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Interview mit Vater von Hamas-Geiseln„Ich vermisse meine Familie so sehr, da ist kein Platz für Hass“

Lesezeit 6 Minuten
Yoni Asher bei einer Pressekonferenz im Oktober

Yoni Asher bei einer Pressekonferenz im Oktober

Seit dem 7. Oktober bangt Yoni Asher in Israel um das Leben seiner Frau und seiner beiden Töchter. Rena Lehmann konnte mit ihm per Videokonferenz ein Interview führen.

Seit dem 7. Oktober bangt Yoni Asher (37) in Israel um das Leben seiner Frau und seiner beiden Töchter. Von einem Besuch bei der Großmutter in der Nähe der Grenze zu Gaza sind Doron Katz-Asher (34), Raz (4) und Aviv (2) nicht zurückgekehrt. Später sah der Vater seine Familie in einem Video der Hamas auf der Ladefläche eines Jeeps. Seither ist in Yoni Ashers Leben nichts mehr, wie es war. Rena Lehmann konnte mit ihm per Videokonferenz ein Interview führen.

Herr Asher, wie geht es Ihnen?

Ich vermisse meine Frau und meine Kinder. Ich habe sie seit mehr als 30 Tagen nicht gesehen. Es ist sehr hart, von meinen kleinen Mädchen getrennt zu sein. Und von meiner Frau. Es fühlt sich an, als wären Organe aus meinem Körper genommen worden.

Wie sind Ihre Frau und Ihre Kinder?

Meine Töchter sind strahlende, clevere Mädchen. Meine Frau ist großartig. Sie hat eine erfolgreiche Karriere gemacht und kümmert sich wundervoll um die Mädchen. Wir sind eine ganz normale Familie. Meine Mädchen haben viel Energie, sie lieben es zu rennen, zu spielen und vor dem Fernseher zu tanzen. Sie lieben das Leben, wie jedes Kind.

Wie überstehen Sie das Warten und die Ungewissheit?

Meine Frau und meine Kinder haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Ich habe die deutsche Außenministerin, den deutschen Botschafter in Israel, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Steinmeier getroffen. Sie waren alle sehr bewegt. Ich bin ihnen dankbar, dass sie mich empfangen und mir zugehört haben. Wir sind die ganze Zeit in Kontakt. Ihre Unterstützung ist sehr wichtig für mich. Ich kann nur hoffen, dass ich bald gute Neuigkeiten haben werde.

Ihre Frau und Kinder haben Ihre Schwiegermutter am 6. und 7. Oktober im Kibbuz Nir Oz besucht. Was ist seither geschehen?

Wir wissen seit einigen Tagen, dass die Mutter meiner Frau, Efrat Katz, vor den Augen meiner Frau und meiner Kinder getötet worden sein muss. Auch sie war deutsche Staatsbürgerin, genau wie die 21-jährige Shani Louk, die inzwischen leider tot aufgefunden wurde. Ich denke, dass es wichtig ist, dass die Menschen in Deutschland wissen, was dort passiert.

Wann haben Sie Ihre Familie zuletzt gesehen?

Am Tag, bevor sie ihre Großmutter besuchten. Unser Haus liegt etwa zwei Stunden Autofahrt entfernt von ihrem Haus. Sie wollten eine Nacht dort schlafen. Sie wollten einfach ihre Großmutter besuchen, so wie es Enkel eben tun.

Wann haben Sie mitbekommen, dass etwas nicht stimmt?

Meine Frau hat mich angerufen, als die Hamas schon im Haus war. Sie hatten sich in einem Schutzraum versteckt. Wir hörten auf zu telefonieren, um keine Geräusche zu machen, damit sie sie nicht finden. Bevor sie in den Schutzraum gegangen waren, hatte meine Frau draußen Schüsse gehört. Wir wussten zu dem Zeitpunkt schon, dass etwas Ungewöhnliches vor sich geht. Ich sah Bilder im Fernsehen von Hamas-Leuten 40 Kilometer entfernt von der Grenze, die auf ein Polizeiauto schossen. Meine Frau und die Kinder waren nur drei Kilometer von der Grenze entfernt. Ich dachte bei mir: Wenn sie 40 Kilometer weit vorgedrungen sind, was ist dann drei Kilometer von der Grenze entfernt los?

