„Nicht sympathisch“ – Der Parteivorsitzende der CDU Friedrich Merz hat besonders bei jungen Frauen ein Imageproblem. Kann er das noch ändern? Experten raten davon ab, es zu versuchen.
Rundschau-Debatte des TagesIst Friedrich Merz „für Frauen unwählbar“?
Friedrich Merz hat als Parteivorsitzender der CDU mehr für die Frauen in seiner Partei getan als Angela Merkel. Ausgerechnet er, der gern als Mann von gestern beschrieben wird, führte eine Frauenquote ein. Wenn man mit CDU-Frauen über Merz spricht, schwärmen sie geradezu. Davon, wie er in Runden dafür sorgt, dass den Frauen zugehört wird. Davon, dass er das Fernbleiben von einer Vorstandssitzung wegen eines Kindergeburtstages nicht als Makel, sondern als Selbstverständlichkeit betrachtet. Dass er ihre Themen wirklich wichtig findet. „Auf die Frauen kommt es an“, schrieb der 69-jährige Parteichef erst kürzlich in seinem Newsletter.
Das hat er nicht immer so gesehen. Merz-Biograf Daniel Goffart erklärt, dass Merz vor seiner Rückkehr in der Bundespolitik vor allem in einer Männerwelt von Aufsichtsräten und seiner (männlich dominierten) CDU-Fanblase unterwegs war. Seit er 2021 Parteivorsitzender wurde, habe er allerdings eine „steile Lernkurve“ hingelegt. Von seiner Entscheidung von 1997, gegen einen Gesetzentwurf zu stimmen, nach dem die Vergewaltigung in der Ehe ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden sollte, hat er sich distanziert. „Ich würde heute anders abstimmen“, sagt Merz inzwischen.
„Er hat schnell gelernt, dass Themen wie Gleichberechtigung, Gender Pay Gap wichtig sind und auch eine Sensibilität im Auftritt gefragt ist“, attestiert sein Biograf. Trotzdem, stellt Goffart fest, sei Merz eben ein „fast Zwei-Meter-Mann, sehr selbstgewiss und schneidig und wirkt deshalb gelegentlich von oben herab“. „Das macht ihn besonders für Frauen nicht sympathisch“, ist Goffart überzeugt.
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Friedrich Merz ein rückwärtsgewandter „Alphamann“?
Hinzu kamen Auftritte, die an der Lernkurve Zweifel aufkommen ließen. „Friedrich Merz ist für Frauen unwählbar“, befand nicht etwa die taz, sondern eine Kommentatorin im „Handelsblatt“, nachdem Merz in einem Interview mit Verweis auf die gescheiterte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) feststellte, man habe „den Frauen keinen Gefallen getan“, das Kabinett von Olaf Scholz paritätisch zu besetzen. Für die Autorin der Beleg, dass Merz trotz aller Bemühungen der letzten Monate ein „gesellschaftspolitisch rückwärtsgewandter Alphamann“ ist.
Unabhängig von solchen Einschätzungen lohnt ein Blick auf die Zahlen. Merkel wurde 2017 noch von deutlich mehr Frauen als Männern gewählt. Eine Umfrage von RTL wies Merz zuletzt im aktuellen Wahlkampf als klaren Favoriten der Männer aus, Habeck hat in der Frage, wer Kanzler werden sollte, bei den Frauen die Nase vorn. Olaf Scholz würden etwa gleich viele Männer wie Frauen wählen. Die weibliche Kanzlerkandidatin Alice Weidel von der AfD schneidet bei den Frauen am schlechtesten ab.
Merkel hat Wähler links der CDU angesprochen
Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Politischen Akademie in Tutzing, sieht für Merkels Erfolg bei Frauen denn auch differenzierte Gründe, bei denen das Geschlecht eine untergeordnete Rolle spielt. „Merkel hat es grundsätzlich geschafft, Wählerkreise jenseits der CDU anzuziehen. Sie hat auch Wähler links der CDU mobilisiert. Durch ihren Kurs hat die Partei aber auch Wähler enttäuscht und verärgert.“
Man dürfe Merz nicht mit Merkel vergleichen, sondern mit den aktuellen Spitzenkandidaten der anderen Parteien. „Ich habe den Eindruck, dass der gesamte Wahlkampf der Grünen darauf abzielt, weibliche Wähler zu gewinnen. Mit Ausnahme von Robert Habeck ist aber kein anderer Kandidat dabei, der Frauen besonders stark anspricht.“ Es sei, so sagt Münch, für jede Partei auch ein Risiko, im Wahlkampf gezielt bestimmte Gruppen anzusprechen – weil man damit auch immer andere verprellt. Siehe Angela Merkel.
Selbst Donald Trump war für Frauen nicht unwählbar
Dass Frauen Frauen wählen ist seit der US-Wahl jedenfalls gründlich widerlegt. Die Kandidatin der Demokraten Kamala Harris galt als Favoritin unter weiblichen Wählern. Donald Trump, von dem es vulgäre Zitate über Frauen gibt und der wegen sexueller Übergriffe verurteilt wurde, galt für moderne Frauen als unwählbar. Harris adressierte Frauen in den letzten Wochen vor der Wahl mit einem Wahlkampf, in dem sie sich für das Recht auf Abtreibung und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzte. In der Nachwahlbefragung stellte sich dann heraus, dass auch für Frauen die Themen Wirtschaft und Inflation wahlentscheidend waren. Harris lag bei den weiblichen Wählern am Ende nur knapp vor Trump – und verlor die Wahl insgesamt deutlich.
Experten raten Merz von Imagewechsel ab
Was heißt das für Friedrich Merz? Daniel Goffart hält einen „Imagewechsel“ fünf Wochen vor der Wahl weder für möglich noch für ratsam. „Merz sollte authentisch bleiben. Er ist so, wie er ist. Und muss dabei akzeptieren, dass er insbesondere unter jungen Frauen wenig Zuspruch hat.“ Bei dieser Wahl, ist Goffart überzeugt, würden Frauen wie Männer in erster Linie Menschen wählen, denen sie zutrauen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Wichtiger als Sympathie sei die Kompetenz, die aktuellen Probleme zu lösen.
Bei der CDU reagieren manche Frauen inzwischen gereizt, wenn man sie auf das Dauer-Thema „Merz und die Frauen“ anspricht. „Es muss ja niemand mit ihm in den Urlaub fahren“, sagt eine führende CDU-Frau. Und ein „Womanizer“ sei Olaf Scholz doch wohl auch nicht.