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„Nahezu groteske Situation“Anwohner möchten Bedarfshalt am Bahnhof Kottenforst zurück

Lesezeit 6 Minuten

Nur an den Wochenenden hält die S 23 am Bahnhof Kottenforst, weil dort auch viele Ausflügler ein- und aussteigen möchten.

Meckenheim-Lüftelberg – Wenn der Lüftelberger Gösta Hoffmann gefragt wird, wo er wohnt, dann antwortet er: „Im Kottenforst.“ Die Bezeichnung „Bahnhof“ lasse er aus Frust weg, obgleich er mit seiner Familie seit drei Jahren in unmittelbarer Nähe des 1880 entstandenen Fachwerkbaus wohne, von dem das angrenzende Neubaugebiet seinen Namen erhielt. Mitte 2018 wurde der permanente Stopp der Voreifelbahn S 23 am Halt „Bahnhof Kottenforst“ eingestellt. Anwohner wie Gösta Hoffmann fordern jetzt erneut den Bedarfshalt. Um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, hat die Dorfgemeinschaft ein Banner an den Gleisen aufgehängt, mit der Aufschrift „Bahnhof ohne Zug? Bedarfshalt jetzt“.

Petitionen versendet

Petitionen wurden an Politiker und die Deutsche Bahn geschickt, die die S 23 im Auftrag des Zweckverbands Nahverkehr Rheinland bedient. Bisher hätten die Bemühungen jedoch nicht zum Erfolg geführt, bedauern die Anwohner. Die Bürgerinitiative wird von dem Lüftelberger Ortsvorster Siegfried Schwaner unterstützt. Sie umfasst alle 63 Anwohner, elf davon sind Schulkinder. Den Betroffenen geht es vor allem um den werktäglichen Halt der Bahn, der nach einer Testphase von nur etwa zweieinhalb Jahren plötzlich und ohne Vorwarnung gestrichen worden sei. Auf den Halt waren besonders Schulkinder und Berufspendler angewiesen. Aktuell halten die Züge nur samstags und an Sonn- und Feiertagen am Bahnhof und dessen Gaststätte.

„Bedarfshalt jetzt!“ steht auf dem Banner, das die Anwohner am Bahnhof Kottenforst aufgehängt haben.

„Den täglichen Halt gibt es nicht mehr“, ärgern sich Hoffmann und mit ihm Ehefrau Anne Zacke, die Nachbarn Romy und Robert Wiese, Peter Nölle und die übrigen 58 Bewohner des idyllisch gelegenen Wohngebietes. Die günstige Lage in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Kottenforst seien für sie ausschlaggebend dafür gewesen, sich in dem früher gewerblich genutzten Gebiet niederzulassen, sagen die Anwohner. Auch Studenten zogen dort gerne zur Untermiete ein, weil die Nähe zum erst vor wenigen Jahren barrierefrei umgebauten Haltepunkt der Deutschen Bahn eine schnelle Verbindung zur Universität in Bonn versprach. Bei der Vermarktung der Häuser sei sogar damit geworben worden, dass die Bundesstadt mit der Bahn in nur wenigen Minuten zu erreichen sei, so Peter Nölle.

Zahl der Anwohner wird steigen

Gebaut wird dort bis heute, vier der geplanten Häuser sind bereits bezogen, zwölf sind noch nicht fertig. Demnach sei absehbar, dass sich die Zahl der Anwohner in Zukunft nicht unbeträchtlich erhöhen werde, rechnet Gösta Hoffmann vor. Vor allem bei jungen Familien mit Kindern seien die neuen Häuser beliebt. Die schlechte Verbindung zu den Grund- und weiterführenden Schulen in Alfter, Bonn und auch Meckenheim sei jedoch ein großer Nachteil.

Züge fallen aus

Gleisarbeiten erledigt die Deutsche Bahn (DB) an verschiedenen Terminen, zum Teil auch nachts zwischen Alfter-Witterschlick und Meckenheim sowie auf der Strecke zwischen Euskirchen und Meckenheim.

Diese Arbeiten erfordern laut Bahn die Sperrung der Gleise und haben Auswirkungen auf den Fahrplan der S-Bahn-Linie S 23.