Was haben Sie dann gemacht?

Es war klar, dass ich nicht hinfahren kann. Ich wäre entweder getötet worden oder die Armee hätte mich auf der Straße gestoppt. Später entdeckte ich meine Frau und meine Töchter in einem Video der Hamas auf der Ladefläche eines Autos. Da war ich sicher, dass sie gekidnappt sind.

Glauben Sie, dass ihre Frau und ihre Kinder am Leben sind?

Ja, ich bin sicher, dass sie leben. Und deshalb gibt es eine Chance, sie zu retten.

Können Sie arbeiten?

Ich bin selbständiger Unternehmer. Aber meine einzige Aktivität ist es jetzt, alles zu tun, um meine Familie zurückzubekommen. Ich habe in zwei Wochen sechs oder sieben Pfund an Gewicht verloren und ich kann kaum schlafen. Es ist sehr schwer zu trinken und zu essen, wenn man nicht weiß, wie es seinen Kindern geht. Sie können nicht essen, wenn Sie nicht wissen, ob sie essen. Sie können nicht schlafen, wenn Sie nicht wissen, ob sie schlafen können oder ihnen vielleicht kalt ist. Ich lebe weiter in unserem Zuhause.

Wie überstehen Sie die Tage?

Ich spreche viel mit Journalisten und Behörden, in Israel und in Deutschland. Aber Sie haben recht, ich kann nicht viel tun. Ich bin hilflos. Ich bin nur ein Mensch mitten in einem Krieg und meine Familie wurde mir weggenommen. Also tue ich, was ich tun kann. Es ist nicht viel. Ich habe mir das nicht ausgesucht.

Sie haben am Brandenburger Tor in Berlin vor 10000 Menschen über ihre Familie gesprochen. Wie war das?

Ein Vater tut alles für seine Familie. Es war mir egal, vor 10000 Menschen zu sprechen. Ich werde tun, was auch immer ich gerade tun kann und muss.

Was kann die deutsche Bundesregierung für ihre Familie tun?

Sie können natürlich nichts versprechen. Die Situation ist sehr kompliziert. Ich denke, sie haben Informationen, die sie aus Sicherheitsgründen nicht mit mir teilen können. Aber ich erkenne, dass die deutschen Behörden sich große Mühe geben, die deutschen Staatsbürger zu befreien.

Ihre Familie befindet sich wahrscheinlich in Gaza, das nun von der israelischen Armee attackiert wird. Wie halten Sie das aus?

Wissen Sie, als Eltern wollen Sie Ihre Kinder immer schützen. Selbst wenn sie auf dem Bett hüpfen, haben Sie Angst, sie könnten fallen und sich verletzen. Natürlich ist es schrecklich für mich zu wissen, dass um sie herum nun Krieg ist. Das ist sehr erschreckend. Krieg ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen Frieden. Ich kann nur hoffen, dass es bald zu Ende ist und sie zurückkehren.

Fühlen Sie Hass auf die Menschen, die Ihnen das angetan haben?

Ich fühle keinen Hass in meinem Herzen. Ich spüre nur ein sehr großes Gefühl des Vermissens. Ich vermisse meine Familie so sehr. Da ist kein Platz in meinem Herz übrig für Hass.

Fragen Sie sich, warum die israelische Armee die Region nicht vor dem Hamas-Angriff schützen konnte?

Natürlich, aber jetzt ist nicht die Zeit für Kritik. Wenn die Zeit gekommen ist, wird kritisiert werden, was kritisiert werden muss. Jetzt müssen Israel und auch die Europäer nach Lösungen suchen. Kritik sparen wir uns für später auf.