Die Gemeinde Swisttal beantragt zusätzliche Gelder für den Wiederaufbau nach der Flut. 18 Millionen Euro für 14 Maßnahmen stehen auf einem Antragsentwurf für die Politik.
Änderungen im WiederaufbauSwisttal fordert weitere 18 Millionen Euro nach der Flut
Mehr als 18 Millionen Euro will die Gemeinde Swisttal noch aus dem Wiederaufbautopf des Bundes haben. Ausschuss und Rat befassen sich in den nächsten Tagen mit den konkreten Maßnahmen und Kosten. Den größten Batzen macht mit mehr als zehn Millionen Euro die Verlegung der Sportanlagen in Odendorf aus der Orbachaue in die Ebene jenseits der Landesstraße 11 aus. Dort hatte die Unwetterkatastrophe von 2021 mehrere Sportanlagen zerstört. Die Sportschützen weichen seitdem zu befreundeten Vereinen aus, der Tennisclub hat provisorisch Plätze hergerichtet, von der Sporthalle wird nur die Bodenplatte übrig bleiben. Außerdem soll das Flutdenkmal der Gemeinde nicht in Miel, sondern gegenüber des Rathauses in Ludendorf entstehen.
Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner legt der Politik zunächst den von Jörg Timmermann im Planungsbüro Schumacher (PBS) zusammengestellten Änderungs-Wiederaufbauplan (Ä-WAP) vor.
Die Swisttaler Maßnahmen im Einzelnen
Rodderbach und Schießbach sind Richtung Euskirchen verrohrt und sollen künftig offen fließen. So soll dort mehr Wasser abfließen können und sich nicht am Rohr stauen. Knapp zwei Millionen Euro soll das kosten. Bei Ollheim soll der Schießbach zudem für knapp 400.000 Euro ein Regenrückhaltebecken erhalten. Auf Swisttaler Gemeindegebiet sind in Folge der Gespräche mit dem Erftverband zusätzliche Retensionsräume zu schaffen, also Flächen, die große Wassermassen zurückhalten können.
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Auch die Swist benötigt bei Heimerzheim mehr Stauräume. Dafür sind knapp 400.000 Euro eingeplant.
Die Kanalisation am Orbach in Odendorf muss größer neu gebaut werden. 650.000 Euro stehen auf dem Plan, allerdings ist das wirklich nur der Kanal. Der Erftverband ist anschließend für die Stützmauern der Bacheinfassung zuständig, und die Gemeinde wird zusätzlich später sowohl noch die Fahrbahn als auch das Geländer sanieren müssen. „So wird Odendorf für ziemlich lange Zeit eine Baustelle“, sagte Kalkbrenner.
Zuflüsse im Außengebiet benötigen noch ein „NA-Modell“. Die Buchstaben stehen für „Niederschlag“, also Regen, und „Abfluss“, also, wohin das Wasser fließt.
Kleinere Maßnahmen waren von Bürgern in den Workshops vorgeschlagen worden. Ihre Umsetzung kostet voraussichtlich 130.000 Euro. Auch der Schutz von Zuläufen bestimmter Gräben wurde hier verbucht, weil die Vorschläge aus den Bürgerworkshops stammen: mit zusätzlichen 130.000 Euro.
Die Streuobstwiese an der B56 in Essig Richtung Rathaus muss für 26.000 Euro komplett neu mit Bäumen bestückt werden. Sie war als Ausgleichsfläche angelegt worden und muss wiederhergestellt werden. Die Flut hatte alle Bäume zerstört.
Die Orbachaue muss wiederbegrünt werden. Dafür sind 65.000 Euro veranschlagt. Das hängt mit dem größten Projekt in der Orbachaue zusammen:
Das Sportzentrum an der L11/Flamersheimer Straße steht mit bloß 13.000 im Plan. Das sind aber nur die Vorboten des großen Projekts. Das Geld soll Planung und Erschließung abdecken sowie den Grunderwerb. Die Vereine werden noch lange auf einen Neubau warten müssen und benötigen darum Provisorien für die Übergangszeit. Die zerstörte Turnhalle soll auf dem alten Fundament neu entstehen.
