AboAbonnieren

Universität zu KölnSo will die Hochschule nachhaltiger werden

Lesezeit 5 Minuten

Im Schulgarten der Universität zu Köln lernen angehende Lehrkräfte Flora und Fauna kennen.

Nachhaltigkeit ist überall gefragt. Erst recht in Kölns „größtem Betrieb" - der Universität zu Köln. Ein Überblick über eine Vielzahl von Initiativen.

Die Universität zu Köln geht unter die Stromproduzenten. Eine große Photovoltaikanlage auf dem Campus der Uni soll demnächst auf dem Dach des Studierenden-Service-Centers installiert werden und in der Woche Strom zum Beispiel für die Physikalischen Institute liefern und am Wochenende ins allgemeine Netz einspeisen. Außerdem werden Hörsäle und Seminarräume seit einiger Zeit nur noch auf 19 Grad geheizt. Leuchtmittel sind zum Großteil auf LED umgestellt und Bereiche mit Sensoren versehen, die mit verkürzten Intervallen das Licht automatisch ausschalten, wenn keiner mehr im Raum ist.

Drei Beispiele von vielen Maßnahmen, mit denen die Universität zu Köln auf einen nachhaltigen Kurs nicht nur in Sachen Klimaschutz und Energiesparmaßnahmen steuert.

Enormer Energiebedarf

Ein Mammutvorhaben, schließlich ist die bundesweit zweitgrößte Hochschule mit ihren rund 51 000 Studierenden, 4700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie 3500 anderen Beschäftigten der größte „Betrieb“ in Köln. Eine Stadt in der Stadt, fast so groß wie Greifswald, mit einem Energieverbrauch an einem Tag wie alle Hürther Haushalte zusammen. Im Jahr 2019 wurden an der Uni (ohne Uniklinikum) etwa 500 000 Quadratmeter Fläche energetisch bewirtschaftet und dabei mehr als 100 000 000 Kilowattstunden verbraucht.

Alles zum Thema Universität zu Köln

Die Hochschule will sich ökologischer, energetisch effizienter aufstellen, mit verstärktem Fokus auf Zukunftsthemen rund um Nachhaltigkeit in Lehre und Forschung, mit mehr Beratung darüber auch für den Unibetrieb an sich. Das jüngst beschlossene Nachhaltigkeitsbüro unterstützt den Prozess.

Der Weg ist noch weit

Angesichts der Herausforderungen ist es allerdings laut Professor Günter Schwarz, Nachhaltigkeitsbeauftragter des Uni-Rektorats, noch ein weiter Weg. „Wir können heute noch nicht sagen, dass wir zum Beispiel 2028 komplett CO2-neutral sind. Aber wir unternehmen auf verschiedensten Ebenen Anstrengungen, die bestehenden Angebote stärker sichtbar zu machen und neue auszubauen, wir bauen gerade ein Energiemanagement auf“, so der Wissenschaftler. „Als öffentliche Einrichtung haben wir aber noch viel zu tun, wir sind auch darauf angewiesen, dass der Gesetzgeber den Rahmen dafür vorgibt“, ergänzt Dr. Pamela Kilian, designierte Leiterin des Nachhaltigkeitsbüros.

Studierende fordern Nachhaltigkeit

Studierende fordern zunehmend und mit Nachdruck ein, Nachhaltigkeitsthemen stärker in die Studienangebote zu integrieren und den Betrieb klimaneutral zu gestalten. Eine der größten Baustellen sei dabei zum Beispiel die Energieeffizienz der vielen Altbauten aus den 60er und 70er Jahren, die nicht mehr den Anforderungen entsprechen. Schwarz: „Wenn es im Winter mal schneit, bleibt dort kein Schnee liegen ...“

Aber die Uni sei auf einem guten Kurs vorwärts, stellte sich 2022 komplett auf Ökostrom um. Sie wird fast ausschließlich mit Fernwärme versorgt.  Eine CO2-Bilanz wurde bereits 2021 erstellt. Die Hochschule ist außerdem seit 2018 als Fairtrade-University zertifiziert und legt in ihren Versorgungsbetrieben Wert auf nachhaltige Produkte.

