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Scholz-Reise nach SerbienAuf der Suche nach Lithium

Lesezeit 3 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Aleksander Vucic, Präsident von Serbien.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Aleksander Vucic, Präsident von Serbien.

Weißes Gold statt Demokratie: Bundeskanzler Scholz versucht bei einer Reise nach Serbien den Lithium-Hunger der deutschen Industrie zu stillen.

Seit dem Amtsantritt der Ampelkoalition hatte Deutschland den russophilen EU-Anwärter Serbien für dessen demokratische Defizite oft hart kritisiert. Nun mutiert der autoritär geführte Balkanstaat für Berlin wieder zum gefragten Partner. Es ist der Lithium-Hunger der deutschen Automobilindustrie, der Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit dem slowakischen EU-Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic am Freitag zu einer Blitz-Visite nach Belgrad aufbrechen lässt: Mit der Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens zum Import des für die vermehrte Produktion von Elektroautos benötigten Rohstoffs hoffen Brüssel und Berlin, die Abhängigkeit der Branche von China zu verringern.

Die letzten Jahre stand Serbiens autoritär gestrickter Präsident Aleksandar Vucic wegen der Verweigerung der Übernahme der Russland-Sanktionen in Europas Schmuddelecke. Nun könnte die weltweit wachsende Nachfrage nach dem „weißen Gold“ ihn erneut in das von ihm geschätzte Rampenlicht rücken: Gegen Widerstände der Bevölkerung will er mit der Unterstützung der EU und Berlins den australisch-britischen Konzern „Rio Tinto“ im westserbischen Jadartal eines der größten Lithium-Bergwerke des Kontinents betreiben lassen. Mit der geplanten Jahresproduktion von 58000 Tonnen Lithium im Jahr könnte das Bergwerk schon ab 2028 fast ein Fünftel des prognostizierten Jahresbedarfs von Europas Automobilindustrie abdecken.

Lithium ist Serbiens Trumpfkarte

Bereits vor zwei Jahren hatte Belgrad das umstrittene Projekt zu verwirklichen versucht. Doch ungekannt heftige Proteste und Autobahnblockaden von Umweltschützern und Anwohnern, die eine Gefährdung der Grundwasserreserven fürchten, hatten Vucic damals die Pläne vorläufig auf Eis legen lassen. Schien Vucic damals der innenpolitische Preis zu hoch, sind es außer winkenden Milliardeneinnahmen nun auch außenpolitische Kalkulationen, die ihn das Projekt mit Hilfe der von seiner Partei SNS kontrollierten Justiz wieder haben aufwärmen lassen: Mit dem Lithium hat er gegenüber den EU-Partnern eine neue Trumpfkarte in der Hand. Denn seit Beginn des Ukrainekriegs ist Putin-Freund Vucic im Westen zunehmend isoliert.

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In der Ära der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Berlin den vom Ultranationalisten zum erklärten Pro-Europäer mutierten Vucic zwar noch als Hoffnungsträger für eine Lösung des Kosovo-Problems hofiert. Doch der vermeintliche Feuerwehrmann sollte sich bald als einer der hartnäckigsten Zündler in der konfliktreichen Region erweisen: Die westliche Erwartung einer Aussöhnung mit den Nachbarn hat der gewiefte Strippenzieher bitter enttäuscht. Mit Wahlmanipulationen, Mediengängelung und einer gelenkten Justiz ist Belgrad in Berlin genauso auf harte Kritik gestoßen wie mit der Verweigerung der Russlandsanktionen oder dem bewussten Schüren der Dauerspannungen mit den früheren Kriegsgegnern Kroatien, Kosovo und Bosnien.

Umgekehrt war die kräftige Abkühlung der deutsch-serbischen Beziehungen mit ebenso kräftigen wie undiplomatischen Belgrader Schienbeintritten gegen die Regierungspolitiker eines der wichtigsten Auslandsinvestoren gepaart. Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschuss im Bundestag, sei „kein Herr“, sondern der „größte Serbenhasser“, polterte Populist Vucic zu Jahresbeginn nach dessen Kritik an den von massiven Manipulationen überschatteten Stadtratswahlen in Belgrad.

Vucic: Nichts Gutes über Baerbock

Über Außenministerin Annalena Baerbock und deren Arbeit denke er „nichts Gutes“, bekannte Vucic nach der Verabschiedung der von Berlin initiierten und von Belgrad abgelehnten UN-Erklärung zum Völkermord in Srebrenica bei einem TV-Auftritt im Mai. Roth hatte bei seiner Westbalkanreise Ende Mai noch erklärt, dass der Bundestag „unter den gegenwärtigen Umständen niemals für einen EU-Beitritt Serbien stimmen“ werde: Vucic zerstöre die europäische Zukunft seines Landes.

Sein Parteifreund Scholz dürfte bei seinem Lithium-Trip nach Belgrad bei hingegen eher auf diplomatisches Süßholzraspeln setzen. Umweltschützer und Oppositionspolitiker werfen Berlin vor, bei dem EU-Anwärter ein zweifelhaftes Großprojekt zu unterstützen,. Scholz komme nach Belgrad, um in Serbien den „gesetzwidrigen Abbau von Lithium abzusichern“, wettert Umweltaktivist Savo Manojlovic. Nicht nur die Demokratie, sondern auch die europäischen Werte würden mit den Füßen getreten. (dpa)