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Sammeln aus LeidenschaftWenn Fahrräder was von Kutschen haben

Lesezeit 4 Minuten

Das Bild zeigt den Sammler bei der Reparatur einer Holzfelge eines historischen Opel-Profirennrades ZR 3.

Bad Honnef-Aegidienberg – Als Gerd Jajschik die Tür zu seiner „heiligen Halle“ öffnet, wie er den Kellerraum schmunzelnd nennt, tut sich eine kleine Schatzkammer voller historischer Drahtesel auf. Auf einem Podest steht ein Hochrad aus dem 19. Jahrhundert, das – wenn man von der Größe schließt – wohl für Jugendliche gedacht war.

Auf dem Boden links der Tür steht ein Kinderhochrad, daneben ein Tretkurbelrad der Firma Michelin aus dem Jahre 1860, dessen Räder extrem an Kutschenräder erinnern, nur ein wenig schmaler, aber auch mit dem Eisenring drum herum. In Kurven, weiß der 54-Jährige von zahlreichen Touren auf dem historischen Gefährt, ist wegen des Metalls Vorsicht geboten – Rutschgefahr!

Sieben Bonanzaräder in der Sammlung

Gerd Jajschik ist nicht nur Sammler von historischen Fahrrädern, die er in seiner „heiligen“ Kellerwerkstatt in Schuss bringt, er sammelt eigentlich alles, was mit dem Rad zu tun und ein paar Jahre auf den Buckel hat. Zur Sammlung gehören beispielsweise sieben Bonanzaräder, durch die sich die beiden Berichterstatter der Rundschau an ihre Kinderzeiten erinnert fühlen. Als Jajschik mal mit einem der Bonanzaräder im Rahmen des autofreien Aktionstags „WIEDer ins TAL“ durchs Wiedtal fuhr, riefen die Leute an der Straße: „Und wo ist der Fußschwanz?“ Der gehörte in den Siebzigern nämlich zwingend an die hohe Sattellehne. Heute würde man sagen, das war cool.

Insgesamt hat der 54-Jährige rund 200 Räder gesammelt, darunter  Hochräder und das Tretkurbelrad von 1860.

Insgesamt rund 200 historische Räder hat der 54-jährige Maschinenführer gesammelt, etwas 30 davon lagern in seinem Keller. Das Tretkurbelrad aus dem Jahr 1860 ist sein ältestes Stück, ansonsten reicht die Spanne bis 1996. Vor 30 Jahren hat Gerd Jajschik angefangen, sein erstes Rad war von der Firma Opel. Seither hat er sich spezialisiert auf Opel-Räder („In den 20er Jahren war Opel der größte Fahrradhersteller der Welt“) und auf Fahrräder aus der Region.

Goldberg-Drahtesel und Steuerkopfschilder

Dazu gehören beispielsweise Drahtesel der Firma Goldberg, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Bad Honnef produziert hat und später nach Köln zog, wo sie als „Goldrad“ firmierte. Auf einem Tisch im Vorraum zu seinem Keller hat Gerd Jajschik unter anderem sogenannte Steuerkopfschilder der Firma Goldberg liegen, die früher sozusagen als Markenzeichen an den Lenkerstangen angebracht wurden. Das Modell Drachenfels hatte der regionale Fahrradbauer im Angebot, aber auch das Modell Loreley.

Auf dem Tisch liegen eine ganze Reihe von historischen Schätzen rund ums Rad. Fahrradklingeln aus den 30er und der 50er Jahren, eine spezielle Hochrad-Klingel, eine Uhr fürs Fahrrad von 1900, eine alte Flasche mit Lampenöl für Fahrradlampen aus den 30er Jahren. Selbst eine Kerzenlampe gab es früher fürs Rad. „Man hat dann zwar nicht viel gesehen, aber man wurde gesehen“, sagt der Sammler, der selbst schon eine Probefahrt mit Kerzenlampe unternommen hat. „Und die Kerze ist nicht ausgegangen.“

3000 Kilometer auf historischen Rädern

Wenn historisch, dann auch komplett – so lautet die Devise des Bad Honnefers. Wenn er also auf einem der alten Räder unterwegs ist, dann auch mit der passenden Montur. Jajschik zeigt Fotos vom Nürburgring, als er bei „Rad am Ring“ mit einem historischen Rennrad fuhr – natürlich mit Kappe, Brille, Handschuh, Schuhen und Trikot von anno dazumal. Insgesamt, schätzt der Sammler, ist er im Jahr rund 3000 Kilometer auf historischen Rädern unterwegs

Auf einem Ständer in seiner „heiligen Halle“ steht ein Profirennrad ZR 3 der Firma Opel, dessen Felgen aus Holz sind und in dessen Sattelrohr sich ein kleiner Ölbehälter befindet, durch den die Fahrer während der Fahrt die Kette schmieren konnten.

Ursprünglich interessierte sich Gerd Jajschik eigentlich für Autos der Marke Opel, wie er erzählt. Ein Freund habe ihn damals darauf aufmerksam gemacht, dass Opel auch Fahrräder produziert hat. Zwei Monate später holte er sich in Köln sein erstes Opel-Fahrrad – Grundstock seiner heutigen Sammlung, die zweifellos Museumswert hat.

Wirklich überraschend ist die Leidenschaft des 54-Jährigen für Drahtesel vielleicht nicht. „Das wurde mir in die Wiege gelegt“, sagt Gerd Jajschik. „Meine Mutter ist Kunstrad gefahren und mein Vater Straßenrennen.“

Mitglied in Vereinen

Der Bad Honnefer Sammler Gerd Jajschik ist unter anderem Mitglied des Vereins Historische Fahrräder. Der wurde 1997 von 27 Liebhabern alter Zweirräder gegründet und hat heute nach eigenen Angaben mehr als 600 Mitglieder in 16 Ländern. Die Vereinszeitung „Der Knochenschüttler“ erscheint zweimal im Jahr. Die „Velocipediade“, die jährlich an einem anderen Ort stattfindet, bietet die Möglichkeit, andere Liebhaber alter Räder zu treffen.

Gerd Jajschik gehört zudem dem „Radfahrer-Verein Opel 1888 Rüsselsheim“ an, der im März 1888 vor allem auf Initiative von Adam Opel gegründet wurde. Dessen Söhne Wilhelm, Carl, Heinrich und Ludwig waren begeisterte Radsportler mit zahlreichen sportlichen Erfolgen. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts waren die Opel-Werke größter Fahrradhersteller der Welt.

Das Fahrrad selbst feiert in diesem Jahr seinen 200. Am 12. Juni 1817 fuhr Karl Drais erstmals auf einer Laufmaschine (Draisine) durch Mannheim; sie gilt als Urform des Fahrrads. (csc)