AfD-Chef Chrupalla nennt den CDU-Asylantrag im Interview mit dieser Zeitung ein Wahlkampfmanöver, kritisiert Merz' Strategie und besteht auf nationalen Interessen.
AfD-Parteichef Chrupalla„Auf Merz’ billige taktische Tricks fallen wir nicht herein“
Für die AfD ist die gemeinsame Abstimmung mit der Union über eine Verschärfung der Asylpolitik ein unverhoffter Triumph. Aber kann eine Partei salonfähig werden, die zur Remigration aufruft, trotz Ukraine-Krieg wieder Putins Gas kaufen will und die menschengemachte Erderwärmung leugnet? Darüber hat Tobias Schmidt mit Parteichef Tino Chrupalla gesprochen.
Sie haben dem CDU-Antrag zum Stopp der irregulären Migration zur Mehrheit verholfen – und damit auch für die Formulierung gestimmt, die AfD sei eine „Gefahr für Sicherheit, Stabilität und Wohlstand“. Sind Sie Friedrich Merz in die Falle getappt?
Nein, denn wir haben den Maßnahmen zugestimmt, weil sie sich mit unseren Forderungen decken, die wir seit Jahren stellen. Merz wollte uns mit den Anti-AfD-Formulierungen ausgrenzen und die Zustimmung verhindern. Uns geht es aber um eine andere Politik, weil die Bürger das erwarten. Wir haben allerdings persönliche Erklärungen abgegeben, weil die Diffamierung unserer Partei in den Anträgen nichts zu suchen hat.
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Die AfD wird im Antrag als Partei benannt, die „Sorgen und Ängste nutzt, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen; die kein Partner, sondern politischer Gegner ist“…
Auf Merz’ billige taktische Tricks fallen wir nicht herein, auf diese Spielchen hat auch der Bürger keine Lust, der ist nicht so dumm, wie Herr Merz es meint. Ich finde im Übrigen den Begriff „Partner“, mit dem Merz ja wohl alle anderen Parteien außer der AfD meint, merkwürdig. Wir sind im Bundestag keine Partner. Für mich sind alle konkurrierenden Parteien politische Gegner, bis eine Regierungskoalition gebildet ist.
Der Antrag ist „nur“ ein Appell an eine künftige Regierung. Wird er irreguläre Migration wirklich stoppen?
In der Tat: Es wird lediglich eine Überweisung in die Ausschüsse gegeben, die konkreten Folgen sind offen. Das war also ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver von Merz. Er hätte den Antrag auch nach den Gewalttaten in Mannheim, Solingen oder Magdeburg einbringen können. Die CDU hat es aus Angst, die „Falschen“, also wir, könnten zustimmen, nicht getan. Diese Sorge war aus Unions-Sicht sogar nachvollziehbar. Denn die Wähler werden am 23. Februar das Original wählen, wenn es um den Stopp irregulärer Migration geht, und das ist die AfD.
An diesem Freitag will die AfD auch für den Unions-Gesetzentwurf zum Stopp des Familiennachzugs subsidiär Schutzberechtigter und zu Abschiebungen ausreisepflichtiger Asylbewerber votieren. Das Vorhaben dürfte im Bundesrat gestoppt werden, oder?
Ja, davon gehe ich auch aus. Deswegen ist auch das ein verzweifelter Versuch von Friedrich Merz, auf den letzten Metern AfD-Wähler zur CDU zu holen, indem er uns kopiert.
Der Unions-Kandidat steht jetzt massiv in der Kritik, weil er sich eine Mehrheit mit den Stimmen einer Partei besorgt hat, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Ist Merz der AfD in die Falle getappt?
Nun gut, das kommt davon, wenn man Brandmauern aufbaut, die man nicht aufrechterhalten kann, wenn man die Politik ändern will. Das gilt neben der Eindämmung der Migration zum Beispiel auch für die Wiedereinführung der Atomkraft. Auch das könnte er ohne uns nicht umsetzen. Also ja: Er ist da in seine eigene Falle getappt. Aber er ist ohnehin ein Politiker, der morgen nicht mehr weiß, was er heute gesagt hat. Sollte Merz tatsächlich noch Kanzler werden, dann allenfalls ein Übergangskanzler.
SPD und Grüne sagen, die Union habe jetzt die sogenannte Brandmauer zu Ihrer Partei eingerissen. Sehen Sie das auch so?
Die Brandmauer ist teilweise eingerissen. Als nächstes müssen die anderen Fraktionen unseren Vorschlägen auch zustimmen. Einen echten Kurswechsel für die Interessen Deutschlands gibt es nur mit der AfD. Das wissen die Wähler.
