BENSBERG – „Es muss an den Genen liegen“, sagt Walter Löffelsender. „Die ganze Familie ist mit dem Motorsportvirus infiziert. Und das schon in der dritten Generation.“ Der 62-Jährige blickt zärtlich auf einen knallgelben Boliden, blitzblank geputzt, ein „Super V“, der in der schmalen Garage hinten im Hof an der Hebborner Straße steht. Sein Sohn Mark wird den Rennwagen beim Saisonfinale Anfang Oktober auf dem Nürburgring steuern.
Vorn auf der Haube ist in schwarzen Großbuchstaben „Motul“ geschrieben. Das ist der Name, der über einem legendären Kapitel der deutschen Rennsportgeschichte steht. Ende der fünfziger Jahre eröffnete Walter Löffelsender Senior ein Autohaus an der Wipperfürther Straße in Bensberg, gleich hinter dem Schloss. Eines Tages stieß er auf Erich Buchholz, im Bergischen allseits bekannte Autosport-Größe, und gründete mit ihm zusammen den ACBL, den Automobil Club Bergisches Land.
Löffelsender übernahm die Abteilung Rennsport im Club. Irgendwie geriet er an zwei Formel V-Rennautos, die damals von Ferry Porsche aus den USA importiert wurden, und ließ sie bei Rennen auf den Pisten in Zolder, Hockenheim und auf dem Nürburgring starten. „Es waren mehr oder weniger Testfahrten“, sagt Löffelsender junior heute. „Ehrlich gesagt, fuhren wir der Konkurrenz hoffnungslos hinterher.“ Bis Löffelsender und sein kleines Team den Entschluss fassten: „Wir bauen ein eigenes Auto.“ Es war die Geburtsstunde von Motul - Motor Tuning Löffelsender. Der zigarrenförmige Flitzer ging weg wie eine warme Semmel. Löffelsender spezialisierte sich auf den Rennwagenbau und verkaufte 20 Stück europaweit.
1973 kam der große Durchbruch. Inzwischen war Walter Löffelsender Junior in die väterliche Firma eingetreten. Der gelernte Techniker arbeitet in der Werkstatt mit und entdeckte, nicht immer mit väterlichem Segen, seine Neigung zum Steuern der Motul-Produkte auf den Rennpisten. Von einem jungen Talent war bald in der Fachpresse die Rede. 1972 / 73 wurde das Formel V-Reglement umgestellt. Die Löffelsenders hatten die Nase vorn und stellten als erste den komplett neu konstruierten Formel V 1300 in Hockenheim vor. 1973 standen Vater und Sohn in Berlin auf dem Siegertreppchen. Der Senior gewann die Konstruktionsmeisterschaft, weil seine Autos auf allen Rennpisten die meisten Siege einfuhren. Und der Junior holte als Fahrer die Deutsche Meisterschaft. Sein Preis: neben dem Pokal ein Jeans-VW, der heute noch im Familienbesitz läuft und läuft.
Vielleicht war der Junior damals nahe dran, den Traum vom Formel 1-Champion Realität werden zu lassen. Doch es kam anders. 20 000 Mark Sponsorengeld wurden ihm vor der Nase weggeschnappt. Der Senior starb 1974 nach schwerer Krankheit, mit nur 46 Jahren. Der Sohn musste sich um die Firma kümmern. „Pech“, sagt er heute. Immerhin baute und verkaufte Motul danach 30 der begehrten Boliden in einem Jahr. Dabei arbeiteten in der Werkstatt nur vier Mechaniker, die abends von Helfern unterstützt wurden. Löffelsenders vernarbte Hände zeugen noch heute von dieser Zeit.
Dann kam die Energiekrise. Mit dem Motorsport ging es abwärts, Veranstaltungen fielen aus, für Motul gab es kaum noch Aufträge. Ein Automobilclub-Chef bot sich als Retter an. Nachdem er die Firma übernommen hatte, erwies er sich jedoch als das Gegenteil. Der Club war pleite, die Motul-Erfolgsstory zu Ende.
Walter Löffelsender holte seine Meisterprüfung nach und ging zu Ford, wo er im Entwicklungszentrum in Merkenich an Getrieben arbeitete und nach 25 erfolgreichen Jahren in den Ruhestand ging. Für seinen Bruder, der mit Oldtimern handelt, fuhr er gelegentlich ein Rennen.
Eines Tages aber entdeckte seine Freundin im Internet eine Offerte, die ihn elektrisierte: In Bayern bot ein Händler einen der wenigen noch vorhandenen Motul Super V-Rennwagen an.
„Comeback“ auf
dem Hockenheimring
Löffelsender fuhr hin - und kaufte einen Haufen Schrott. Mit seinem rennbegeisterten Sohn, der als Diplom-Ingenieur bei Ford tätig ist, restaurierte er den Wagen in jahrelanger Arbeit und stellte ihn im April auf dem Hockenheim-Ring bei einem Promi-Lauf vor. Beim Saison-Finale in Hockenheim wird der 62-Jährige nicht mehr selbst fahren. „Ich könnte es“, sagt er verschmitzt. „Aber ich schraube. Mein Sohn fährt.“
Seine Tochter Alexandra ist übrigens auch im Motorsport aktiv, sie fährt Safaris sowie Rallyes und hat eine Vertretung für Helme und Sicherheitsausrüstungen. „Diese Familie hat Benzin im Blut“, sagt Walter Löffelsender. Und blickt zärtlich auf den gelben Boliden in der schmalen Garage an der Hebborner Straße.