Alfter – „Wenn man den Deckel eines Buches aufschlägt, kommt eine ganz neue Welt zum Vorschein“, meint Erika Mager und macht es sich in einem der beiden lila Sessel gemütlich. Wie die 3000 Bücher, die sie von ihrem Vater übernommen hat, gehören diese beiden Sitzmöbel zur Ausstattung ihrer Bibliothek. Der Welttag des Buches, den die Unesco 1995 zur Förderung des Lesens einrichtete, ist willkommener Anlass für ein Eintauchen in diese Welten zwischen den Buchdeckeln.
In den beiden angebauten Räumen des alten Apfelhofs der Eheleute Erika und Michael Mager im Impekovener Oberdorf trifft das zeitgenössisch funktionale Mobiliar eines schwedischen Einrichtungshauses auf rustikalen Retro-Vintage-Charme im Stile der 50er und 60er Jahre. Mitten im Raum steht ein kleiner Servierwagen für Spirituosen, auf einem Regal ein nostalgisches Radio aus der Nachkriegszeit. Drumherum bäumen sich die weiß furnierten und prall mit Büchern gefüllten Regale auf. Mehr als 3000 Bücher sollen es sein, erzählt Erika Mager als sie frisch gebrühten Kaffee in zwei Tassen auf einem rustikalen Holztisch einschenkt. Ein leicht muffiger Geruch durchzieht die Räume. Er erinnert an ein Antiquariat. „Mein Vater war starker Raucher, daher sind viele Bücher auch vergilbt“, erklärt sie.
Versprechen an Vater, Bücher zu halten
Dass es diese außergewöhnliche Privatbibliothek noch gibt, hängt mit dem Versprechen zusammen, das sie ihrem Vater, Klaus Trieglaff, gab, als dieser immer kränker wurde. Sie sagte zu, sich um die Büchersammlung zu kümmern und sie zu bewahren. „Zum Glück haben wir die Räume dafür“, sagt Mager, die als gelernte Bibliothekarin und Leiterin der Katholischen Öffentlichen Bücherei von St. Mariä Himmelfahrt in Oedekoven auch beruflich ihre Liebe zur Literatur auslebt – auch, wenn sie mittlerweile wie ihr Mann die Vorzüge eines E-Book-Readers zu schätzen weiß. Doch das nur nebenbei.
Ihr Vater lebte mit seiner zweiten Frau Uschi in einem Haus im Westerwald. Mehrere 1000 Bände Belletristik und Sachliteratur standen dort und wollten für den Umzug nach Alfter also erst einmal bewegt werden, und wer je Bücher in Kartons gepackt hat, weiß vielleicht das Gewichtsproblem einzuschätzen. Mehrere Touren mit einem Bulli waren notwendig, um alles nach Impekoven zu befördern.
Michael Mager stattete Pfingsten 2017 die beiden ehemaligen Gästezimmer mit Regalen aus. Erika Mager übernahm das Sortieren: „Darin bin ich schließlich ausgebildet und Profi.“ Sortiert sind die Titel nun alphabetisch nach Autoren, bei Belletristik, oder bei Sachbüchern nach Themen.
Ersten Katalog am C64 getippt
Ihr Vater hatte sich seinerzeit für eine andere Sortierung entschieden. Erika Mager schlägt eines der Bücher auf: Mit Bleistift steht dort „Regal A“ und „5. Brett“. Dort hatte dieses Buch also mal seinen Platz. Der passionierte Büchersammler erstellte seinerzeit auf einem C 64-Computer einen Katalog. Später half ihm seine Tochter mit modernerer Software. Als Klaus Trieglaff im November 2017 mit 81 Jahren starb, wusste er seine Bücher in guten Händen.
Die Sammlung ist breit gemixt. Meist hatte Trieglaff Bücher auf Flohmärkten und in Antiquariaten aufgestöbert. Er war auch Mitglied in diversen Buchklubs. Sein Interesse galt vor allem Geschichten und Berichten mit ausführlichen Naturbeschreibungen, denn solche Erzählungen führten ihn als eifrigen Leser zurück in seine Kindheit, die er in dem kleinen Dörfchen Sternin in Pommern nordwestlich von Stettin auf einem Bauernhof verbrachte – bis zum neunten Lebensjahr.
Seine Mutter Erna floh mit ihm und seinen beiden Geschwistern im Zweiten Weltkrieg nach Bad Segeberg. Der Vater, Ewald, starb im Mai 1945 in russischer Gefangenschaft. Später verschlug es die Familie nach Dormagen, Düsseldorf und schließlich nach Köln. Mutter Erna heiratete 1956 ein zweites Mal und starb 1979. Klaus Trieglaff machte eine Lehre bei Volkswagen, arbeitete aber in der Erdölchemie. Die Töchter Angelika und Erika erlebten die Trennung ihrer Eltern und wie der Vater 1976 ein zweites Mal heiratete und den Westerwald wegen seiner Natur entdeckte, die dem Pommern seiner Kindheit doch so ähnlich sei.
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Erika Mager: „Er war ein sehr verschlossener Charakter, er erzählte nicht viel, schon gar nicht über die Kriegsjahre.“ Die Welt der Bücher wurde zu einer „Parallelwelt“, in der er Zuflucht nahm. Viel gereist sei ihr Vater nie. Dies verbinde ihn mit Karl May, dessen Gesamtwerk von 88 Bänden in der Privatbibliothek zu finden ist – neben Reiseliteratur, historischen Sachbüchern, Heimatgeschichtlichem, Klassikern von Goethe bis Schiller, humorigen Werken, aber auch Liebesromane von Autorinnen wie Hedwig Courths-Maler.
Trieglaff kaufte, was ihm gefiel. „Da war natürlich auch jede Menge Beifang dabei. Stücke, die er einfach so mitnahm. Wenn Sie möchten, können Sie hier auch etwas zur Schweinezucht im 18. Jahrhundert nachlesen“, bietet Erika Mager mit einem Augenzwinkern an.
Die Bibliothek ist also eine wahre Fundgrube. Viele Abende verbringt Erika Mager mit ihrem Mann mittlerweile dort, greift sich gerne wahllos eines der Bücher heraus, macht es sich bei einem Gläschen Wein in einem der lila Sessel gemütlich und stöbert im Text. Ob sie die Bibliothek Gästen öffnet, hat sie bereits überlegt, und auch ein Antiquariat könnte sie sich vorstellen. Aber noch ist die Zeit dafür wohl nicht gekommen.