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Heftige Debatte im BundestagAbstimmung wird durchgeführt – Aktivisten besetzen CDU-Zentrale

Lesezeit 4 Minuten
Berlin: Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender und CDU/CSU Fraktionsvorsitzender im Bundestag, spricht bei der Debatte um das Zustrombegrenzungsgesetz im Plenarsaal im Bundestag.

Berlin: Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender und CDU/CSU Fraktionsvorsitzender im Bundestag, spricht bei der Debatte um das Zustrombegrenzungsgesetz im Plenarsaal im Bundestag.

Union, SPD, Grüne und FDP haben im Bundestag stundenlang über den Unions-Entwurf zur Migrationspolitik debattiert - mit teils heftigen Wortgefechten.

Schuldzuweisungen, biblische Warnungen und stundenlange Krisengespräche: Die mit angekündigter AfD-Unterstützung von der Union geplante Verabschiedung eines Gesetzentwurfs zur Migrationspolitik ist im Bundestag am Freitag zu einem parlamentarischen Drama geworden. SPD und Grüne warnten Unionsfraktionschef Friedrich Merz, erstmals in der Parlamentsgeschichte ein Gesetz mit AfD-Hilfe zu verabschieden.

Erst mit dreistündiger Verzögerung konnte die eigentliche Debatte über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz am Freitag beginnen. Grund war ein FDP-Vorschlag in letzter Minute, der eine Verschiebung der Abstimmung vorsah. Auch SPD und Grüne hatten vorgeschlagen, die Bundestags-Abstimmung noch zu verschieben.

Gegen 16.30 Uhr wurde die Abstimmung schließlich beschlossen. SPD, Grüne und Linke stimmten dafür, den Antrag in den Innenausschuss zurückzuschicken. Dagegen stimmten Union, FDP, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die amtierende Präsidentin Katrin Göring-Eckardt stellte fest, dass die Rücküberweisung damit abgelehnt worden sei.

Live aus dem Bundestag:

Während der Debatte war es zu heftigen Wortgefechten gekommen. Der „Sündenfall“ einer akzeptierten AfD-Unterstützung werde Merz immer begleiten, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in der Plenumsdebatte. Es gebe aber noch die Möglichkeit zur Umkehr: „Das Tor zur Hölle können wir noch gemeinsam schließen.“ Merz müsse „die Brandmauer“ zur Abgrenzung von der AfD „wieder hochziehen“. Denn es bestehe nun erstmals „die Gefahr, dass mit Stimmen der AfD Recht und Gesetz - das ist das Fundament unserer Demokratie - im Bundestag geändert wird“.

Merz weist Vorwurf einer Zusammenarbeit mit der AfD zurück

Merz verteidigte das Gesetz und wies den Vorwurf einer Zusammenarbeit mit der AfD zurück. „Von meiner Partei aus reicht niemand der AfD die Hand“, das müsse er nüchtern klarstellen, sagte er. „Es gibt keine tieferen Gräben als zwischen uns und dieser Fraktion.“

Merz forderte SPD und Grüne auf, den umstrittenen Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Begrenzung der Zuwanderung mitzutragen. Wenn man die Achtung der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen wolle, „dann müssen wir uns in der politischen Mitte dieses Hauses als entscheidungsfähig erweisen, auch wenn wir wenige Tage vor einer Bundestagswahl stehen“, sagte der CDU-Chef im Parlament.

Zugleich machte er deutlich, dass in dem Gesetzentwurf um Maßnahmen in „kleinen Schritten“ wie zusätzliche Zuständigkeiten für die Bundespolizei und beim Familiennachzug gehe. „Da steht nichts von Zurückweisungen an den Binnengrenzen.“ Viele seien um die Sicherheit und innere Ordnung des Landes besorgt. „Diese Menschen erwarten zu Recht von uns Entscheidungen.“

AfD will Gesetzentwurf zustimmen

Die AfD bekräftigte ihre Absicht, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Bei den im Gesetz erhobenen Forderungen handle es sich seit langem um Positionen der AfD, sagte deren Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann im Plenum. „Die Union hat sie nur kopiert.“ Dass Merz noch in letzter Minute mit SPD und Grünen über einen Kompromiss verhandelt habe, nannte Baumann „erbärmlich“.

Neben der AfD wollen auch die FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) dem Gesetzentwurf zustimmen. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki warf SPD und Grünen vor, seit dem Votum am Mittwoch „ein Schmierentheater“ zu veranstalten. Dafür würden vor allem die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl am 23. Februar „einen bitteren Preis“ zahlen.

Baerbock: Merz schiebt anderen seine Fehler in die Schuhe

Außenministerin Annalena Baerbock hat dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz während des Schlagabtauschs vorgeworfen, Sündenböcke für seine eigenen Fehler zu suchen. Er habe nach dem Tabubruch im Bundestag nicht die Größe, zuzugeben, dass er sich verrannt habe, sagte die Grünen-Politikerin im Bundestag.

Außenministerin Annalena Baerbock hat dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz während des hitzigen Schlagabtauschs im Bundestag vorgeworfen, Sündenböcke für seine eigenen Fehler zu suchen.

Außenministerin Annalena Baerbock hat dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz während des hitzigen Schlagabtauschs im Bundestag vorgeworfen, Sündenböcke für seine eigenen Fehler zu suchen.

„Es geht darum, deutlich zu machen, dass wir ohne Wenn und Aber für diese Demokratie frei von Rechtsextremen einstehen“, betonte Baerbock. „Denn wir alle wissen: Man braucht eine Brandmauer gar nicht mit der Abrissbirne einzureißen, um sein eigenes Haus in Brand zu setzen. Es reicht, wenn man immer weiter Löcher bohrt.“

Der Beschluss eines Antrags mit Stimmen der AfD am Mittwoch sei der Anfang gewesen, heute gehe es um ein Gesetz. „Was kommt dann als Nächstes?“ Die Union schlage so immer größere Löcher in ihre Brandmauer und strecke die Hand zur AfD aus.

Aktivisten besetzen CDU-Zentrale in Hannover

Während des heftigen Schlagabtausch im Bundestag sind in Hannover Aktivisten auf den Balkon der Geschäftsstelle des CDU-Kreisverbands Hannover geklettert. Es sei eine dynamische Lage, mehrere Menschen seien auf dem Balkon, andere auf dem Zugang zur Geschäftsstelle und wieder andere auf dem Gehweg, sagte eine Polizeisprecherin. Die CDU habe einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Der Einsatz lief zunächst noch.

Die Aktivisten hängten nach eigenen Angaben Transparente etwa mit der Aufschrift „Knast statt Hilfe, Knüppel statt Schutz - ihr seid das Problem, nicht der „Flüchtlingsfluss““ am Balkon auf. Damit wollte die Aktivistengruppe die Aufmerksamkeit auf den Unions-Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik lenken, der am Mittwoch mit Hilfe der AfD im Bundestag durchgesetzt wurde. (dpa/afp)