Die Ampel wollte den großen Ketten ein flächendeckendes Angebot vorschreiben – Warum die Branche davon wenig hält, erklären wir hier.
E-MobilitätTankstellen mauern bei Schnellladesäulen für E-Autos
Rund 154000 öffentlich zugängliche Ladepunkte gab es Ende Dezember in Deutschland, jeder fünfte davon ein Schnellladepunkt. Bis 2030 sollen es eine Million sein, hatte sich die Ampelkoalition vorgenommen. An Tankstellen findet man Schnelllademöglichkeiten indes weniger häufig vor, als man vermuten würde: Derzeit bietet rund jede zehnte eine an.
Die Bundesregierung wollte diese Zahl per Gesetz deutlich erhöhen: Ein Entwurf des Verkehrsministeriums vom vergangenen Frühjahr sieht vor, dass große Tankstellenbetreiber – genauer: Unternehmen, die „die Preissetzungshoheit an mindestens 200 Tankstellen“ ausüben – ab dem 1. Januar 2028 an jeder dieser Tankstellen zumindest eine Schnellladesäule installiert haben müssen.
Gesetzentwurf liegt vor
Diese Verpflichtung hätte „rund ein Dutzend Unternehmen betroffen, die zusammen mit rund 8800 Tankstellen beinahe zwei Drittel aller Tankstellen in Deutschland betreiben“, heißt es vonseiten des Ministeriums. Hätte – denn der Gesetzentwurf liegt zwar bereits im Bundestag, dass er aber bis zur Wahl noch beraten oder gar verabschiedet wird, ist mehr als fraglich.
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Der Branchenverband en2x, dem unter anderem große Tankstellenketten wie Shell, Esso, Jet oder Avia angehören, bekennt sich zwar zum Hochlauf der Elektromobilität – lehnt das Ampel-Vorhaben aber vehement ab. Denn: Eine Tankstelle sei nicht zwingend immer der beste Standort für eine Schnellladesäule, argumentiert der Verband; das Gesetz berge die Gefahr von Fehlinvestitionen an unrentablen Standorten.
Denn die bereits installierten öffentlichen Ladepunkte sind nur sehr mäßig ausgelastet – im Schnitt sind es 14,5 Prozent, mit erheblichen standortbedingten Unterschieden. Bei einer Investitionssumme von bis zu 500000 Euro für einen ersten Schnellladepunkt sei ein kostendeckender Erlös für den Betreiber „selbst mittelfristig noch nicht erwartbar“, argumentiert der Verband. Ab wann eine Schnellladesäule profitabel ist, ist schwer zu sagen und hängt nicht zuletzt vom jeweiligen Bezahlmodell ab. Der von Autobauern gegründete Schnellladepunkt-Betreiber Ionity nannte in einem FAZ-Interview eine Auslastung von 20 bis 25 Prozent, in der Regel halten sich Anbieter diesbezüglich eher bedeckt.
Mehr als 400 Millionen Euro investiert
Die Branche sei zudem bereits in Vorleistung gegangen, die Mitgliedsunternehmen hätten laut en2x inzwischen mehr als 400 Millionen Euro investiert und ein deutlich höheres Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur vorgelegt als der öffentliche Bereich. Und längst sei auch der rechnerische Bedarf mehr als gedeckt: Laut der bundeseigenen NOW GmbH, die Förderungen im Bereich der klimaneutralen Mobilität koordiniert, sei für 18 bis 22 E-Autos ein öffentlicher Ladepunkt ausreichend. Tatsächlich müssen sich in Deutschland derzeit nur zehn E-Autos einen Ladepunkt teilen.
Ausbautempo lässt nachDementsprechend hat sich das monatliche Zuwachstempo bereits verlangsamt. So sind im November noch gut 1100 neue öffentliche Ladepunkte hinzugekommen – ein Jahr zuvor waren es mehr als dreimal so viele. Obwohl die Auslastungsquote 2023 sogar noch deutlich niedriger war als heute: Mitte des Jahres, als gerade die Schallmauer von 100000 Ladepunkten durchbrochen worden war, lag sie bei gerade einmal 11,6 Prozent.
Gibt es also zu viele Ladesäulen im Land? Nein – da sind sich Experten, Regierung und auch die Autoindustrie einig. „Das Allerwichtigste, um die E-Mobilität hierzulande wieder in Schwung zu bringen, sind Ladesäulen, Ladesäulen, Ladesäulen und Netze, Netze, Netze“, formulierte es die Präsidentin des Autoindustrieverbands VDA, Hildegard Müller, in einem Interview mit unserer Redaktion.
E-Auto-Flaute fordert Handeln
Heißt: Nicht trotz, sondern gerade wegen der anhaltenden E-Auto-Flaute gilt der konsequente Ausbau der Ladeinfrastruktur als Voraussetzung, um mehr Stromer auf die Straßen zu bringen. Und Tankstellen seien „in besonderem Maße geeignet, einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele zu leisten“, heißt es im Gesetzentwurf. Und: „Die Verpflichtung von Tankstellenunternehmen, für die Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur zu sorgen, ist geboten.“ Förderprogramme seien „nicht geeignet, die Zielerreichung gleichermaßen zu gewährleisten“.
Zu diesen Förderprogrammen zählt unter anderem das „Deutschlandnetz“, mit dem der Bund die Installation von 9.000 Schnellladepunkten an 1.000 Orten unterstützen will. Darin sieht en2x wiederum die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung.
Verbraucherseite stärken?Was also tun? Um den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur voranzubringen, müsse auch „die Verbraucherseite gestärkt werden“, teilt en2x unserer Redaktion mit – etwa bei der Einrichtung von Ladepunkten auf Mietparkplätzen. Der Verband plädiert auch dafür, dass „Kommunen und (halb-)öffentliche Unternehmen mehr Flächen zur Verfügung stellen“. Außerdem müssten Netzanschlussverfahren bundesweit vereinheitlicht und bürokratische Hürden abgebaut werden.
Denn die können auch beim Bau einer Schnellladesäule an einer existierenden Tankstelle hoch sein. So berichtet etwa Aral von einem Fall in NRW, in dem sich der Genehmigungsprozess über drei Jahre hinzog. Und in einem anderen Fall habe die zuständige Kommune zunächst ein Lärmschutzgutachten eingefordert – bei einer Tankstelle, die an einer sechsspurigen Autobahn liegt.