Nach dem Bruch in Berlin führt SPD-Mann Alexander Schweitzer in Rheinland-Pfalz die letzte Ampel-Koalition. Wir haben mit ihm gesprochen.
Alexander Schweitzer (SPD)„Ich weiß FDP und Grüne einzuschätzen“
Erst wenige Monate ist Alexander Schweitzer Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz – und nun Chef der einzig verbliebenen Ampel-Koalition Deutschlands. Wie seine SPD dem Wahlkampf mit Olaf Scholz entgegensieht und warum er es gut fände, wenn der Bundestag jetzt noch Abtreibungen legalisiert, erklärt er im Interview mit Rena Lehmann.
Haben Sie schon darüber nachgedacht, Ihre Ampel in Rheinland-Pfalz umzubenennen? Der Name ist doch verbrannt, oder?
Es ist eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung mit starken Partnern von Grünen und FDP. Wir haben in Rheinland-Pfalz eine lange Tradition der Zusammenarbeit mit beiden Parteien. Wir hatten schon sozial-liberale Koalitionen und eine rot-grüne Koalition. Ich weiß FDP und Grüne einzuschätzen. Wir stehen hinter den Kompromissen, die wir gemeinsam finden. Ich bin stolz darauf, dass wir eine so handlungsfähige Regierung haben. Und wir nennen sie weiterhin Ampel.
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Warum hat Olaf Scholz nicht geschafft, was Sie schaffen?
Olaf Scholz hat dem Drehbuch der FDP am Ende nichts mehr entgegensetzen können. Wenn ein Partner nicht mehr will, nützen auch die beste Diplomatie und Moderation nichts mehr. Wenn ein Partner irgendwann nur noch ein taktisches Verhältnis zur eigenen Koalition hat, dann ist das eine innere Kündigung.
Einer der ersten, die nach Boris Pistorius als SPD-Kanzlerkandidat gerufen hat, war der Abgeordnete Joe Weingarten aus Rheinland-Pfalz. Müssen Sie die Genossen im Land in den Wahlkampf für Scholz tragen?
Es ist gut, dass es entschieden ist. Jetzt hilft nur noch die typische rheinland-pfälzische SPD-Geschlossenheit, um erfolgreich zu sein. Wir sind total motiviert.
Olaf Scholz müsse jetzt zeigen, wohin er das Land bringen will, haben Sie gerade in einem anderen Interview gefordert. Was schwebt Ihnen da konkret vor?
Olaf Scholz muss jetzt die Aufholjagd wiederholen, die ihm auch schon 2021 gelungen ist. Er hat starke Nerven und ist eine Führungspersönlichkeit, die in diese Zeiten passt. Er unterstützt die Ukraine, aber stürzt uns nicht in Abenteuer.
Was bedeutet der bundespolitische Stillstand bis zu einer neuen Regierung für Ihr Bundesland?
Ich werbe dafür, dass die Union im Bundestag den Abbau der kalten Progression nicht verhindert, damit wir den Negativ-Effekt abschaffen, der dazu führt, dass Gehaltserhöhungen durch einen höheren Steuertarif aufgefressen werden. Davon würden Millionen Familien zum 1. Januar profitieren. Es gibt dafür eine Mehrheit im Bundestag. Das sollte unbedingt noch beschlossen werden.
Die Rest-Ampel in Berlin aus Grünen und SPD will vor der Neuwahl des Bundestags im Februar noch den Schwangerschaftsabbruch legalisieren. Halten Sie das für eine gute Idee?
Ich bin davon überzeugt, dass der Schwangerschaftsabbruch nicht ins Strafgesetzbuch gehört. Frauen sollten in einer so schwierigen Lebenssituation selbstbestimmt entscheiden können und nicht länger kriminalisiert werden. Es ist klug und richtig, dass es für die Abschaffung des Paragrafen 218 jetzt noch eine Initiative im Bundestag gibt. Das sollte nicht dem früheren Wahltermin zum Opfer fallen.
Es sollte mal einen Deutschland-Pakt zwischen Bund und Ländern geben, um für große Themen wie Migration gemeinsam Lösungen zu finden. Bräuchte es dafür nach der Wahl einen neuen Anlauf?
Die Bilanz der Bundesregierung kann sich beim Thema Migration wirklich sehen lassen. Keine andere Bundesregierung zuvor hat mehr zur Bekämpfung der illegalen Migration getan. Es ist ihr gelungen, in Europa endlich einen Konsens für eine gemeinsame Europäische Asylpolitik zu erreichen. Hier hat Olaf Scholz einen jahrelangen Reformstau erfolgreich bewältigt. Die Maßnahmen wirken, die Flüchtlingszahlen gehen zurück. Wir brauchen die konsequente Umsetzung auf allen Ebenen, aber keine neuen Beschlüsse.
Die Schuldenbremse für die Länder ist strenger als die für den Bund. Sie dürfen so gut wie gar keine neuen Schulden machen. Ist eine Reform notwendig?
Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse im Bund, weil sie inzwischen Wachstum verhindert. Alle Volkswirtschaften, die derzeit wachsen, kennen dieses Instrument gar nicht. Niemand kann übersehen, dass es ganz offensichtlich einen Zusammenhang gibt. Mir ist nicht klar, welche Position die Union eigentlich vertritt. Mal zeigt Friedrich Merz Offenheit für eine Reform, dann wieder nicht. Da muss er vor dem Wahltermin schon klar sein.