„Angela Merkel kommt!“ Immer wieder ruft das ein Junge aufgeregt seinen Mitschülern zu. Schülerinnen und Schüler, die vom Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium und vom Schiller-Gymnasium eigentlich auf dem Weg nach Hause sind, halten ihre Räder an. „Bitte die Straße freimachen“, wiederholt freundlich aber bestimmt eine Polizistin, die im Nieselregen auf- und ab geht. Die Signierstunde der ehemaligen Bundeskanzlerin in der Buchhandlung „Der andere Buchladen“ im Weyertal in Sülz ist eine Mischung aus unaufgeregt schmuddeligem Dezembernachmittag und großem Ereignis.

Kurz bevor um 15.22 Uhr eine dunkle Limousine mit Berliner Kennzeichen mitten auf der Straße anhält, hat sich eine beträchtliche Menschenmenge angesammelt. Nicht nur an die einhundert Schülerinnen und Schüler, sondern auch viele Passanten warten. Wie ein Lauffeuer hat sich die Nachricht verbreitet. Rund um die alteingesessene Buchhandlung ist eine Menschentraube.

Mehr als hundertköpfige Schlange

Vor der Buchhandlung: Eine mehr als hundertköpfige Schlange von Menschen, die eines der kostenlosen Tickets für die Signierstunde ergattert haben. Ganz vorne: Ein 52-Jähriger aus Münster. Er ist extra mit dem Zug angereist, damit Angela Merkel ihr Buch „Freiheit“ für ihn signiert. „Ich hatte mir das Buch schon bei Amazon bestellt. Als ich dann von der Signierstunde erfahren habe, habe ich es wieder zurückgeschickt“, sagt er.

Maximal zwei Bücher pro Person

Die Regel bei der Signierstunde: Angela Merkel wird nur Bücher, die in der Buchhandlung zum Preis von 42 Euro erstanden wurden, signieren. „Sie wird auch keine Widmung reinschreiben, nur ihren Namen“, weiß der Münsteraner. Und Selfies soll es auch nicht geben. „Ich versuche seit 2016, ein Foto mit ihr zu machen“, verrät der Fan.

„Es ist erst die dritte Signierstunde, die Angela Merkel gibt. Davor gab es das in Berlin und Stralsund“, erklärt ein 27-Jähriger, der mit seiner Oma aus Recklinghausen angereist ist. Er weiß auch, dass signierte Bücher der 700-Seiten Merkel-Memoiren mit dem Titel „Freiheit“ bei Ebay für 350 Euro verkauft worden sein sollen.

Recklinghäuser Oma kommt mit Enkel

„Sie war die mächtigste Frau der Welt. Ich finde es toll, eine echte Merkel-Unterschrift zu haben“, begründet die Recklinghäuser Oma, warum sie nach Köln gekommen ist. „Bei der Lesung heute Abend in der Flora signiert sie nicht“, ist die Information eines mittelalten Manns aus Mönchengladbach. Maximal zwei Bücher darf jeder kaufen und signieren lassen.

Breit gefächertes Interesse

Peter Liesenhoff, Personalratsvorsitzender im NRW-Ministerium der Finanzen, hat den Auftrag, den zweiten Band, den er kaufen möchte, für seinen Chef, den Minister Marcus Optendrenk (CDU), mitzubringen. Das Interesse an Angela Merkels Buch ist extrem breit gefächert. In der Schlange: das Rentnerpaar aus Bergisch Gladbach ebenso wie die elegante Kölner Immobilienentwicklerin oder alternativ gekleidete Studierende. „Sie war gefühlt mein ganzes Leben lang Kanzlerin. Und ich fand sie gut, obwohl sie in der CDU ist“, sagt Josepha, eine 22-jährige Studentin.

Memoiren erschienen

Merkel über Merkel – So persönlich wurde sie noch nie

Von

Rena Lehmann

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Dass Merkel souverän auf den Menschenauflauf reagiert, wundert keinen. Immer wieder hebt sie lächelnd die Hand als sie abgeschirmt durch Begleiter durch die Menge Richtung Buchhandlung geht. Kaum eineinhalb Minuten in der Menge, dann ist sie im Laden. „Ich hab sie!“, rufen aufgeregt einige Jungen. Mohamed, ein sehr hochgewachsener 14-Jähriger, hat ein Video gedreht. „Guck mal: Cool!“ „Alter, ey.“ „Ey, Diggah.“ Die Schüler kommentieren aufgekratzt, sie drücken sich noch kurz die Nase am Schaufenster der Buchhandlung platt, dann gehen sie nach Hause. Merkel wird am Abend in der Flora aus ihrem Buch lesen.