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Abschied vom „Kaiser“Bei allen Generationen in Rhein-Sieg herrscht tiefe Trauer um Beckenbauer

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Eine Kerze und ein Zettel mit der Aufschrift „Danke Franz!“, im Gedenken an den verstorbenen Franz Beckenbauer, liegen vor seinem Geburtshaus.

Eine Kerze und ein Zettel mit der Aufschrift „Danke Franz!“, im Gedenken an den verstorbenen Franz Beckenbauer, liegen vor seinem Geburtshaus.

Zum Tod von Franz Beckenbauer erinnern sich Fußballanhänger aus Rhein-Sieg an ihre Erlebnisse mit dem „Kaiser“.

Fußball-Deutschland trauert um Franz Beckenbauer. Am Sonntag verstarb der „Kaiser“ mit 78 Jahren. Wie haben die Menschen in der Region seinen Tod aufgenommen? Welche Erinnerungen verbinden sie mit der einzigen Lichtgestalt des deutschen Fußballs? Die Rundschau hat nachgefragt.

Sebastian Schuster, Landrat des Rhein-Sieg-Kreises

Der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises trat selbst früher in höheren Ligen vor den Ball und gilt als Fachmann: „Ich habe Franz Beckenbauer leider nie persönlich kennengelernt, aber er war zu meiner aktiven Zeit mein Idol und Vorbild. Besondere Momente waren sicherlich der WM-Titel 1974 mit Beckenbauer als Spieler und der Gewinn der WM 1990 mit ihm als Teamchef. 1990 ist mir dabei in besonderer Erinnerung, da unsere älteste Tochter während des Turniers geboren worden ist. Franz Beckenbauer hat sich um den deutschen Fußballsport in vielfältiger Art und Weise sehr verdient gemacht und wird unvergessen bleiben.“

Wolfgang Henseler, Altbürgermeister Bornheim

Bornheims Altbürgermeister war überrascht, als ihn die Nachricht erreichte. Er habe nicht gedacht, dass es dem Franz so schlecht gegangen sei, obwohl er von der schweren Krankheit gewusst habe: „Seine Karriere habe ich intensiv verfolgt, er hat wie Wolfgang Overath und Günter Netzer eine Ära geprägt. Sein Spielstil als Libero war genial, er musste niemals nach unten schauen um zu wissen, wo der Ball ist.“ Wenn für Henseler auch das Schönste war, den „Kaiser“ spielen zu sehen, so kommt ihm doch als erstes der Moment ins Gedächtnis, als Beckenbauer 1990 in Italien Weltmeister als Teamchef wurde: „Das war ein großer Moment.“ Der ehemalige Verwaltungschef ließ sich am Montag die zahlreichen Rückblicke im Fernsehen nicht entgehen, die in ihm wieder das alte Feuer für die Art aufflammen ließ, wie der Bajuware das Leder streichelte.

Dieter Neuhaus, VfL Alfter

Jahrelang zeichnete Neuhaus für die Geschicke des VfL Alfter verantwortlich. Als Trainer mischte er einst bei einem Spiel der Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft mit, zu der auch Beckenbauer zählte: „Er hat zwar nicht gespielt, ist aber mit einem Hubschrauber eingeflogen worden. Da war was los!“, so der 77-Jährige. Für ihn zähle Beckenbauer zu den fünf besten Kickern der Welt, doch auch als Persönlichkeit habe er ihn überzeugt: „Überall, wo er gearbeitet hat, war er erfolgreich − ob als Spieler, Trainer oder Funktionär.“ Als Schalke-Fan sah er den gebürtigen Münchner mehrfach live im Stadion und war stets beeindruckt: „Seine Eleganz, seine Technik, sein Ballgefühl − er hat alles so einfach aussehen lassen. Unvergessen bleiben seine Pässe mit dem Außenrist“, gerät Neuhaus ins Schwärmen.

