Bundeskanzler Olaf Scholz scheiterte an Kriegen, Krisen und Rückschlägen, die seine Politik durchkreuzten, trotz Fähigkeiten und Entschlossenheit.
„Pechvogel“ Olaf ScholzFünf Gründe für das vorzeitige Aus des Bundeskanzlers
„Schönen Dank!“ – das ist seit drei Jahren der Abschiedsgruß von Olaf Scholz. Doch zuletzt hielt sich die Dankbarkeit für seine Arbeit bei den übrigen Parteien in Grenzen: Die Union stempelte Scholz schon früh zum „Gesicht des Scheiterns“. Ex-Finanzminister Christian Lindner schiebt ihm die Wirtschaftskrise in die Schuhe. Zur Wahrheit gehört: Scholz’ kurze Amtszeit war von Kriegen, Krisen und Rückschlägen geprägt, die seinen Plan für Deutschland immer wieder durchkreuzt haben. Auch wenn Mitgefühl keine politische Kategorie ist und eben nur zählt, was hinten rauskommt, sei Scholz an dieser Stelle ein großer Pechvogel genannt. Er hätte ein erfolgreicherer Kanzler werden können – wenn fünf Dinge nicht passiert wären:
1. Söder und CDU-Kollegen erzwingen die Impfpflicht
Der Streit um eine allgemeine Impfpflicht gegen das Corona-Virus war die erste Belastungsprobe für die Ampel. Die Regierung war ein paar Wochen im Amt, da wetterte die FDP schon gegen die Pläne von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Auch die Union attackierte Lauterbach und Scholz für den geplanten Impf-Zwang. Wenige Wochen zuvor hatten sich Markus Söder und die CDU-Ministerpräsidenten allerdings noch selbst dafür gefeiert, die Impfpflicht erzwungen zu haben.
Der Titel einer CDU-Erklärung vom 1. Dezember 2021 lautet: „CDU-Länderchefs überzeugen Scholz“. Erster Punkt auf der Erfolgsliste: „Es soll die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht vorbereitet werden“. Schon eine Woche vorher hatte Söder die Impfpflicht eingefordert, weil sie „die größte Freiheit“ schaffe und den „gesellschaftlichen Frieden“ sichere. Es kam anders, kaum dass die Inzidenzen sanken: Das Impfen wurde zum ersten Spaltpilz der Ampel und vergiftete das Koalitionsklima quasi von Tag eins an. Wirklich gewollt hatte Scholz die Impfpflicht nie.
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2. Putins Krieg gegen die Ukraine
Dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine bis heute mit seinem brutalen Angriffskrieg überzieht, hat die Scholz’sche Amtszeit überschattet wie nichts anderes. Die Zeitenwende-Rede am 27. Februar 2022 – drei Tage nach Beginn des Krieges – gehört zu den größten Leistungen des Kanzlers: Konsequent, entschlossen und doch auch besonnen trat er auf und kündigte seinen Landsleuten an, dass vieles nicht so bleiben werde wie zuvor. Die gewaltigen Dimensionen der Zeitenwende für Deutschland und den Kanzler: Das billige russische Gas sollte den Ausstieg aus Kohle und Atomkraft ermöglichen und die Lücke bei Wind- und Solarkraft schließen. Aber der russische Gashahn wurde zugedreht. Das ist eine der Ursachen für die Wirtschaftskrise und damit auch für das Scheitern der Ampelregierung.
Putins Drohungen für den Fall einer stärkeren militärischen Unterstützung der Ukraine lassen Scholz wie einen Angsthasen aussehen und haben sein Leader-Image auf der internationalen Bühne beschädigt. Der Streit über Taurus-Lieferungen hat seine Autorität auch in der Ampel untergraben. Interessante Fußnote: Auch Friedrich Merz ist gerade von seinem Versprechen abgerückt, der Ukraine Taurus zu liefern, nachdem er Scholz deswegen jahrelang Zaudern vorgeworfen hatte. Vielen in der SPD geht die militärische Unterstützung aber schon zu weit. Und ohne diplomatische Erfolge wirkt das Friedenskanzler-Label, mit dem Scholz Wahlkampf machen will, wenig überzeugend.
