Die Linke drohte in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, verlor viele Wähler an AfD und BSW. Nun wähnt Jan van Aken seine Partei im Aufwind. Den Grund sieht der Co-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl vor allem in wachsenden sozialen Problemen.
Linken-Politiker Jan van Aken„Viele können sich jetzt wieder vorstellen, die Linke zu wählen“
![Jan van Aken, Bundesvorsitzender der Partei Die Linke](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/06/30cb2ef0-6ffb-45bc-9011-88f4b1c45ead.jpeg?q=75&q=70&rect=0,0,4000,2250&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=3b8ceefd340b4fe4a9dc0beeb6682d63)
Jan van Aken, Bundesvorsitzender der Partei Die Linke
Copyright: dpa
Für die Linke mit ihren Spitzenkandidaten Jan van Aken und Heidi Reichinnek geht es seit Wochen langsam, aber stetig bergauf. Kurz vor der Wahl liegt die Partei in manchen Umfragen wieder über der Fünf-Prozent- Hürde. Nur ein Zwischenhoch?
Linken-Wahlkämpfer fragen die Menschen an der Haustür als erstes: „Was stört Sie am meisten?“. Was wird da geantwortet?
Zu hohe Mieten auf Platz eins, dann folgen zu hohe Lebensmittelpreise und auf Platz drei kommt, „Die da oben machen doch eh, was sie wollen“. Deswegen legen wir da unseren Fokus drauf. Dreimal am Tag sage ich „Mietendeckel“ und „Preise runter“.
Alles zum Thema Bundestagswahl
- Newsblog zur Bundestagswahl BSW pocht auf Einladung zur ARD-Wahlsendung und ruft OVG an
- Wahlplakate zerstört CDU-Bundestagskandidat in Rhein-Erft beklagt „kriminelle Gewalt“
- Übersicht Mehr als 40 Karnevalszüge im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis
- Digitale Entscheidungshilfe Wahl-O-Mat startet rekordverdächtig – 9 Millionen Nutzungen
- Bundestagswahl 2025 Stimmzettel für den Rhein-Erft-Kreis kommen nun doch rechtzeitig
- Bundestagswahl Hier gibt es alle wichtigen Meldungen zur Wahl in Oberberg
- Bundestagswahl 2025 PdF als Wahl-O-Mat-Ergebnis – Darum kommt die Partei häufiger raus
Sie sprechen von 18.000 neuen Mitgliedern seit dem Abgang von Sahra Wagenknecht und ihren Anhängern, dümpeln aber seit einem Jahr zwischen 3 und 4 Prozent herum. Wie passt das zusammen?
Ich glaube, das ist völlig normal. Wir sind inzwischen wieder richtig lebendig, haben uns verjüngt und erneuert. Aber bis das draußen ankommt und die Menschen uns das glauben, dauert es. Wir merken schon seit ein paar Monaten, dass sich der Wind gedreht hat und die Linke wieder im Aufwind ist. Und jetzt zeigen das auch die Umfragen: Gerade kam übrigens die erste Umfrage heraus, bei der wir über die 5 Prozent kommen. Es wird!
Mit der Spitzenkandidatin Wagenknecht – Ihrer Vorgängerin – kam die Partei schon nicht mehr auf über 5 Prozent. Hätten Sie die Linke 2021 gewählt?
Ja, ich kannte den Laden ja von innen. Aber wenn ich nur von außen gesehen hätte, wie sich eine Spitzenkandidatin auf Kosten der eigenen Partei aufspielt, wahrscheinlich nicht. Wir hören gerade von sehr vielen Menschen, dass sie sich jetzt wieder vorstellen können, die Linke zu wählen.
Die Linke hat damals nicht nur Mitglieder, sondern auch Wähler an das BSW verloren. Bekommen Sie diese Wähler zurück?
Ich glaube ja. Für die Ukraine eine vernünftige Friedensposition zu haben, ist kompliziert. Sahra Wagenknecht macht es sich einfach, indem sie die Kremlposition wiedergibt. Das wollen viele gar nicht. Die Menschen wollen eine starke, friedliche Position.
Gerade in Ostdeutschland wollten die Wähler zuletzt aber lieber das BSW. Auch wegen dessen Haltung zu Russland.
Man darf es sich da nicht zu einfach machen. Ich habe viele Veranstaltungen in den ostdeutschen Bundesländern gemacht. Verbreitet ist bei den Menschen eine emotionale Verbundenheit mit Russland. Das ist ein Gefühl. Man mag das Land, hat Freunde, kennt die Menschen. Weil das so emotional ist, kann man dieses Gefühl mit populistischen Aussagen schnell ansprechen. Aber da geht es um Russland, nicht um Putin.
Auf die Wähler in Ostdeutschland war die Partei immer angewiesen. Müssen Sie dann auch populistischer werden?
Es gibt einen guten Populismus und einen schlechten. Der schlechte arbeitet mit Lügen und Fake News, macht Versprechen, die er nicht halten kann. Ein guter Populismus ist, eine richtige Position klar und einfach rüberzubringen.
Sind Sie ein „guter Populist“?
Ich finde mich da ziemlich gut drin. Aber immer alte linke Schule: Die Fakten müssen stimmen, man lügt nicht.
