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Interview mit Armin Laschet„Wer in Deutschland lebt, steht in besonderer Verantwortung für den Holocaust“

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Armin Laschet (CDU)

Armin Laschet (CDU)

CDU-Außenpolitiker Armin Laschet ist erschrocken über das Ausmaß der Unterstützung für die Palästinenser und den Judenhass, der dabei nicht selten mitschwingt.

Armin Laschet war 2021 Kanzlerkandidat der CDU, seine Karriere in höheren Ämtern begann er aber einst als erster Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen. Nach dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten hat der frühere Ministerpräsident wenig Verständnis für Pro-Palästinenser- Demos in Deutschland.

Herr Laschet, überrascht Sie das Ausmaß der Unterstützung für die Palästinenser hierzulande?

Es erschreckt mich sehr. Es hat nach früheren Bombardements des Gaza-Streifens immer wieder auch Proteste gegeben. Aber jetzt ist die Lage doch eine völlig andere. Die Hamas hat schrecklichste Massaker begangen. Sie haben ihre Taten gefilmt und sich im Internet damit gebrüstet. Jeder kann die Gräueltaten sehen. Dass es trotz eines solchen Massakers mit 1400 Toten als erste Reaktion nur Solidarität mit der Hamas in dieser aggressiven Form gibt, wie wir sie bei uns in Neukölln erlebt haben, erschreckt mich. Es erschreckt mich auch, dass sich junge Deutsche vor das Auswärtige Amt setzen und brüllen: „Befreit Palästina von Deutschlands Schuld“. Das ist Höcke-Sprech von links. Man hat kein Verantwortungsbewusstsein mehr für die Shoa. Dass das Holocaust-Mahnmal an einem Abend gestürmt werden sollte und schwer gesichert werden muss, das hat es bisher nicht gegeben. Das nimmt Formen an, die mich wirklich beunruhigen.

Erst zwei Wochen nach dem Anschlag der Hamas gab es eine Kundgebung in Berlin, auf der 10000 Menschen ihr Mitgefühl für Israel ausdrückten. Kam das zu spät und hätten Sie mehr Beteiligung erwartet?

Nein, die Beteiligung war in Ordnung. Aber man sieht, dass sich auf der pro-palästinensischen Seite erschreckenderweise sehr viel mehr Menschen mobilisieren lassen. Und das jeden Abend.

Kann man von Bürgern erwarten, dass sie Zivilcourage gegen Judenhass zeigen?

Man kann sicher nicht erwarten, dass sich ein normaler Bürger in Neukölln den arabischen Gewalttätern entgegenstellt. Dafür ist die Polizei mit hoher Präsenz da. Aber man kann in öffentlichen Diskussionen seine Stimme erheben. Und man kann jüdischen Familien, die Angst haben, Zuspruch geben. Man kann auf vielfältige Art und Weise seine Solidarität beweisen, ohne sich in Gefahr zu begeben.

Auf pro-palästinensischen Demonstrationen mischt sich Solidarität mit den Palästinensern mit islamistischem Aktivismus. Kann das toleriert werden?

Die vielen Tatbestände der Volksverhetzung und der Verherrlichung von Gewalt werden geahndet. Wer zum Hass gegen Juden aufruft, muss Konsequenzen spüren. Wer nur eine Duldung hat, muss dann auch sofort ausgewiesen werden. Wir brauchen hier eine ganz andere Herangehensweise. Wer in Deutschland lebt, steht in einer besonderen Verantwortung für Auschwitz, für den Holocaust. Wer das nicht akzeptiert, kann hier nicht bleiben. Mich verstört aber noch etwas anderes.

Was denn?

Dass bei einer pro-palästinensischen Demonstration „Queers for Palestine“ mitlaufen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Man möchte sich nicht vorstellen, was mit einem Menschen aus der LGBTQ-Szene, der sich nur eine Stunde im Herrschaftsgebiet der Hamas aufhält, passieren würde. Die Hamas ist ein Scharia-Staat, ein Islamischer Staat auf anderer Ebene. Sie werden es nicht überleben, mit einer Regenbogenfahne durch Gaza zu laufen. Diese Leute kritisieren hier Menschen dafür, dass sie den Gender-Stern nicht setzen, demonstrieren aber für Islamisten in Gaza. Man kann die Besatzungspolitik Israels kritisieren, aber es ist das einzige Land der Region, wo Diversität und Demokratie gelebt werden.

Friedrich Merz hat gesagt, für Flüchtlinge aus Gaza seien die Nachbarstaaten zuständig. Deutschland habe genug antisemitische junge Männer. Sehen Sie das auch so?

Wer Antisemit ist, hat hier keinen Platz. Das muss man schon bei der Einreise von Flüchtlingen klären. Ich habe selbst sehr oft die griechische Insel Lesbos besucht, wo sehr viele Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg gelandet sind. Auch auf Lesbos werden jetzt anti-jüdische Parolen gerufen. Diese Leute müssen identifiziert und zurück in die Türkei gebracht werden, so wie es das EU-Türkei-Abkommen ja auch vorsieht. Sie sind hier nicht willkommen.

Sie sind Leiter des Abraham Accords Institutes in Deutschland. Die Abraham Accords sind eine Initiative zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn. Steht der Prozess, bei dem bisher vier arabische Länder mitmachen, nun vor dem Scheitern?

Das Besondere an den Abraham Accords ist, dass 2020, nach 50 Jahren Feindschaft und Krieg, zum ersten Mal vier weitere arabische Länder den Staat Israel anerkannten. Das haben zuvor nur Ägypten und Jordanien getan. Die Idee regionaler Integration ist nicht gescheitert. Sie ist die Zukunft für den Frieden.

Was bewirken Sie konkret?

Wir holen arabische Jugendliche nach Deutschland und erklären ihnen den Holocaust. Der Holocaust ist in keinem arabischen Land in den Schulen ein Thema. Meine Einschätzung ist, dass die Hamas den Terroranschlag jetzt verübt hat, um den Prozess der Annäherung zu stören. Es gab die Hoffnung, dass Saudi-Arabien im Frühjahr auch den Abraham Accords beitritt. Für mögliche neue Mitglieder wird das jetzt noch schwieriger. Auf den Straßen dieser Länder wird ja genauso demonstriert wie hier. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Marokko und Sudan bleiben aber dabei. Sie haben die Taten der Hamas klar verurteilt. Das ist ein Unterschied zu vielen anderen.

In den vergangenen Jahren wurde der Nahost-Konflikt nur eingehegt, aber keine Anstrengung mehr für seine Lösung unternommen. Sehen Sie jetzt eine?

Ich könnte mir als optimistischer Mensch vorstellen: Wenn man jetzt die Hamas zerschlägt und die Region erkennt, dass es mit Terrorismus nicht weitergeht, dann wird auch Israel substanzielle Schritte gehen können, um eine neue Lösung für die Palästinenser zu finden. Aber das ist allenfalls ein Zukunftsszenario. Jetzt muss es darum gehen, die Hamas zu zerschlagen.

Die Bundesregierung setzt sich in der EU dafür ein, nicht auf eine sofortige Waffenruhe inzuwirken, sondern die Hamas zu bekämpfen. Halten Sie das für richtig?

Ja, man muss jetzt ein für alle Mal die militärische und terroristische Struktur der Hamas zerstören. Wer jetzt einen Waffenstillstand fordert, sichert die Strukturen der Hamas.