3. Das Schuldenbremsen-Urteil vom Bundesverfassungsgericht
Als das Bundesverfassungsgericht der Scholz-Regierung am 15. November 2023 – vor 13 Monaten – 60 Milliarden Euro entzog, hatte sich die Ampel schon durch den Streit über das Heizungsgesetz wundgerieben. Ein Kardinalfehler bei der Wärmewende war, dass erstmal nur die Zumutungen ausgewalzt wurden, statt den erschrockenen Hausbesitzern sofort Unterstützung für den Heizungstausch bereitzustellen. Und in dieser Phase schlug der Hammer aus Karlsruhe einen so dicken Brocken aus dem Ampel-Haushalt, dass der Koalition die Geschäftsgrundlage abhandenkam. Der von den Richtern für unrechtmäßig erklärte Plan, nicht genutzte Corona-Mittel in die Modernisierung des Landes zu stecken, stammte von Scholz höchstpersönlich. Die falsche Einschätzung, die Schuldenbremse erlaube die Umbuchung, ist einer der ganz wenigen Fehler seiner Amtszeit, die Scholz selbst einräumt.
Hätte man es besser wissen müssen? War Scholz leichtsinnig? In der CDU, aus deren Reihen ja geklagt worden war, waren viele überrascht vom Urteilsspruch. Und Wolfgang Schäuble warnte, das Urteil werde das Regieren künftig für alle schwieriger machen.
4. FDP blieb stabil in der Todeszone
Scholz’ Amtszeit wäre auch eine andere gewesen, wenn die FDP nicht permanent mit Untergangsängsten zu kämpfen gehabt hätte. Eine Landtagswahl nach der anderen verloren die Liberalen. In Umfragen für die Bundestagswahl liegen sie stabil unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde und damit mitten in der Todeszone. Ob es anders gekommen wäre, wenn Christian Lindner die Hardcore-Libertären von der Palme geholt hätte? Wenn die FDP mehr Energie darauf verwendet hätte, die eigenen – und respektablen – Erfolge in der Regierung zu feiern, anstatt über die Regierungspartner herzufallen? Als gesichert darf gelten, dass es neben der Sorge um die Wirtschaft auch das Bangen um die eigene Existenz war, die Lindner und seine Leute dazu trieb, den Rauswurf durch Olaf Scholz zu provozieren.
5. Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus
Zu Scholz' Erfolgen zählt, dass er früh ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zum mächtigsten Mann der Welt etabliert hat. Was Joe Biden und Scholz gemein haben, was womöglich ihre gute Beziehung erst ermöglichte: Beide sind Anti-Populisten. Allerdings hat Biden gesundheitlich so rapide abgebaut, dass der Partner im Weißen Haus plötzlich zum Ballast wurde. Nicht der amerikanische Freund, nicht dessen demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris regieren künftig die USA, sondern der republikanische Populist Donald Trump. Die Rückkehr Trumps verstärkt den Eindruck, Berlin sei international isoliert und stehe partnerlos im Abseits.
Hätte es jemand anderes besser gemacht? Scholz selbst rühmt sich auch nach dem Platzen seiner Ampel, der Coolste von allen zu sein. Damit liegt er nicht falsch. Wer selbst dann die Contenance bewahrt, wenn einem die eigenen Leute ein Bein stellen wollen, wie die SPD in der K-Frage, hat sagenhafte Nehmerqualitäten. Scholz’ Coolness ist allerdings auch ein großes Manko: Denn Gefühle erzeugen, das will und das kann der Kanzler nicht. Und deswegen fremdeln die Deutschen bis heute mit ihm.
Bei aller Unbeliebtheit des Anti-Populisten muss zu seiner Abwahl dennoch die Frage gestellt werden: Hätte jemand anderes das Land besser durch die drei Krisenjahre gesteuert? Stünde Deutschland mit einer von Armin Laschet, Markus Söder oder Friedrich Merz, von Robert Habeck oder Alice Weidel angeführten Regierung heute stärker, geeinter, friedlicher da? Eine Antwort darauf gibt es nicht. Aber wem die Leute zutrauen, den Job in den kommenden Jahren besser zu machen, und dazu gehört, auch in künftigen Krisen verlässlich und cool zu bleiben, der wird am 23. Februar wohl zum neuen Bundeskanzler gewählt.