Karl-Heinz Carle, Vorsitzender des Stadtsportverbandes Rheinbach

Der stellvertretende Präsident des Kreissportbundes und Vorsitzende des Stadtsportverbandes Rheinbach drückte dem „Kaiser“ früher die Daumen und verfolgte dessen Karriere an der Mattscheibe. Beckenbauer sei nicht nur ein toller Spieler gewesen, sondern habe auch als Coach überzeugt: „Ich muss sofort an den Titelgewinn 1990 in Rom gegen Argentinien denken.“ Wer sieht nicht sofort vor seinem geistigen Auge, wie der damals 44-Jährige abwesend über den Rasen des Olympiastadions wandelte.

Theo Riegel, Vorsitzender SSV Merten

Für den Vorsitzenden des SSV Merten war das Ableben Beckenbauers ein Schock: „Manche Menschen dürfen einfach nicht sterben so wie Mick Jagger oder eben Beckenbauer. Sein Tod ist ein riesiger Verlust, er hat vielen Generationen etwas gegeben und den Fußball in Deutschland großgemacht.“ Doch nicht etwa ein Bild vom „Kaiser“ mit der WM-Trophäe hat sich Riegel ins Gedächtnis gebrannt. Vielmehr verbindet er mit Beckenbauer ein Erlebnis im alten Gronau-Stadion von Bonn, in dem er Mitte der 1970er Jahre ein Freundschaftsspiel des Bonner SC gegen die Bayern verfolgte: „Horst Koep vom BSC hat Beckenbauer damals den Ball durch die Beine geschoben, da war was los im weiten Rund. Ich glaube, Bonn hat sogar mit 3:1 gewonnen“, sagt der SSV-Chef.

Dass die Mannschaften damals noch spielerische Lösungen gesucht hätten, anstatt sich ständig in Zweikämpfen zu verlieren, habe ihm imponiert. Für Riegel steht der dreimalige Sieger im Europapokal der Landesmeister, der heutigen Champions League, für eine andere Art von Fußball: „Der Franz hat 1970 beim WM-Halbfinale in Mexiko gegen Italien mit einer lädierten Schulter durchgespielt, eine Armschlinge hat ihm gereicht. Heute lassen sich die Spieler mit der Trage vom Platz holen. Die Mentalität war früher eine andere als die der heutigen Ronaldo-Generation.“

Selbst mit diesem Handicap überzeugte Beckenbauer im „Jahrhundertspiel“, das Deutschland allerdings mit 3:4 nach Verlängerung verlor. Der „Kaiser“ bleibt für Riegel unantastbar, das Sommermärchen 2006 will er sich nicht vermiesen lassen. Dass es bei der Vergabe des WM-Turniers an den Deutschen Fußball-Bund zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die sich am Rande der Legalität bewegt hätten, wolle er nicht bestreiten: „Aber so etwas ist doch bis in die unteren Klassen üblich.“

Patrick Schmitz, Trainer SSV Bornheim

Der Trainer des Landesligisten SSV Bornheim ist erst 32 Jahre alt, doch als eiserner Bayern-Fan und gebürtiger Münchner traf ihn die Nachricht vom Tode Beckenbauers: „Da geht ein ganz Großer, ein absolutes Vorbild, dem immer entsprechend viel Wertschätzung entgegengebracht worden ist.“ Am Montag erfuhr Schmitz es am ersten Arbeitstag nach zwei Wochen Urlaub, die Erholung ging teilweise flöten. Er attestiert dem „Kaiser“ eine top Grundeinstellung, von der sich alle etwas abschauen können. Ein Zitat des Verstorbenen regte ihn zum Nachdenken an: „Früher haben wir noch Schweinshaxn vor dem Spiel gegessen und auch gewonnen. Aber heute wirst du mit Müsli Meister“, bemerkte der ehemalige Akteur von Cosmos New York und des Hamburger SV 2007. Schmitz: „Damit hat er die fortschreitende Entwicklung dieser Sportart gemeint, obwohl Fußball erst einmal gespielt werden muss.“