Doha/Kabul/Washington – Mehr als 18 Jahre nach dem US-Einmarsch in Afghanistan haben die USA und die militant-islamistischen Taliban ein Abkommen über Wege zu einem Frieden geschlossen. In Doha, der Hauptstadt des Golfemirats Katar, unterzeichneten der US-Sondergesandte für Aussöhnung in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, und der Leiter des politischen Büros der Taliban in Doha, Mullah Abdul Ghani Baradar, vor rund 300 geladenen Gästen das Abkommen. Auch US-Außenminister Mike Pompeo war bei der Zeremonie anwesend.
Die mehr als eineinhalb Jahre lang verhandelte Einigung soll einen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan einleiten. Im Gegenzug sollen die Taliban Garantien geben, dass das Land kein sicherer Hafen für Terroristen wird und sie Friedensgespräche mit der Regierung in Kabul aufnehmen.
Afghanistan: US-Truppen sollen reduziert werden
In einem ersten Schritt soll die Zahl der US-Truppen um rund ein Drittel reduziert werden. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung der afghanischen und US-amerikanischen Regierungen hervor, die kurz vor der Unterzeichnung in Doha in der afghanischen Hauptstadt Kabul veröffentlicht wurde. Demnach soll die Zahl der US-Streitkräfte von aktuell zwischen 12 000 und 13 000 binnen 135 Tagen auf 8600 reduziert werden.
Gleichzeitig arbeiteten die USA mit der Nato und anderen Verbündeten daran, die Zahl der Nato-Truppen proportional dazu zu verringern, heißt es in der Erklärung weiter. Die USA und ihre Verbündeten würden alle ihre verbleibenden Streitkräfte innerhalb von 14 Monaten abziehen.
Woche der „Gewaltreduzierung“ als Test
Washington hatte als Voraussetzung für ein Abkommen von den Taliban sieben Tage der „Gewaltreduzierung“ in dem kriegszerrissenen Land verlangt. Die sieben Tage waren um Mitternacht (Ortszeit Afghanistan) zu Samstag abgelaufen. Die Phase verlief lokalen Angaben zufolge zwar nicht gewaltfrei, aber erheblich ruhiger als üblich. Die Woche war als Test angesehen worden, ob die Taliban ihre Reihen kontrollieren können.
US-Präsident Donald Trump teilte am Freitag in Washington mit, beim Einsatz in Afghanistan seien große Fortschritte gemacht worden - aber unter hohen Kosten für US-Truppen, für den amerikanischen Steuerzahler und für das afghanische Volk. Im Wahlkampf habe er dem amerikanischen Volk versprochen, „dass ich damit beginnen würde, unsere Truppen nach Hause zu bringen und zu versuchen, diesen Krieg zu beenden. Wir machen erhebliche Fortschritte bei der Einlösung dieses Versprechens.“
EU lobt wichtigen Schritt im Friedensprozess
Der EU-Außenbeauftragte, der Spanier Josep Borrell, bezeichnete im Namen der Europäischen Union das Abkommen als wichtigen ersten Schritt in Richtung eines umfassenden Friedensprozesses mit innerafghanischen Verhandlungen in dessen Zentrum. „Die Europäische Union erwartet, dass diese, von afghanischer Seite geführten und kontrollierten Verhandlungen ohne Verzögerungen beginnen, in einer inklusiven Weise ablaufen und auf einen dauerhaften Frieden abzielen, der ein Klima von Sicherheit und Stabilität für alle Afghanen schaffen könnte“, sagte Borell unter anderem in einer Erklärung. Der Konflikt brauche eine politische Lösung, die Menschenrechte - Frauenrechte eingeschlossen - respektiere und allgemeine Missstände anspreche.
Die Taliban waren 2001 von einer US-geführten Militärkoalition von der Macht vertrieben worden, nachdem sie den Terrorpaten Osama bin Laden beherbergt hatten. Die USA machten den Al-Kaida-Chef für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich.
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Vor allem seit dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes Ende 2014, der von einem Ausbildungseinsatz abgelöst wurde, haben die Taliban wieder an Stärke gewonnen. Den letzten verfügbaren US-Militärangaben von Oktober 2018 zufolge beherrschte die Regierung nur noch wenig mehr als die Hälfte der Bezirke des Landes. Weitere rund 30 Prozent sind umkämpft. Auch die Bundeswehr ist an dem internationalen Einsatz in Afghanistan beteiligt.
Die USA-Taliban-Vereinbarung ist ein erster Schritt in Richtung Frieden. Es handelt sich im klassischen Sinne nicht um einen Friedensvertrag, weil bisher eine Konfliktpartei, die Regierung in Kabul, fehlte. Gleichzeitig wurden zwei wichtige Punkte für einen dauerhaften Frieden an die innerafghanischen Verhandlungen ausgelagert: ein landesweiter, dauerhafter Waffenstillstand sowie ein Abkommen über die künftige Verteilung der politischen Macht in Afghanistan - also darüber, wie die Taliban politisch eingegliedert werden. Die eigentlichen Friedensgespräche für das Land stehen somit erst noch bevor. Beobachter gehen davon aus, dass es mindestens ein Jahr bis zu einem innerafghanischen Friedensschluss dauert. (dpa)