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Harsche Kritik aus dem Ausland„In Berlin sollten einige Köpfe rollen“

Lesezeit 4 Minuten
06.03.2024, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK)

06.03.2024, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK)

Abhörskandal, Nein zu Taurus-Lieferungen: Vor allem die Briten und Franzosen reiben sich derzeit an Olaf Scholz.

Im europäischen Ausland gerät Olaf Scholz wegen seiner Ukraine-Politik immer stärker in die Kritik. Die beharrliche Weigerung des Bundeskanzlers, Taurus-Marschflugkörper an Kiew zu liefern, stößt in Paris wie in London auf zunehmendes Unverständnis. Auch das Leck bei der Bundeswehr werten die Partner nun als gefährlichen Zwischenfall, der zeige, dass Deutschland das schwächste Glied in der Nato sei.

In Großbritannien dienen Nachrichten vom Kontinent eigentlich kaum noch als Aufreger. Nachdem aber bekannt wurde, dass die Russen ein Gespräch deutscher Offiziere abgehört und den Mitschnitt veröffentlicht haben, schaffte es Scholz tatsächlich auf die Titelseiten britischer Zeitungen – begleitet von ungewöhnlich harscher Kritik. „Wir wissen, dass Deutschland von russischen Geheimdiensten unterwandert ist, und das ist nur ein Beweis dafür, dass es weder sicher noch zuverlässig ist“, urteilte Ex-Verteidigungsminister Ben Wallace. Und der Kommentator der Zeitung „The Times“ verlangte: „In Berlin sollten einige Köpfe rollen.“

Beunruhigt reagierten die Briten zuletzt vor allem darauf, dass in dem geleakten Telefonat erneut behauptet wurde, das Königreich habe einige Leute im Kriegsgebiet, um seine an die Ukraine gelieferten „Storm Shadow“-Marschflugkörper einsatzbereit zu machen. Schon vorige Woche wüteten in Westminster Politiker verschiedener Couleur, als dies Scholz erstmals in der Öffentlichkeit andeutete. Aus dem Regierungssitz in der Downing Street hieß es, man betrachte die Aussagen als „sehr ernste Angelegenheit“. Der SPD-Mann sei „der falsche Mann im falschen Job zur falschen Zeit“, schimpfte Wallace.

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Experte: Kanzler verstößt gegen ungeschriebenes Gesetz

Der Kanzler habe gegen das ungeschriebene Gesetz unter den Nato-Partnern verstoßen, bei solchen Einsätzen weder die Anwesenheit noch den Standort von eingesetzten Truppen öffentlich zu machen, sagte der ehemalige britische Nato-Beamte Jamie Shea unserer Redaktion. Den langfristigen Schaden des „peinlichen“ Leaks schätzte er jedoch als eher gering ein. „Deutschland ist ein zu wichtiger Verbündeter, um daraus einen bilateralen Vorfall zu machen.“

Derweil erfuhr die Achse Paris – Berlin neue Erschütterungen, erneut ausgelöst durch eine Aussage von Präsident Emmanuel Macron. Die Aufregung um seinen Vorstoß von letzter Woche, er schließe den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht aus, war noch nicht abgeklungen, da legte er nach. „Wir nähern uns mit Sicherheit einem Moment in Europa, in dem es gilt, nicht feige zu sein“, sagte er am Dienstag. „Man will nie die Dramen vorhersehen, die kommen.“

Meinte er damit etwa Scholz, weil der der Ukraine keine Taurus-Marschflugkörper liefern will und der Bodentruppen-Idee eine klare Absage erteilt hat? Immerhin folgt der Deutsche damit der Linie der Nato. Generalsekretär Jens Stoltenberg betont gebetsmühlenhaft, dass das Militärbündnis keinerlei Pläne habe, Soldaten in die Ukraine zu entsenden, auch wenn die Partner das kriegsgebeutelte Land „in noch nie dagewesener Weise“ unterstützten. Die Allianz will unbedingt vermeiden, in einen größeren Krieg mit dem atomar bewaffneten Russland hineingezogen zu werden. Gleichwohl hindert die einzelnen Nato-Mitglieder nichts daran, sich einzeln oder in Gruppen an einem solchen Unterfangen zu beteiligen. Die Organisation selbst würde sich jedoch nur engagieren, wenn alle 32 Verbündeten zustimmen.

Obwohl es aus dem Umfeld des Präsidenten hieß, Macrons Satz habe sich nicht auf Scholz bezogen, wurde die Retourkutsche von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius durchaus vernommen. Der sagte am Rande eines Besuchs in Schweden, Diskussionen über mehr oder weniger Mut seien „etwas, das nicht wirklich dazu beiträgt, die Probleme zu lösen“. Die Spitzen zeigen: Die oft gerühmte deutsch-französische Achse ist stark belastet.

Atommacht Frankreich will Russland im Unklaren lassen

Hinzu kommt, dass sich mit Blick auf den Ukraine-Krieg unterschiedliche Positionen herauskristallisieren. Frankreich als einzige Atommacht in der EU pflegt die „strategische Ambiguität“, um Russland im Unklaren darüber zu lassen, wozu es bereit ist – Stichwort Bodentruppen. Zugleich hinkt die französische Militärhilfe zahlenmäßig im Vergleich deutlich hinterher. Appelle aus Berlin, mehr zu liefern, verärgerten Macron. Ausgerechnet die, die vor zwei Jahren nur Schlafsäcke und Helme angeboten hatten, forderten nun mehr?

Die Abhöraffäre sowie Scholz’ Andeutung bezüglich der Präsenz von Briten und Franzosen in der Ukraine wurde zwar von offizieller Seite kaum kritisiert. Doch „Le Monde“ kommentierte, beides sage etwas über Deutschland und sein Führungspersonal aus: „Ihr Verhältnis zum Krieg bleibt irreal, unbequem, grenzt sogar an Verweigerung.“