Für das Dorfhaus in Straßfeld sind 13.000 Euro aufgelistet, um die neue Heizung abrechnen zu können.
Die Friedhofshallen in Miel und Ludendorf benötigen noch 26.000 Euro, um di Folgen des Flutwassers im Gebäude zu beseitigen.
Die Fußgängerbrücke „An der Burg“ in Odendorf soll später wieder aufgebaut werden, um die gewohnt kurzen Wege aus den neueren Siedlungsbereichen zu Kita, Markt und anderen Einrichtungen im Dorfzentrum wiederherzustellen. Jetzt soll es erst für knapp 40.000 Euro ein Provisorium geben. Timmermann tat sich mit einer Begründung für die Notwendigkeit der Brücke im Förderantrag schwer. Die Vorgespräche hätten Hoffnung gemacht, seine Hand mag er aber nicht für den Erfolg des Antrags „ins Feuer legen“.
Im Rathausumfeld warten aufgeschobene Maßnahmen auf eine Umsetzung: die Umfeldgestaltung, die Druckerstraße, das Materiallager, die Möblierung, Beleuchtung und vieles mehr. Knapp 200.000 Euro werden dafür nötig sein.
Prioritäten verschieben sich leicht
Der Swisttaler Wiederaufbauplan richtet sich strikt nach Prioritäten. Als erstes war die notwendige Infrastruktur wiederhergestellt worden. Zu der zählten auch die gesetzlich vorgeschriebenen Angebote wie Kindergärten, Schulen oder die Feuerwehr. Dann erst folgten sozialdienliche Bauten wie Dorfgemeinschaftshäuser. Alles andere musste warten.
Laut Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner gab es kaum Veränderungen auf dieser Rangliste: „Die Unterbringung in der Schützenstraße hat sich einmal geändert, wegen der steigenden Flüchtlingszahlen.“ Der Änderungsplan sei nun in diese Prioritätenliste eingebunden worden.
Neu sind Angaben zu „Zielerreichung“ und „Begründung“. Denn es gab doch einige Verzögerungen, vor allem durch Vergaben, auf die niemand ein Gebot abgab, vor allem weil den Vorschriften nach sehr kleinteilig ausgeschrieben werden musste. Erst nach Erhalt einer Sondergenehmigung zur Ausschreibung mit Generalunternehmern, die zum Vorbild für den Wiederaufbau auch in anderen Teilen des Landes geworden sei, sei manches Projekt tatsächlich angelaufen.
„Es gibt immer einen triftigen Grund, wenn ein Ziel nicht erreicht wurde“, betonte Timmermann: „Etwa wegen der Zuständigkeiten am Orbach.“ Auch banalere Gründe zwangen zum Abweichen von der Prioritätenänderung. So seien die Denkmäler eben nicht ganz so wichtig, und auch von den Friedhöfen sei keine Gefahr ausgegangen. Gleiches habe als Ergebnis der Bodengutachten für die Spielplätze gegolten. Für das beschädigte Verwaltungsgebäude am Rathaus sei nach Scheitern der Vergabe auch ein Aufschub leicht möglich gewesen, was allerdings ein Zusammenrücken der Mitarbeiter in der Verwaltung erzwang und eine Containerlösung. Eine geplatzte Ausschreibung hatte auch die Sanierung der Swisttalschule aufgehalten. Eine Schadstoffanalyse für das Dorfhaus in Miel sei schwer zu bekommen gewesen. Und auch die Pläne zum neuen Sportcampus in Odendorf kosten viel mehr Zeit als geplant.
Bei der Wiederherstellung lang genutzter oder gar in Eigenleistung hergestellter Bauten müsse auch geschaut werden, welcher „Zusatzbedarf“ abseits des Wiederaufbaus notwendig ist, merkte Kalkbrenner an. Es sei ja unsinnig, das Dorfhaus Miel zweimal aus der Nutzung zu nehmen - für Flutschadensbeseitigung und für laufende Sanierung.
