Eine Stele und Ansprachen in der Stadt, ein Treffen zum Reden für die Bewohner im Dorf. Das Zusammensetzen an einen Tisch, ließ ungelöste Probleme klar werden.
Flut in RheinbachBetroffene haben sich an einen Tisch gesetzt
„Wir wussten nicht, ob wir jemals in unsere Häuser zurückkommen können. Eine derartige Naturkatastrophe hatten wir noch nie erlebt“, sagt Peter Eich. Der Ortsausschussvorsitzende zeigt sich auf diesen Tag angesprochen sehr nachdenklich. Gleichzeitig blickt er mit Stolz auf die Bürger in Oberdrees zurück. „Wir haben nicht groß nach externer Hilfe gerufen und wieder aufzubauen. Wir haben am Tag selbst und besonders danach die Ärmel hochgekrempelt, um Mensch, Tier und das Wichtigste aus den Häusern zu retten und wieder Struktur ins Leben zu bringen“, so Eich.
Zwei Jahre nach der Flutkatastrophe kamen am Samstag fast 800 Dreeser und Freunde aus den Nachbarorten zur 2. Schwafel-Tafel an der Ludwig-Fett-Halle zusammen, um sich zu erinnern und auch der Verstorbenen zu gedenken, die damals ihr Leben lassen mussten. Gespräche ließen die Katastrophe Revue passieren, Bilder wurden gezeigt, Umarmungen drückten das miteinander Fühlen aus. Symbolisch wurde das Glas auf die verstorbenen Wehrleute erhoben.
„Wenn Du von jetzt auf gleich mit einer Katastrophe zu kämpfen hast, bleibt dir keine Zeit zum Überlegen, sondern du funktionierst nur noch. Du bist rational. Ich war im Keller und das Wasser stand mir schon bis zu den Knien und habe versucht vieles zu sichern. Du schnappst dir das, was du gerade greifen kannst“, erzählt Steffi Mahlberg. Sie wohnt ihrem Ehemann Ralph und den 15-jährigen Zwillingen Luisa und Leon in der Frankenstraße. Die beiden Kinder waren tags zuvor aufgrund der Ferien bei ihrer Mutter in Wormersdorf. Leon kam am Flut Tag mit seiner Oma vom Sprungraumbesuch aus Köln zurück. Sie versuchten über Peppenhoven und Ramershoven nach Wormersdorf zu kommen. „Ich habe in der Nacht nicht schlafen können. Wir konnten unsere Eltern telefonisch aufgrund des Strom- und mobilen Netzausfalls nicht erreichen“, erinnert sich Leon.
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Für Ralph und Steffi wurde es im Oberdreeser Haus zeitlich eng. Das Wasser stieg und drückte gegen die Kellerzugangstüre, die sich von innen nicht mehr öffnen ließ. „Unsere Kellerfenster sind vergittert, so dass es keinen Weg nach draußen gab. Die Stadt hatte die Evakuierung beschlossen, die Feuerwehr fuhr im Ort von Haus zu Haus, um die Bürger aus den gefährdeten Häuser und Wohnungen zu holen, uns auch“, erzählen Ralph und Steffi Mahlberg.
„Wir können froh sein, dass wir eine gute Dorfgemeinschaft haben. Wir haben spezielle Teams zusammengestellt und die Logistik koordiniert. In der freiwilligen Feuerwehr sind einige Elektromeister. Sie waren in jedem Haus und zogen die zentrale Stromversorgung vom Netz.
„Wir mussten sicherstellen, dass keine Stromzufuhr mehr vorhanden ist. Mit unserer beruflichen Konzession als Gas, Wasser und Elektromeister dürfen und können wir das Haus komplett stilllegen“, sagt Elektromeister Hans-Willi Schneider. Erst wenn dies sichergestellt ist, kann der Strombetreiber, in dem Falle Westnetz, an den Leitungen arbeiten. „Mit allen Kräften und schweren Geräten aus den Privatbeständen der Landwirte und Firmen, hatten wir innerhalb weniger Tage eine logistische Struktur aufgebaut, die von der Verpflegung in der Ludwig-Fett-Halle bis hin zur Entsorgung von Material, Elektrogeräten das Leben wieder erträglicher aussehen ließ“, erläutert Peter Eich den damaligen Zustand.
Zwei Jahre danach bleibt jedoch auch festzustellen, dass viele Probleme noch nicht beseitig oder behoben sind. Zahlreiche Versicherung mit ihren Gutachtern entschieden sich gegen die Übernahme der Kosten. Rechtliche Verfahren laufen, um einen Teil der Kosten des Wideraufbaus möglich zu machen. Der Gesetzgeber hat die Verlängerung der Antragstellung von Landesmittel bis 2024 sichergestellt.
Bemängelt wurde auch die mentale Begleitung der Menschen. In den Zeiten nach dem 14.7. gab es ja zu wenige Psychologen und auch Seelsorger für die Betroffenen.
„Wir sehen diese Schwafel-Tafel mittlerweile als Treffen der Bevölkerung an um erzählen zu können. Reden wir drüber, dann geht es dir besser ist mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir sind noch mal enger zusammengerückt und stützen und helfen uns weiterhin. Wir danken auch den Freunden aus Wormersdorf oder Flerzheim, die uns sehr unterstützt haben. Es zeigt welche Stärke wir in uns tragen“, sagt Peter Eich.
