Dorothee Matzer hat ein Ladenlokal in Oberpleis ins „Happy Angels“ für Verleih, Verkauf und Maßanfertigung von Karnevalskostümen verwandelt.
KarnevalBei Schneiderin Dorothee Matzer in Oberpleis warten über 500 Kostüme auf Verleih und Verkauf

Ein Traum in Rot: Dorothee Matzer in ihrem Laden „Happy Angels“ in Oberpleis.
Copyright: Ralf Klodt
Barock und Biedermeier, Steampunk und Hunnenkluft, ein wenig „Fackeln im Sturm“, ein Spritzer „Sissi“ – und ganz viele jecke Klamotten. Willkommen bei Dorothee Matzer. Die Schneiderin hat 40 Jahre Erfahrung mit Kostümen, keine Lust auf Ruhestand der trägen Art und eine große Liebe zum Karneval.
Seit September schneidert sie in Oberpleis Kleidsames, und – jetzt in der Session – vor allem Uniformen und Kleider. Wenn jecke Ehrengarden, Husaren und Funken aufmarschieren, dann leuchten die Farben und blinken die Knöpfe. Vor allem muss die Kluft sitzen, soll Freiheit geben beim Tanz, sollte etwas aushalten können und die Truppe glänzen lassen. Das erfordert schneiderisches Können, und das macht viel Arbeit.
Zehn Jahre lang schuf sie die Garderobe für die Bühnen der Staddt Bonn
Wenn es nicht allzu hektisch zugeht, schafft Dorothee Matzer sechs Uniformen im Monat. Das macht sie nicht nur aus Leidenschaft fürs feine Handwerk, sondern vor allem aus der fürs Thema. Sie stammt aus Heidebergen und ist „eigentlich schon immer“ beim Karneval dabei. Schon nach ihrer Ausbildung übernahm sie erste Aufträge in der für eine gelernte Damenschneiderin zunächst ungewöhnlichen Uniformherstellung für staatse Stadtsoldaten.
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Zwar hat das Handwerk im jecken Rheinland eine große Tradition, aber allzu viele Betriebe, die sich darauf verstehen, gibt es nun auch nicht mehr. Es geht aber nicht nur um karnevalistische Kluft. Lange Zeit spielten Theater-Kostüme eine große Rolle, allein zehn Jahre lang schuf sie Garderobe für die Miminnen und Mimen der Bühnen der Stadt Bonn.
Bei Dorothee Matzers Handwerk sind Einfallsreichtum und Fantasie gefragt
Eine überaus kreative Tätigkeit. Da sind Einfallsreichtum und Fantasie gefragt, wenn es darum geht, die Ideen und Wünsche der Theaterleute umzusetzen. Die mehr als 500 Kostüme, die in ihrem Laden an der Siegburger Straße auf Verleih und Verkauf warten, legen eindrucksvoll Zeugnis davon ab.
Dorothee Matzer legt großen Wert auf Stimmigkeit und Authentizität, für zeittypische Attribute recherchiert sie gründlich. Wo es etwas nicht gibt, improvisiert sie so, dass das Ergebnis eher noch echter anmutet. Es darf auch etwas freier sein, wenn es etwa um Steampunk geht oder gar um die Fliegerkombi eines Jetpiloten samt Fallschirmgurten.

Handarbeit: Dorothee Matzer an der Nähmaschine. Lange Zeit arbeitete sie für die Bühnen der Stadt Bonn.
Copyright: Ralf Klodt
Da dürften allenfalls echte Piloten merken, dass die Basis der abgelegte Overall eines Angehörigen des österreichischen Bundesheeres ist, garniert mit allem, was den Laien denken lässt: Genauso hab' ich das in „Top Gun“ gesehen.
Drei Ständergassen weiter hängt gleich fünfmal der Kaiser. Den kennt man auch, mindestens aus den berühmten Sissi-Filmen mit Romy Schneider, und gemeint ist natürlich Gatte Franz Joseph, der Franzl. Der ist deswegen so prominent vertreten, weil in Österreich die satirische Talkshow „Wir sind Kaiser“ mit k.u.k-Parodie so beliebt war und mithin Franzls Uniform der letzte Schrei bei Bällen und Festen.
Von Österreich zurück zu den Wurzeln im Rheinland
Schon wieder Österreich? Und dann die vielen Roben, die so viel mehr nach Wiener Ballsaison und venezianischem Karneval aussehen als nach rheinischer Prunksitzung? Dorothee Matzer hat auch etliche Jahre für die Feierlustigen der Alpenrepublik geschneidert. „Das ist eine völlig andere Kultur und hat mit unserem Karneval nichts zu tun.“
Und erneut galt es, höchste Ansprüche zu erfüllen. Bei Veranstaltungen mit bis zu 2000 Gästen wollen Kundin und Kunde schon etwas hermachen. Eigentlich hatte Dorothee Matzer vorgehabt, in Österreich zu bleiben. Sie war mit ihrem Mann, einem gebürtigen Steirer, in dessen alte Heimat gezogen.
„Wir wollten die erste Hälfte im Rheinland und die zweite in Österreich verbringen.“ Das geht auch gut, sie stellt sich mit der gleichen alten Leidenschaft auf die neue Kundschaft um – und dann stirbt ihr Mann. Das ist noch gar nicht so lange her. Dorothee Matzer muss den Verlust verkraften, steht vor den Trümmern der Pläne für die Zukunft, weiß zunächst gar nicht weiter.
„Und dann habe ich mir gedacht, da gehe ich am besten wieder nach Hause.“ Zurück ins Rheinland, zurück zu den Wurzeln, vielleicht auch zurück zum Karneval. Und zurück mit 500 Kostümen, aus denen sich doch ebenso noch etwas machen ließe wie aus ihrem Beruf. In Oberpleis findet sie das Ladenlokal, das sie in rekordverdächtiger Zeit ins „Happy Angels“ für Verleih, Verkauf und Maßanfertigung verwandelt.
Schon während der Renovierung ist der Kontakt zum Karneval wieder da. Regelmäßig kauft sie im Baumarkt Material, kommt mit der Kassiererin ins Gespräch, die erwähnt die Beueler Stadtsoldaten, Dorothee Matzer sagt: „Für die hab' ich doch früher genäht“, und prompt ist sie wieder dabei. Auf ein Rentnerinnendasein „ohne was zu tun“ hat sie gar keine Lust, das Kleidermachen macht noch immer Spaß, und so kann von Ruhestand nun wirklich keine Rede sein.

Eine Uniform, wie sie der Kaiser in den Sissi-Filmen trug.
Copyright: Ralf Klodt
Ganz allein ist sie dabei nicht. Wenn es eng wird im Atelier, hilft ihre alte Freundin Ingrid Grüning, die ebenfalls einst fürs Theater geschneidert hat. Es hat sich bereits herumgesprochen, dass Dorothee Matzer wieder da ist. Auch Laufkundschaft will die ausgefallenen Stücke sehen.
Zwischendurch kommt eine Kundin zur Anprobe, der die Schneiderin ein Kleid zum Thema Meer gemacht hat, gleich darauf einer, der statt für die Session etwas aus dem Sezessionskrieg in den USA sucht, das er für ein Projekt benötigt. So, jetzt hat sie aber keine Zeit mehr. Da wartet noch eine rote Uniform.