte.
Als Mädchen wiederholt missbraucht und vergewaltigt
Der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Höffner hatte das erlaubt mit der Maßgabe, dass eine Haushälterin miteinzieht. Das geschah aber nicht, wurde auch vom Ortspfarrer und dem zuständigen Dechanten nicht kontrolliert. In der Folge wurde das Mädchen wiederholt missbraucht und vergewaltigt; zweimal wurde sie von U. schwanger, zweimal musste sie abtreiben. Nachdem ihr Anwalt Eberhard Luetjohann (Bonn) in F.s Namen Klage gegen das Erzbistum eingereicht hatte, teilte die zuständige Zivilkammer in einem sogenannten Hinweisbeschluss mit, dass das Bistum vielleicht nicht belangt werden könnte, weil der Mann den Missbrauch nicht als Priester, sondern als Privatperson begangen haben könnte.
Luetjohanns Gegenmeinung, dass ein Priester immer im Dienst sei, wird von den Kirchenrechtlern Thomas Schüller (Münster), Norbert Lüdecke (Bonn) und Sven Anuth (Tübingen) geteilt.
Die Frage, ob das beklagte Erzbistum mit einem Gegengutachten vor Gericht auftreten werde, ließ das Kölner Generalvikariat unbeantwortet. „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, bitten wir um Verständnis, dass wir uns aktuell hierzu nicht äußern“, teilte die Pressestelle auf Anfrage der Rundschau mit.