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„Ne Birreboum em Schreberjaade“Rheinbacher dichtet berühmte Werke auf Kölsch nach

Lesezeit 4 Minuten
Märchenbuch Bonn

Rheinbach – „Endlich is dä Zaubermeister uss’em Huus un kann nit stüüre, un jetz sullen all sing Jeister ens op mi Kommando hüre.“ So kann eines der bekanntesten deutschen Gedichte, Goethes „Zauberlehrling“ auf Kölsch klingen. Und aus Theodor Fontanes „Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ wird „D’r Schmitz hatt nevven singem Lade ne Birreboum em Schreberjaade“.

Der Historiker und Germanist Josef Muhr, von 1978 bis 2006 Direktor der Volkshochschule Voreifel, hat über viele Jahre hinweg für Vorträge in rheinischer Mundart Gedichte von Wilhelm Busch bis Gotthold Ephraim Lessing vom Hochdeutschen ins Kölsche übertragen und aus dieser Sammlung nun ein vergnügliches Buch zusammengestellt. Die rund 20 „kölschen Knüller met Joethe und Schiller“ hat die Malerin Janni Feuser aus Rheinbach-Neukirchen mit verschmitzt lachenden Figuren illustriert, deren Mimik den ganzen rheinischen Frohsinn zum Ausdruck bringen.

Zur Person

Jupp Muhr wurde im Februar 1941 in Köln während eines schweren Bombenangriffs geboren. Er hat sechs Geschwister. Die früheste Kindheit verbrachte er teils in der Domstadt, teils in der Voreifel nahe Zülpich. Nach dem Kriegsende wohnte er zunächst wieder überwiegend in Köln, im „Vringsveedel“ und in Lindenthal. Seit den 1980er Jahren lebt er in Euskirchen- Flamersheim. Er promovierte an der Universität Köln zum Dr. phil. und war wissenschaftlicher Assistent und Lehrerausbilder an der PH Bonn im Fach „Neuere Geschichte und ihre Didaktik“. Von 1978 bis 2006 leitete er die VHS Voreifel.

Neben der literarischen Beschäftigung mit der kölschen Mundart widmete er sich ihr auch in der Musik, unter anderem mit dem eigenen Ensemble „Et Kölsche Swing-Trio“ (Bir)

Feuser, die mit Muhr alias „Dr. Kölsch“ seit gemeinsamen Tagen beim Rheinbacher Landsturm, für den sie geniale Bühnenbilder entwarf, eine lange Bekanntschaft verbindet, hatte überhaupt erst die Initialzündung zu dem Buch gegeben („Welch ein Glücksfall!“ O-Ton Muhr), denn ihre liebenswerten Charaktere auf den Bildern lassen die Geschichten lebendig werden. Eine Reihe von ihnen hatte der Kenner der rheinischen Sprache und Mentalität – von der Illustratorin im Buch selbst unverkennbar als „Märchenonkel“ verewigt – bereits vor Jahren als „Kölsche Rüümcher un Jedeechte“ auf die Bühne gebracht und auch in einem Büchlein zusammengefasst, mit den Illustrationen sei nun aber „eine runde Sache“ daraus geworden, berichtete der 80-Jährige, der sich seit Studienzeiten für die Pflege der kölschen Mundart einsetzt, was damals auch eine Trotzreaktion gegen den akademischen Dünkel gewesen sei.

Im Doktoranden-Kolloqium seines Kölner „Profs“ seien stark mundartlich geprägte Beiträge der Kollegen aus Schwaben oder der Steiermark mit Sympathie bedacht worden, während seine eigene kölsche Sprachfärbung, die er nicht verbergen konnte und wollte, nur mitleidig als „Karneval“ und „Ramba Zamba“ belächeln wurde. Um aber die Bandbreite der mundartlichen Möglichkeiten unter Beweis zu stellen, veröffentlichte Jupp Muhr seit den 1970er Jahren mehr und mehr köl(ni)sche Texte, meist für den eigenen Gebrauch, oft aber auch, um kostbare kölsche Wörter wie „Fressekesse“ zu erhalten, ein Schimpfwort für ein abscheuliches Wesen, das im Buch in der Übertragung von Friedrich Schillers Geschichte vom „Handschuh“ auftaucht.

Werke müssen auch in die kölsche Mentalität passen

Die Handlung von Hans Sachs’ Gedichte „Der Koch mit dem Kranich“ hat Muhr hingegen von einem florentinischen Rittersitz ins kurfürstliche Brühler Schlösschen Falkenlust verlegt, wo der listige Koch mit Mutterwitz sein Leben rettet. Dass die hochdeutschen Gedichte im kölschen Milieu funktionieren und die hiesige Mentalität abbilden, war eines der Auswahlkriterien für die Geschichten, berichtete Muhr. So kommt das „Paulinchen“ aus Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter, das mit dem Feuer spielt und dabei ums Leben kommt, als „dat Ännche met dä Strichhölzjer“ vor und auch Goethes „Zauberlehrling“ verkörpert hier den sich leicht selbst überschätzenden Kölner, der manchmal nur mit fremder Hilfe gerade noch die Kurve kriegt. Et hätt schleeßlich noch immer jot jejange.

Allem vorangestellt ist das Gedicht „Muttersprache“ des Romantikers Friedrich Rückert (1788-1866), dessen Inhalt Muhr so nachdichtet: „Nit ein bestemmpte Sproch erfreut, bejeistert mich: wat mich erfreut, bejeistert, dat es die Sproch an sich. Dat mir en Sproch jejovve, die, wat ich föhl und denke, mir deutlich mäht ...“ Von Johann Wolfgang von Goethe findet sich neben dem „Zauberlehrling“ auch „Gedichte sind gemalte Fensterscheiben“ in der Sammlung, von Andreas Gropius „Es ist alles eitel“ und die Geschichte der „Heinzelmänncher zu Kölle“, im Original von August Kopisch, klingt hier so: „Dä Zemm’rer noch aam Schnaarche wor, klapp , stund dat Huus alt fix un fäädig do.“ Das alles ist vergnüglich zu lesen. Am besten natürlich laut, denn die Mundart lebt vom Vortrag. Dem hat Jupp Muhr selbst Rechnung getragen und alle Texte auch gesprochen. Ein Link zum Download findet sich in dem Buch. Bei der Realisierung halfen mit Fred Paral und Heiko Hecking wiederum zwei Mitglieder des Rheinbacher Landsturm-Ensembles.

Erschienen ist das Buch im DIN-A4-Querformat im Rheinbacher cmz-Verlag von Winrich- C.-W. Clasen, der es allen empfiehlt, „die sich die Freude an nur scheinbar kindlichen Gedichten bewahrt haben“. Um Spaß an den „Nachdichtungen“ zu haben, reiche es, nur ein bisschen Rheinisch zu verstehen.

Das Buch hat 45 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-87062-335-7