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Streit beim EU-GipfelWie sollen all die Kriege und Krisen bezahlt werden?

Lesezeit 3 Minuten
Brüssel: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trifft zu einem EU-Gipfel ein.

Brüssel: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trifft zu einem EU-Gipfel ein.

Wie sollen all die Krisen und Kriege bezahlt werden? Über diese Frage bricht beim EU-Gipfel ein alter Streit neu aus.

Exakt um Mitternacht kam die Meldung aus dem Sitzungssaal in der dritten Etage des Brüsseler Ratsgebäudes: Der EU-Gipfel sei beendet, zumindest Teil eins. Die 27 Staats- und Regierungschefs legten am Donnerstag anders als befürchtet doch keine ihrer berüchtigten Nachtschichten ein – trotz der vollgepackten Agenda in diesen „unruhigen und beunruhigenden Zeiten“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz es tags darauf nannte. Vielmehr wollten die europäischen Spitzen die Botschaft unterstreichen, die von diesem Treffen ausgehen sollte: Die EU kann mit zwei Krisen gleichzeitig umgehen.

Das bekräftigte auch Scholz nach dem Gipfel. Man habe dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj versichert, „dass unsere Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen wird“. Sie werde nicht dadurch beeinträchtigt, „dass wir jetzt dieses bittere neue Problem haben, das durch den furchtbaren, brutalen Angriff der Hamas auf Israel und die Bürgerinnen und Bürger dort entstanden ist“, so der SPD-Politiker. Insbesondere die Länder in Osteuropa befürchten, dass der Nahost-Konflikt den russischen Angriffskrieg überschattet.

Debatte um Israel, Migration und Ukraine

Nachdem sich die EU-Spitzen am Donnerstagabend nach fünfstündiger Diskussionen doch noch auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt hatten, in der sie zu „humanitären Korridoren und Pausen“ in Israels Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen aufriefen, ging es am Freitag unter anderem um Migration und die Ukraine. Man werde dem Land und seiner Bevölkerung so lange wie nötig entschiedene finanzielle, wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische Hilfe leisten, heißt es im Abschlussdokument. Dazu gehöre die Zusicherung anhaltender Waffen- und Munitionslieferungen.

Zudem versprachen die Staats- und Regierungschefs stärkere Anstrengungen, um Russland an der Beseitigung von Kriegsschäden in der Ukraine zwangszubeteiligen, etwa indem eingefrorene russische Vermögen abgeschöpft werden. Allerdings bleibt der Plan umstritten, unter anderem Deutschland verweist auf rechtliche Bedenken.

Frage nach den Kosten kommt auf

Die Frage, die neuerdings über Brüssel schwebt, lautet: Wie sollen all die Krisen und Kriege bezahlt werden? Nach Einschätzung der EU-Kommission ist der Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 ausgereizt. Damit der Gemeinschaft auf lange Sicht das Geld nicht ausgeht, würde deren Präsidentin Ursula von der Leyen gerne zusätzliche 66 Milliarden Euro von den Mitgliedstaaten einsammeln, um unter anderem die Kosten für die Unterstützung der Ukraine, für Anstrengungen in Sachen Migration und die Bewältigung der Energiekrise zu decken.

Bei der ersten Diskussion über diesen Vorschlag offenbarten sich bereits wieder die üblichen Bruchlinien zwischen dem Kreis jener, die mehr Geld fordern, und dem Lager der Sparsamen. Die Geberländer, darunter Deutschland, lehnen eine Aufstockung ab. Natürlich müsse man frische Mittel aufwenden, sagte Scholz. Aber es müsse zugleich auch um „eine Re-Priorisierung und Umschichtung im Haushalt“ gehen. Mit Blick auf die Brüsseler Behörde kritisierte der Kanzler: „Da ist noch nicht sehr viel Arbeit geschehen.“ Für viele Mitglieder sei „wenig einsehbar, dass wir für eine hier getroffene Entscheidung dann Kürzungen in unseren nationalen Ausgabeprogrammen beschließen müssen“.

Auch sein holländischer Kollege Mark Rutte betrachtet die Einsparmöglichkeiten als noch nicht ausgeschöpft. Die drei Schwerpunkte der Niederlande hießen deshalb: „Neu priorisieren, neu priorisieren und neu priorisieren“, so der scheidende Ministerpräsident.

Hinter den Kulissen der EU-Kommission hieß es jedoch, dass es in einigen Hauptstädten „eine falsche Vorstellung von der Flexibilität der Mittel“ gebe. Man könne nicht so einfach Geld von einem Programm in ein anderes bewegen.

Eigentlich soll bis Dezember eine Entscheidung stehen, doch angesichts des traditionellen Streitthemas bleibt es zweifelhaft, ob sich die 27 Länder bis dahin einigen können. Ein Insider fasste den Fortschritt der Gespräche so zusammen: „Wir sind schon weit gekommen, stehen aber noch ganz am Anfang.“