Kampfmittelbeseitigung als Zeitfaktor
Wenn das Gespräch auf die Kampfmittelbeseitigung kommt, steigt bei Petra Kalkbrenner der Blutdruck. Für jede Parzelle und jedes Vorhabe müsse nach gefährlichen Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg gesucht werden. Was bislang tatsächlich entdeckt worden sei, sei eine nicht in den Karten verzeichnete Stromleitung durch die Orbachaue. Zahlreiche Bohrlöcher im Bereich vor den Tennisplätzen zeugen von den jüngsten Sondierungen. Auch für den Abriss bestehender Gebäude sei solch eine Sondierung zwingend vorgegeben, die Termine aber kaum zeitnah zu bekommen. Mitunter betrage die Wartezeit mehr als ein Jahr und eine Kommunikation werde nur via Ordnungsbehörde akzeptiert, weshalb eigens eine Mitarbeiterin zusätzlich diesem Amt zugeordnet werden musste.
Ein Hindernis im Boden gibt es auch am künftigen Standort des Sportzentrums: Dort liegt eine Gasleitung, deren Sanierung erst durch Verhandlungen mit dem Besitzer so vorgezogen werden konnte, dass sie den Zeitplan der Gemeinde Swisttal nicht aufhält.
Bilanz zum Wiederaufbau
„Wir sind mit 106 Projekten in den Wiederaufbau gestartet“, sagt Kalkbrenner. Zwei Ingenieurbüros kümmern sich allein um die36 Kilometer langen Fließgewässer. „Unter dem Strich können wir zufrieden sein“, sagt die Bürgermeisterin, aber sie weiß: „Das ist nicht das Gefühl, das draußen vorherrscht.“ In den zehn Swisttaler Orten und den Vereinen schauten die Menschen isoliert danach, wie der Wiederaufbau bei ihnen vor der Haustür laufe. Am alten Kloster in Odendorf zeige sich, dass nur eine gründliche Sanierung auf Dauer Bestand habe. Kalkbrenner: „Dort wurde Minimalsaniert, damit die Johanniter einziehen konnten. Die müssen nun raus, weil alles voller Schimmel ist.“
Dass das Denkmal, das die Gemeinde zum Gedenken an die Flut errichten will, nicht in Miel errichtet werden kann, begründete Kalkbrenner mit Problemen beim Landschaftsschutz. Nun sei das Areal gegenüber dem Rathaus anvisiert, das seit der Flut schon viele Funktionen hatte, als Müllsammelplatz, Ausweichparkplatz und Baustofflager etwa. „Es geht mal wieder nicht geradeaus, wie man es sich vorgestellt hatte.“
Ein Dauerthema wird noch die Sanierung der Straßen. Die Schäden waren meist klein, aber zahlreich, sagte Timmermann. Inzwischen sind Unternehmer für die Beseitigung gefunden, aber die Flut bringe es mit sich, dass Ausspülungen teilweise erst mit Jahren Verzögerung sichtbar würden. Für Anlieger gebe es immer einen Ansprechpartner vor Ort. Allerdings verwechselten viele Einwohner die Sperranordnungen mit den tatsächlichen Bauzeiten der Firmen und nutzten die Ansprechpartner nicht.„ Wer fragt, dem tragen die Arbeiter bei baubedingten Hürden sogar die Einkaufstaschen nach Hause“, beteuerte Kalkbrenner.
Der Sanierungsstand in Zahlen: 74 Millionen Euro sind laut Gemeinde bewilligt, Projekte für 68 Millionen Euro in Arbeit, Aufträge für 38 Millionen Euro ausgelöst. Zudem gibt es Planungsaufträge für 5,5 Millionen Euro.
Sitzungstermine
Um Prioritätenliste und Änderungs-Wiederaufbauplan geht es im Haupt-, Finanz- und Beschwerdeausschuss am Mittwoch, 13. November, sowie in der Sitzung des Gemeinderats am Donnerstag, 14. November.