Entscheidend für diesen Kurswechsel wäre die Zurückweisung von Asylbewerbern ohne Papiere. Der Europäische Gerichtshof sagt, dass das nicht erlaubt ist. Die AfD würde gemeinsam mit Merz EU-Recht brechen?
Solange die EU-Außengrenzen nicht ausreichend geschützt sind, müssen Zurückweisungen von Asylbewerbern ohne Papiere an den nationalen Grenzen möglich sein, so wie es Dänemark macht. Wenn es eine Klage gegen Deutschland gäbe, dann sollten wir uns auf die juristische Auseinandersetzung einlassen. Die Bürger erwarten, dass wir unsere nationalen Interessen wahrnehmen. Das sollten wir uns von der EU nicht untersagen lassen.
Ihre EU-Austrittspläne, den „Dexit“, hat die AfD aber kassiert. Warum?
Weil wir noch Vorteile in der Mitgliedschaft sehen, etwa bei der Freizügigkeit oder für die Wirtschaft. Zwar überwiegen die Nachteile die Vorteile, und deswegen muss es als ultima ratio die Möglichkeit für einen Ausstieg aus der EU geben. Als Alternative wollen wir aber eine europäische Wirtschaftsvereinigung.
Die AfD will Steuern senken, den Soli abschaffen, für mehr Sicherheit sorgen, aber die Schuldenbremse einhalten. Ökonomen wundern sich: Woher soll das Geld kommen?
Die Ausgaben ließen sich massiv kürzen. Wir brauchen einen Kassensturz. Die zig Milliarden für Waffenlieferungen an die Ukraine würden wir sofort stoppen. Durch einen Stopp illegaler Migration könnten Gemeinden entlastet werden, die keine Menschen mehr aufnehmen müssten. Kein Migrant – auch kein Ukrainer – würde mehr Bürgergeld bekommen. Auch die Förderung der erneuerbaren Energien würden wir beenden. Damit wären die von uns geplanten Steuerentlastungen locker zu finanzieren, ohne die Schuldenbremse anzutasten.
Eine große Mehrheit der deutschen Unternehmer sieht die AfD als Standortrisiko. Bei einem Euro-Austritt würden deutsche Produkte im Ausland unbezahlbar, händeringend gesuchte ausländische Fachkräfte würden abgeschreckt. Das kümmert Sie nicht?
Die größte Gefahr für den Standort ist die Klima- und Wirtschaftspolitik der Ampel und ihr Wirtschaftskrieg gegen Russland. Die Deindustrialisierung wird in den Wirtschaftsteilen jeder Zeitung beschrieben. Die Abwanderung der Industrie liegt nicht an der AfD. Und der zweite Vorwurf ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Angesichts der Massenentlassungen haben wir bald nicht zu wenige, sondern zu viele Fachkräfte. Mit dem Vorgaukeln eines angeblichen Fachkräftemangels soll die Migration angekurbelt werden. Die qualifizierten Fachkräfte mit Deutschkenntnissen, die uns seit Jahren versprochen werden, kommen nicht. Stattdessen kommen Asylbewerber.
Finden Sie Elon Musk eigentlich auch so toll wie Ihre Kanzlerkandidatin Frau Weidel?
Ich war zur Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump vor Ort. Dort ist eine große Aufbruchstimmung zu spüren. Gerade Menschen, die ihren Lebensstandard nur noch mit zwei oder drei Jobs halten können, weil alles teurer geworden ist, haben wieder Hoffnung geschöpft. „America First“ ist ein Riesen-Thema, und dafür setzt sich auch Elon Musk ein.
Zum AfD-Parteitag schickte der Tech-Milliardär auch die Botschaft, es gebe zu viel Fokus auf Schuld in Deutschland. Wir haben uns genug an Auschwitz erinnert?
Die Erinnerung an den Holocaust ist wichtig und sollte beibehalten werden. Das wird auch ausreichend gemacht. Ich finde es allerdings problematisch, Gedenken immer mit der Schuldfrage zu verknüpfen. Die Richtschnur für Politik sollte nicht die Bewältigung von Schuld, sondern das Interesse der heutigen Bürger sein.
Dass der AfD-Jubelruf „Alice für Deutschland“ recht ähnlich klingt wie die SA-Losung „Alles für Deutschland“, das ist Zufall, oder?
Das ist kein Zufall. Unsere Kanzlerkandidatin heißt Alice. Wer dort etwas hineininterpretiert, wie Sie, der macht das Fass auf. Ich tus nicht.
Sie rufen unbeschwert mit?
Ich sehe in dieser Formulierung überhaupt kein Erregungspotential. Sie ist nicht verboten. Und was nicht verboten ist, unterliegt der freien Meinungsäußerung.