Das Land NRW verzeichnet einen starken Anstieg an Messergewalt, insbesondere unter jungen und nicht-deutschen Tätern. Reul stellte einen Zehn-Punkte-Plan vor.
NRW-InnenministerReul stellt „Zehn-Punkte-Plan“ gegen Messergewalt vor
„Nicht das Messer macht den Menschen zum Mörder, sondern der Mensch, der es benutzt, macht daraus eine Waffe“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch bei der Vorstellung der Fallzahlen und eines neuen „Konzeptes zur Bekämpfung der Messergewalt im öffentlichen Raum“. Die Lage gibt offenbar Anlass zur Sorge.
Wie ist die Lage?
Einem neuen Lagebild zufolge ist die Messergewalt im vergangenen Jahr im öffentlichen Raum in NRW um fast 43 Prozent auf 3.540 Fälle gestiegen. Dabei starben 15 Menschen. In rund 35 Prozent dieser Fälle wurde niemand verletzt, sondern „nur“ mit einem Messer bedroht. „Aber auch das macht was mit einem Menschen“, sagte Reul. Schon die Drohung könne Todesängste auslösen. Im Jahr 2019, als in NRW die Erfassung dieser Delikte begann, war die Zahl der Messer-Straftaten übrigens mit 3420 schon einmal fast so hoch wie im vergangenen Jahr. In der Pandemiezeit gingen die Zahlen deutlich zurück.
Wer sind die Täter?
Fast die Hälfte der ermittelten Tatverdächtigen (48 Prozent) war laut dem Lagebild jünger als 21 Jahre. 8,4 Prozent waren Kinder bis 13 Jahre, jeder Vierte (25,6 Prozent) war im jugendlichen Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Die Zahl der tatverdächtigen Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden stieg zwischen 2022 und 2023 um etwa 50 Prozent. 1440 Messer-Tatverdächtige (45 Prozent) hatten 2023 nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, 55 Prozent hatten den deutschen Pass. Im Vergleich zum Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung in NRW, ist der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen „überproportional hoch“, wie Reul sagte. Unter den Tatverdächtigen Ausländern waren 23,2 Prozent syrische Staatsbürger, es folgten Türken (10,2 Prozent) und Iraker (7,7 Prozent).
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Wer sind die Opfer?
Im vergangenen Jahr wurden in NRW 4708 Opfer von Messerangriffen gezählt – ein Anstieg um fast 45 Prozent im Vergleich zu 2022. Die meisten Opfer sind männlich (82,4 Prozent). Etwa 30 Prozent der Opfer sind Jugendliche und Heranwachsende, etwa 40 Prozent zwischen 21 und 40 Jahren alt. Schwer verletzt wurden nur etwa sechs Prozent der Opfer, meist blieb es bei einer Bedrohung, so die Statistik.
Was sind die Ursachen?
Innenminister Reul nannte am Mittwoch vier „Erklärungsversuche“. Erstens: Das Messer diene – aus Unsicherheit oder Angst – zur Selbstverteidigung. „Deutschland ist ein friedliches Land, und Selbstjustiz gibt es hier auch nicht. Wenn etwas passiert, rufen Sie bitte die Polizei“, sagte Reul. Punkt zwei seien Erfahrungen mit Gewalt im Heimatland oder auf der Flucht. „Dass man sich woanders auf der Welt, wo die 110 nicht funktioniert und Rechtsstaatlichkeit ein Fremdwort ist, selbst schützen muss, kann ich mir erschließen. Aber hier ist das nicht notwendig und nicht gewollt“, so Reul. Dritter Grund seien kriminelle Freunde – und der vierte der „kulturelle Faktor“, wie Reul sagt. „Unter den Tatverdächtigen ohne deutschen Pass sind Tatverdächtige aus dem arabischen Raum öfter vertreten als Menschen aus anderen Kulturkreisen. Sich zu bewaffnen, hat sicher auch etwas mit Männlichkeitsgehabe zu tun. Nach dem Motto: Seht her, ich bin stark, ich kann kämpfen, ich bin ein richtiger Mann. Diese Art von Männlichkeit passt nicht in unsere Gesellschaft.“
Was will NRW dagegen tun?
Reul legte einen „Zehn-Punkte-Plan“ vor, auf den die Polizeibehörden vor Ort je nach Notwendigkeit zurückgreifen könnten, so die Landesregierung. Es soll mehr „Aktionstage“, geben, an denen Messer verboten sind, zum Beispiel auf Ausgehmeilen. In Köln, Düsseldorf, Bonn, Achen und Bochum habe man damit schon gute Erfahrungen gemacht. Polizisten in Uniform sollen in Flüchtlingseinrichtungen erklären, dass es hier keinen Grund gebe, mit einem Messer herumzulaufen. Waffentrageverbote für „Intensivtäter“ sind Teil dieses „Werkzeugkastens“. Vorbild ist Dortmund, wo es schon 91 dieser Verbote gibt. Zudem soll es mehr Waffenverbotszonen -- Beispiel ist die Düsseldorfer Altstadt – in NRW geben. Mit der „strategischen Fahndung“ soll die Polizei ihre Möglichkeit nutzen, vorübergehend und in einem bestimmten Gebiet Personen gezielt auch außerhalb von Waffenverbotszonen zu kontrollieren. Die mobile Videoüberwachung soll verstärkt genutzt werden. Sie habe eine „stark präventive, abschreckende Wirkung“, meint die Landesregierung. Messer-Tätern könne außerdem der Führerschein entzogen werden, wenn sie nach Einschätzung der Behörden charakterlich nicht geeignet seien, ein Auto zu fahren. Schließlich sollen nach allen Straftaten, bei denen ein Messer benutzt wurde, Beschuldigte persönlich von der Polizei vernommen werden. Bisher müssen diese Personen oft nur einen per Post zugestellten Vernehmungsbogen ausfüllen.
Hat die Polizei das Personal?
„Wir haben nie genug Polizisten, aber wir bekommen nun mehr. Wir sind erstmals seit Jahren wieder im Plus“, sagte Reul. Wenn eine Polizeibehörde einen Schwerpunkt auf die Messerkriminalität legen möchte, könne sie sich auf den Rückhalt des Ministers verlassen. Auch, wenn dann weniger Personal zum Beispiel für den Kampf gegen Einbruchkriminalität zur Verfügung stünde.