Köln – Die Mobilität steht vor einer Zeitenwende. Das Ende des Verbrennungsmotors ist eingeläutet. Ab 2035 ist sein Verkauf verboten, so will es die Europäische Kommission. Fahren dann Elektrofahrzeuge, wo heute noch Benziner und Diesel-Pkw unterwegs sind? Eins zu eins sicherlich nicht in deutschen Großstädten. Politischer Wille ist die Mobilitätswende. Das Auto, egal mit welchem Antrieb, soll aus dem Fokus rücken. Zugunsten von Fahrrad, Fußgängern und vor allem des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Wie weit ist Köln mit der Verkehrswende? Wie wird die Zukunft der Mobilität in der Domstadt aussehen?
Der ÖPNV
Er ist der Dreh- und Angelpunkt einer Verkehrswende, da gibt es unter Experten nicht zwei Meinungen. In Köln fällt diese führende Rolle damit den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) zu. Die nehmen diese Rolle auch gerne ein - haben allerdings enormen Nachholbedarf. Die Bahnen sind weitestgehend veraltet. Das Netz der Stadtbahnlinien vor allem außerhalb der Innenstadt zu dünn. Dafür kann der Betrieb nur bedingt. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der ÖPNV vernachlässigt. Unter Sparzwang nutzte die Politik das Geld lieber für prestigeträchtigere Maßnahmen.
Auf die Schnelle kann das Versäumte nicht nachgeholt werden. Der Bau von Stadtbahnlinien dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Stadtbahnen gibt es nicht von der Stange. Dennoch hat die Aufholjagd begonnen. Die KVB will bis 2040 ihren gesamten Fuhrpark ausgetauscht haben. Bei den Bussen wird es nur noch E-Antriebe geben. Bei den Stadtbahnen setzen sie auf Länge, um die Kapazitäten zu steigern. So sind entlang der Linie 1 Züge von 90 Metern Länge geplant, die sich aus einem 60 und einem 30 Meter langen Wagen zusammensetzen. Auf den Linien 4, 12 und 18 sollen sich bis 2029 die Bahnen aus Modulen zusammensetzen, wodurch sich bei Bedarf eine durchgängige Länge bis zu 70 Metern ergibt.
„Wir sind der Mobilitätsanbieter Kölns.“ Die selbstbewusste Aussage der KVB-Vorstandsvorsitzenden Stefanie Haaks ist noch mehr Signal als Bilanz. Und als solches dennoch bewusst gesetzt: Experten gehen davon aus (siehe Interview), die Menschen in den urbanen Zentren werden ein anderes Mobilitätsverhalten annehmen. Diente das Auto als die mobile Grundversorgung und alles andere war Beiwerk, werde sich der Stadtmensch künftig immer mehr breit aufstellen bei der Fortbewegung. Da tut sich ein Markt für Mobilitätsanbieter auf. Der Kunde kann sich nach Bedarf ein Auto oder ein Fahrrad mieten oder nutzt die Bahn - bestenfalls alles aus einer Hand, über eine App oder eine Kundenkarte. Auch darum stellt sich auch die KVB mittlerweile breiter auf: Neben den Klassikern Bus und Bahn mit dem KVB-Rad, durch Kooperationen mit Car-Sharing- und E-Scooter-Anbietern und einen On-Demand-Angebot in schlechter angebundenen Vierteln oder auch im Nachtverkehr. Sie will, und sie muss wohl auch den Markt belegen, denn mächtige Anbieter möchten von außen reindrücken.
Rad gegen Auto
Das Aussehen der Straßen in Kölns Innenstadtbezirk hat sich den vergangenen Jahren deutlich verändert. Das Auto verliert an Raum, und in den allermeisten Fällen zu Gunsten des Fahrrades. In dem regierenden Ratsbündnis von Grünen, CDU und Volt ist darüber ein stetiges Tauziehen entstanden. „Wir müssen den Autoverkehr reduzieren“, sagte im Rundschau-Interview die Grünen Fraktionschefin Christiane Martin. „Wir wollen den Verkehr nicht über Verbote und Sperrungen regeln“, ist ein Zitat von CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. Um nur mal zwei Schlaglichter zu werfen. Im Prinzip geht es in dem Dreier-Bündnis um diese Positionen: Radfahren attraktiver machen als Anreiz, das Auto stehen zu lassen. Das Autofahren verleiden durch zunehmende Hürden. Bis hin zu Autofahren unmöglich machen.