Die Züge der S 23 fallen zwischen Alfter-Witterschlick und Meckenheim in der Zeit vom 20. Mai, 21 Uhr, bis Montag, 25. Mai, 2 Uhr, teilweise aus oder haben Fahrplanabweichungen. Zwischen 31. Mai und 5. Juni sowie vom 21. bis 24. Juni fallen einige Züge der S 23 von Meckenheim nach Euskirchen aus. In allen Fällen verkehren laut Bahn Busse als Ersatz. (EB)

„Wir mussten vor zwei Jahren den Schulweg unserer Kinder völlig neu organisieren“, beschreibt es Robert Wiese. Um zum eigenen Arbeitsplatz ins 18 Kilometer entfernte Hangelar zu gelangen, schaffte sich der Familienvater darum nach Einstellung des Halts ein E-Bike an. Ehefrau Romy bringt den gemeinsamen Sohn und einen Schulkameraden täglich mit dem Familienauto zu einem zentralen Halt in Witterschlick, von dem aus die Kinder gemeinsam in die Grundschule gehen. Peter Nölle fährt seine Tochter nun jeden Tag mit dem Auto zum Hardtberg-Gymnasium auf dem Brüser Berg, weitere Grundschüler müssen von den Eltern per Pkw nach Meckenheim gebracht werden.

Funktionierende Infrastruktur auch nutzen

„Einerseits soll man seine Kinder zur Selbstständigkeit erziehen, nicht mit dem Auto zur Schule bringen und den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Andererseits werden wichtige Halte gestrichen“, klagt Romy Wiese. Auch Familie Hoffmann/Zacke ist aufs Fahrrad respektive Auto umgestiegen, denn der Bushalt „Kottenforst Abzweigung“ der Linie 800 an der Hauptstraße nach Witterschlick in der Nähe des „Schwarzen Wegs“ sei für niemanden wirklich eine Option. Der Halt erfordere nicht nur einen Marsch durch den Wald, schildern die Eltern, er liege auch noch in einer gefährlichen Kurve direkt an einer stark befahrenen Landstraße und sei lediglich gekennzeichnet durch ein Bushalteschild. Es gebe weder Beleuchtung noch ein Haltestellenhäuschen, auch ein Fußgängerweg fehle. Eine solche Konstellation sei „nicht nur im Winter gefährlich“, betonen die Eltern. Aus ihrer Sicht verlange man nichts Unmögliches, sagen die Anwohner.

Historie

Der heutige Haltepunkt Meckenheim Kottenforst am Streckenkilometer 12,9 der Bahn von Bonn nach Euskirchen wurde zeitgleich mit den anderen Bahnhöfen (abgesehen von Witterschlick) bereits während des Baues der Bahnstrecke angelegt. Wie der ehemalige Haltepunkt Impekoven hat er ein Empfangsgebäude mit Fachwerk. Eine Besonderheit an dieser Bahnlinie.

Erst um 1910 ist ein hölzernes Stellwerk angebaut worden. Im Laufe der Jahrzehnte waren mehrere Erweiterungen notwendig. Einst wurden hier örtlich abgebaute Güter verladen: Holz aus dem Kottenforst und Ton aus Röttgen. Doch dieser Bahnbetrieb wurde 1945 wegen der Kriegsschäden eingestellt. Heute befindet sich im Erdgeschoss eine Gaststätte. (EB)

„Wir haben eine funktionierende Infrastruktur und die wollen wir nutzen. Das ist alles“, bringt es Gösta Hoffmann auf den Punkt und macht darauf aufmerksam, dass der Haltepunkt in der Vergangenheit „für eine Million Euro behindertengerecht ausgebaut wurde“. Außerdem würden die Gleise im Winter gestreut und das Grün werde geschnitten. Dass dieser Aufwand für einen Halt erfolgt, der nur am Wochenende genutzt wird, ist für die Anwohner unverständlich. Immerhin seien es fast 70 Menschen, die diese Haltestelle werktags regelmäßig nutzen würden, wenn sie denn könnten.

Groteske Situation

Die Situation sei nahezu grotesk, findet Robert Wiese: „Man muss die Kinder nach Witterschlick kutschieren, damit sie dort in die Bahn einsteigen können.“ Außerdem stehe der Zug Richtung Bonn oft lange am Bahnhof Kottenforst, um den Zug in Richtung Rheinbach durchzulassen, da die Strecke zwischen dem Bahnhof und Witterschlick eingleisig ist. Einsteigen dürfe in dieser Zeit jedoch niemand, so Wiese.

Siegfried Schwaner hat bereits Kontakt zum Landtagsabgeordneten Oliver Krauß (CDU) aufgenommen und wandte sich nach eigenen Angaben an die Kreisschulbehörde, „um Abhilfe zu schaffen“. Ein Erfolg sei leider ausgeblieben, so Schwaner. In einem Antwortschreiben der Nahverkehr Rheinland GmbH habe es vielmehr geheißen, Zählungen hätten eine so geringe Nutzung ergeben, dass kein Halt zu rechtfertigen sei.

Hans Selz, ehemaliger Betreiber der Waldgaststätte Kottenforst, erinnert sich noch gut an die Zeit, als der Bahnhof ein regulärer Betriebshalt war und viele Ausflügler auch wochentags das Geschäft belebten.