Im Büroalltag passiert das meiste digital, und wo nötig wird nur noch Recyclingpapier verwendet. Allein die Umstellung des Papiers spart beim Herstellungsprozessrund 2,6 Millionen Liter Wasser und 15 000 Kilogramm CO2 im Jahr. Und die neue Radgarage mit rund 1000 Stellplätzen wird gern genutzt und trägt zum Umstieg vom Auto aufs umweltfreundliche Fahrrad bei.

Lehre und Forschung thematisieren Nachhaltigkeit

An die 80 Lehrveranstaltungen pro Semester sowie zahlreiche Studiengänge und Projekte befassen sich mit nachhaltigen Themenkomplexen. Von Erkundungstouren mit Polarflugzeugen zur Analyse der drastischen Erderwärmung an den Polkappen bis zur wirtschaftswissenschaftlichen Einordnung der Energiemärkte reichen bestehende Forschungsgebiete. Es gibt beispielsweise einen internationalen Masterstudiengang in Environmental Sciences, wo es etwa um das Thema Fracking geht. Die Chemie plant einen Masterstudiengang zur nachhaltigen Materialchemie, Juristen haben ein neues Institut für Nachhaltigkeit, Unternehmensrecht und Reporting gegründet, Meteorologen bauen das neue Zentrum für Erdsystembeobachtung mit dem Forschungszentrum Jülich und der Uni Bonn auf, um Großrechner-gestützte Analysen für Wettervorhersagen durchführen zu können.

Kooperation mit der IHK

Im Rahmen freiwilliger Studium Integrale-Inhalte ist das neue Zertifikat Nachhaltigkeitsmanagement in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) ab 2023 zu erwerben, und mit der geplanten Vorlesung „Digitaler Klimakoffer“ können Studierende Grundlagen der Klimamodellierung lernen. Schon seit Jahren besteht „Momo“, der modulare Modellgarten des Instituts für Biologiedidaktik am Clarenbachkanal. Angehende Lehrkräfte nutzen das Lehr- und Lern-Biotop und erproben beim Ackern und Jäten auch die Wissensvermittlung rund um die heimische Flora und Fauna.

Nachhaltigkeitsbüro ist im Aufbau

Die Universität baut gerade ein Büro für Nachhaltigkeit auf. Als Rektoratsbeauftragter für Nachhaltigkeit hat Professor Günter Schwarz, Professor für Biochemie, die Aufgabe, den weiteren Prozess rund um Wissenschaft und Unibetrieb mit dem Nachhaltigkeitsrat zu steuern, unterstützt durch das neue Nachhaltigkeitsbüro.

Initiative „Green Office“ von Studierenden gestartet

Der 2022 gegründete Rat soll das Rektorat zu Strategien und Umsetzungsmöglichkeiten beraten. Ganz praktisch unterwegs ist in der Sache die 2019 gestartete studentische Initiative „Green Office“, aus der heraus die Idee zum Nachhaltigkeitsbüro entstand, um eine zentrale Koordinierungsstelle zu haben und als Studierende besser beteiligt zu werden, erläutert Lehramtsstudentin Judith Schmidtlein.

Die Umgestaltung hin zu einem nachhaltigen Campusleben steht dabei im Mittelpunkt. Von Vorträgen zu Ernährungsfragen bis zur Begrünung von Außenbereichen oder der Gestaltung und Nutzung von Gemüsebeeten auf dem Camus reichen die Initiativen. Es wurde wieder ein nachhaltiger Weihnachtsmarkt organisiert und die Studierendenvertretung gibt bei der Aktion Food Fair gerettete Lebensmittel für Studierende aus.

Fairtrade-Produkte in der Mensa und Public Climate School

Fairtrade wird auch in den Mensen großgeschrieben: Zertifizierte Produkte wie Schokoriegel, Kaffee und Bananen finden sich im Angebot. „Ziel ist es, den Anteil solcher Produkte auch künftig weiter zu erhöhen“, so die 27-jährige Schmidtlein.

Eine Public Climate School befasst sich in einem bunten Programm mit öffentlichen Veranstaltungen, organisiert Demos und Aktionen wie jüngst parallel zum Weltklimagipfel. Ein großes Anliegen der Lehramtsstudierenden ist es auch, Nachhaltigkeit in den Lehrplänen der Studiengänge und Unterrichtsthemen aufzugreifen und besser zu verankern.