Protestwähler haben längst neue Heimaten gefunden. Sind Sie noch eine Protestpartei?
Protestwähler verliert man immer. Auch wir. Dafür sind wir schon zu lange dabei. Aber eine Protestpartei sind wir trotzdem noch. Wir wollen verändern. Ob im Parlament oder auf der Straße. Viele denken, dass man dafür in der Regierung sein muss. Aber in der Opposition kann man auch viel erreichen. Beim Mindestlohn haben wir auch lange Druck aufgebaut, bis er irgendwann umgesetzt wurde.
Gefühlt noch länger fordert die Partei den Nato-Austritt. Ist das angesichts des Ukraine-Krieges noch zeitgemäß?
Wir wollen keinen Austritt, wir wollen sie durch ein kooperatives Sicherheitssystem ersetzen. Die Nato ist keine Wertegemeinschaft, sondern ein knallhartes militärisches Bündnis, das selbst völkerrechtswidrige Kriege führt. Das wird aber sicher noch länger dauern als gedacht, weil das nicht ohne Russland geht und dem Kreml aktuell keiner trauen kann.
Sie wollen gerade im sozialen Bereich viel mehr Leistung für weniger Geld anbieten. Wo die Fachkräfte dafür in einer alternden Gesellschaft herkommen sollen, steht im Wahlprogramm aber nicht.
Doch, da müsste etwa für die Pflege ein Beispiel von 300.000 Menschen stehen, die voll ausgebildet sind und zurückkehren würden, wenn sich die Bedingungen bessern. Außerdem hätten wir schon viel gewonnen, wenn alle, die herkommen, arbeiten dürften. Das ist eines der absurdesten Systeme überhaupt. Wir haben Arbeitskräftemangel, Menschen, die hierher geflohen sind, wollen arbeiten, dürfen das aber häufig nicht, und dann klagen wohlhabende Teile der Bevölkerung, dass diese Menschen so teuer sind.
Wie oft werden Sie denn mit dem Thema Migration im Wahlkampf konfrontiert?
Oft.
Und dann kommen Sie als Spitzenkandidat, der einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung fordert und sich gegen die Abschiebung selbst von Straftätern stark macht. Wie ist die Reaktion denn da?
Das Gespräch verläuft anders. Wenn jemand gleich sagt, „die Migranten sind schuld und ich wähle die AfD, fertig“, versuchen wir trotzdem ins Gespräch zu kommen. Wir fragen dann, welches andere Problem es noch gibt. Dann kommen die ganzen sozialen Probleme zum Vorschein. Und dann fragen wir, warum man da dann nach unten treten möchte, statt nach oben zu boxen. Da kriegen wir dann schon Zustimmung. Deswegen wählen uns die Menschen noch nicht. Aber es ist ein Anfang. Und das Gespräch kann man nur erreichen, wenn man nicht gleich auf Konfrontation geht.
Sie teilen auch kräftig gegen Vermieter aus. Übersehen Sie, dass manche Menschen ihre Immobilien als Altersvorsorge brauchen?
Bei Menschen über 60 stehen statistisch 1,8 Privatvermieter etwa 9,8 Mietern gegenüber. Die Alterssicherung der einen geht da auf Kosten der Altersarmut der anderen, denn steigende Mieten sind das größte Armutsrisiko.
In ausgewählten Großstädten wollen Sie Mieterhöhungen sogar komplett stoppen. Sind Sie eine Großstadtpartei?
Mieten sind nicht nur ein Problem der Großstädte. Wenn Sie in Greiz in Südthüringen mit den Menschen sprechen, haben die vielleicht selbst kein Problem mit den hohen Mieten. Aber ihre Kinder, die zum Studieren nach Erfurt oder Jena ziehen, schon. Es sind davon viel mehr betroffen als man denkt.
Im Programm der Linken spielt auch der Klimaschutz eine große Rolle. Haben Sie die Befürchtung, mit Ihren Ambitionen auf diesem Gebiet Wähler zu verschrecken?
Wenn man versucht, Klimaschutz zu machen, ohne soziale Nöte zu bedenken, hat man die Mehrheit gegen sich. Da haben uns die Grünen in den vergangenen Jahren einen Bärendienst erwiesen. Vor fünf Jahren wurde das Klima-Thema noch breit getragen. Das ist jetzt komplett im Eimer, weil die Grünen nicht sozial denken können. Klima-Maßnahmen sind richtig. Aber man muss sie von unten denken und darf arme Menschen damit nicht zusätzlich belasten.
Das Klima lässt sich aber nicht nur im Privathaushalt retten. Und die Autobranche in Deutschland ächzt jetzt schon.
Die haben Geld, das sie für die Umstellung auf sparsame Autos gebraucht hätten, an die Aktionäre ausgezahlt. Die Transformation der Autobranche muss staatlich gesteuert werden. Und jetzt, wo vielleicht der Markt in den USA wegfällt: Wieso sollte VW nicht anfangen, Straßenbahnen zu bauen? Das kann der Staat fördern, indem er der Industrie eine Abnahmegarantie gibt. Klappt bei der Rüstungsindustrie ja auch. Und was mit Panzern geht, sollte mit Straßenbahnen auch funktionieren.