„Bei uns klopften Leute an die Tür und wollten helfen. Sie kamen aus Köln. In diesen Momenten wirst du sentimental und könntest fast jeden umarmen“, sagen Ralph und Steffi Mahlberg, die zwei Jahre nach der Flut die Daumen nach oben zeigen können.
Die Stele
Denkmäler sind dazu da, innezuhalten und sich an die Geschehnisse zu erinnern. Der 14. Juli 2021 soll in Rheinbach als der Tag in der Erinnerung bleiben, an dem Bäche zu reißenden Flüssen mutierten, Straßen überspülten und durch Wohn- und Geschäftshäuser strömten. In der Kernstadt notieren die Gebiete entlang des Gräbbachs sowie die Straßen am Stadtpark, Bachstraße, entlang der Grundschule St. Martin, Kallenturm sowie die Innenstadt links und rechts der St. Martin Kirche erhebliche Schäden.
Bürgermeister Ludger Banken, der NRW-Landtagsabgeordnete Oliver Krauß sowie die stellvertretende Landrätin und Kreistagsabgeordnete Ute Krupp betonten zum Jahrestag die Solidarität der Bürger untereinander sowie die freiwillige Unterstützung aus ganz Deutschland, die Rheinbach und seine Bürger erhielten.
„Ich kann nur immer wieder sagen, wie dankbar wir allen Helfern aus nah und fern sind. Die Rettungskräfte haben Übermenschliches geleistet. Die Bundeswehr war der große Unterstützer. Aber der große Dank gebührt Ihnen, den Bürgern unserer Stadt. Sie haben mit ihrem Einsatz nachbarschaftlich geholfen, Sie gaben sich Kraft und Zuversicht“, sagte der Bürgermeister.
In einer würdigen Zeremonie mit vielen Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Banken sowie der Künstler, nahmen über hundert Bürger Anteil bei der offiziellen Einweihung des Denkmals zur Erinnerung an die Unwetterkatastrophe teil. Ein Geistlicher war nicht vor Ort. Der Trompeter Andreas Sicking spielte Mozarts Ave Verum.
Der städtische Betriebshof hat die Ecke Stadtpark/Neugartenstraße mit Bänken versehen und der Fläche Aufenthaltsqualität verschafft. Die Stele ist ein heller Betonstein, mit einem gestalteten blauen Glaselement, dem Datum der Flut und den Worten „Gedenken, Danken und Zusammenhalten“.
Es ist der Grundstein für eine Erinnerungskultur, so wie es der Stadtrat am 7. November beschlossen hatte. Ideen der Bürger waren aufzunehmen, und so befasste sich eine Jury, bestehend Ratsmitglieder und der damaligen Leiterin des Glasmuseums Dr. Ruth Fabritius sowie Stadtarchivar Dietmar Pertz, befasste sich mit acht Vorschlägen.
Den Zuschlag erhielten die Rheinbacher Glaskünstlerin Helga Feuser-Strasdas sowie der Rheinbacher Steinmetz Hans-Josef Samulewitz. Das Denkmal soll ein Symbol für Zusammenhalt, Solidarität und Hilfsbereitschaft stehen.
Krupp und Krauß dankten wie Banken den Bürgern für ihren Durchhaltewillen. Sie ermunterte dazu, weiterhin Wiederaufbauhilfe zu beantragen, zumal die Fristen verlängert worden seien.
Leider waren die Wortbeiträge ohne Mikrofon nur schwer zu verstehen. Einige Teilnehmer wunderten sich, dass zwar an die Toten erinnert wurde, speziell an eine junge Arzthelferin, aber die anwesende Familie keine Erwähnung fand.
Regierungspräsident in Rheinbach
Wie die Stadt Rheinbach später mitteilte, war am Montag auch Regierungspräsident Thomas Wilk zu Gast in der Stadt. Bürgermeister Banken sprach mit ihm über Stadtentwicklung, Wiederaufbau, Starkregen- und Hochwasserschutz sowie verbesserten Bevölkerungsschutz und Krisenresilienz.
Laut Banken ermöglichte der gemeinsame Rundgang durch die Stadt einen intensiven inhaltlichen Austausch. Es ging auch um die Herausforderungen, die Menschen, Unternehmen, Einrichtungen, Institutionen und Verwaltungen in diesem Zusammenhang noch zu bewältigen haben.
Wilk verschaffte sich einen Überblick zum Hochwasser- und Starkregenmanagement, das die Stadtverwaltung mit eigenen Maßnahmen voranbringt und hierzu derzeit mit der beauftragten Kommunalagentur NRW ein entsprechendes Konzept für Rheinbach ausarbeitet. Nicht zuletzt waren Ergebnisse der Kooperation beim interkommunalen Hochwasserschutz mit 13 weiteren Kommunen, vier Kreisen im Einzugsgebiet der oberen und mittleren Erft gemeinsam mit dem Erftverband Gegenstand der Unterredung.
Banken nutzte die Gelegenheit, Wilk bei einem einstündigen Rundgang durch die Innenstadt einen Einblick in „Lebendigkeit und Vitalität Rheinbachs“ zu geben.