Das drückt sich aus in breiten Fahrradstreifen, die ehemals Autospuren waren, über die Reduktion von Parkplätzen, bis hin zu Gebieten, in denen maximal noch Anwohner mit dem Auto hinein dürfen. Um diesen Positionen einen Rahmen zu geben, hat das Bündnis vorgegeben, dass Kataster erstellt werden. Mit ihnen soll festgelegt werden, auf welchen Routen das Auto dominant bleiben, auf welchen das Fahrrad die Führung übernehmen kann. Im Kern der Stadt wird das schon weitestgehend durch das „Radkonzept Innenstadt“ geregelt. Jedoch, darüber hinaus, oder gar über die Stadtgrenze hinweg wird es immer mehr dunkel: Schnellradwege, die für die größte Gruppe der täglichen Autofahrer, die Pendler, interessant wären, stecken seit Jahren in den bürokratischen Mühlen fest.
Der Schnellradweg Frechen/Köln wird seit nunmehr acht Jahren geplant. Geschaffen davon ist noch nichts. Darüber hinaus ploppt in Köln immer wieder die Diskussion um eine City-Maut auf. Keine Wahlperiode, in der nicht ein Politiker oder gar ein Mitglied der Verwaltungsspitze die Maut im Munde führt. Und das E-Auto? Es spielt in diesen Diskussionen kaum eine Rolle. Bei der Neuverteilung des Straßenraums ist es nämlich letztlich egal, mit welchem Motor das Auto ihn einnimmt. Zudem: Die politische Diskussion spiegelt sich auch 2021 noch nicht vollumfänglich im Verhalten der Bevölkerung wieder. Manch ein Radfahrer scheint zweigleisig zu fahren: Die Zulassungszahlen für Pkw steigen auch in Köln weiter an. Großer Beliebtheit erfreuen sich seit Jahren „Dickschiffe“ der Kategorie SUV.
Die Fußgänger
„Der Fußgängerverkehr wird in Köln stiefmütterlich behandelt“, urteilte Anne Grose in der Rundschau. Sie ist Sprecherin von Fuss e.V., der vergangenes Jahr eine Ortsgruppe in Köln gründete. Eingequetscht zwischen starken Lobbyverbänden für den Fahrrad- und den Autoverkehr bleiben die Belange der Fußgänger oft ungehört. Man denke deren Belange stets mit bei Verkehrsplanungen, behauptet die Stadtverwaltung - und begründet so, dass seit Jahren ein geforderter Fußgängerbeauftragter nicht im Verkehrsdezernat installiert wird.
Andere Städte gehen damit geschickter um, nicht zuletzt Wien. In der österreichischen Hauptstadt weiß man: Ob Rad- oder Autofahrer, Fußgänger sind sie alle. Dort werden Routen in der Stadt als schnelle fußläufige Verbindungen ausgewiesen. Auf breiten Wegen gibt es mit Bänken Möglichkeiten zum Verschnaufen. So wird gefördert, dass die sogenannte letzte Meile - also der nach einer Bahnfahrt und nach dem glücklichen Auffinden eines freien Parkplatzes noch zurückzulegende Weg bis zum endgültigen Ziel - maximal klimaneutral zurückgelegt wird, nämlich zu Fuß. Statt der notwendigen Fuß-Infrastruktur stehen dafür in Köln nicht zuletzt massenhaft E-Roller zur Verfügung. Die versperren oft noch die eh schon nicht optimalen fußläufigen Verbindungen und weisen unter dem Strich eine bedenkliche Öko-Bilanz auf.