Glücklicher, erfolgreicherNeidisch auf die eigenen Freunde – ist das schlimm?
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Köln/München – Die Freundin hat ein tolles Haus, ist erfolgreich im Job und macht regelmäßig Traumreisen. Und der beste Freund hat ein Händchen für Geld und steigt auf der Karriereleiter unaufhaltbar nach oben: Da kann man schon mal neidisch werden. Aber ist dieses Gefühl bei Freunden denn erlaubt? „Ich darf nicht neidisch sein, so schreibt es uns die Moral vor“, erklärt Marga Löwer-Hirsch. „Immerhin wird Neid sogar zu den sieben Todsünden gezählt.“
Doch die psychologische Psychotherapeutin aus Berlin kennt positive und negative Seiten von Neid. Unterscheiden muss man konstruktiven von destruktiven Neid. „Kleine Neidgefühle unter Freunden helfen zu überlegen: Was will ich, und wie bekomme ich es?“, so Löwer-Hirsch.
Unterschied zwischen Neid und Missgunst
„Ich bin öfter mal neidisch - und finde das völlig menschlich“, sagt Modebloggerin Franziska Dully. Für die 24-Jährige gibt es einen Unterschied zwischen Neid und Missgunst. „Ich bin kein böser Mensch, wenn ich mir das wünsche, was andere haben - sei es eine Designerhandtasche, einen großen Freundeskreis oder ein heiles Elternhaus.“ Schlimm wird es erst, wenn man anderen etwas Schlechtes wünscht, um sich selbst besser zu fühlen. Wer anderen schaden will, aus dem Neid heraus gar eine Freundschaft kündigt, erlebt destruktiven Neid, wie Löwer-Hirsch erklärt.
Neidisch sind irgendwann einmal fast alle Menschen. Diese Emotion zu akzeptieren und zuzulassen, kann gut und hilfreich sein. Doch so wichtig es ist, in Freundschaften offen mit seinen Gefühlen umzugehen: Sofort mit dem Satz „Ich beneide dich so“ rauszuplatzen, ist keine gute Idee.
Erst einmal mit dem Neid auseinandersetzen
„Besser ist es, mich erst einmal selbst mit meinem Neid auseinanderzusetzen und darüber zunächst mit einem anderen Freund zu sprechen“, rät Löwer-Hirsch. Wer zum Beispiel neidisch auf die beste Freundin ist, weil sie ein Kind erwartet, redet vielleicht lieber erst mit einer anderen Freundin, die selbst einen unerfüllten Kinderwunsch hat. „Danach sollte ich das Thema auch meinem Neidobjekt gegenüber ansprechen - jedoch nicht aus dem Affekt heraus.“
Die eine fährt einen dicken Wagen, schuftet dafür aber sieben Tage die Woche. Der andere ist auf jeder angesagten Party eingeladen und sehnt sich insgeheim nach einer Partnerschaft. Der dritte hat vier Kinder und eine glückliche Beziehung, aber schlaflose Nächte, weil er nicht weiß, wie er das Haus abbezahlen soll. „Wenn Freunde mich beneiden, dass ich gutes Geld mit Bloggen verdiene, teure Geschenke bekomme und ein glamouröses Leben führe, gehe ich offen damit um, dass nicht alles Gold ist, was glänzt“, erzählt auch Dully.
Strategien, Neid zu bewältigen
Ein stressiger Alltag, mangelnde Struktur und das permanente Gefühl, noch mehr geben zu müssen, prägen ihr Leben, seit sie sich für den Schritt zum Bloggen als Hauptberuf entschieden hat. „Wer mit Freunden ehrlich spricht, wird merken, dass jede noch so beneidenswerte Lage auch ihre Kehrseite hat“, sagt Marga Löwer-Hirsch.
Jan Crusius, Sozialpsychologe an der Universität Köln, hat sich in Studien mit dem Thema Neid auseinandergesetzt. Seiner Erfahrung nach gibt es verschiedene Strategien, Neid zu bewältigen. Zum Beispiel: einen anderen Fokus für den Vergleich zu finden. „Zu sagen: Mein Freund ist darin besser, dafür bin ich darin besser.“ Oder auch: den Vergleich mit sich selbst zu suchen. „Ich bin zwar nicht so gut wie der andere, aber ich bin schon viel besser als früher.“ Oder: sich anstrengen, um genauso gut wie der beneidete Freund zu werden.
Neid spornt uns auch an
Denn bei Neid geht es meist um zweierlei - um den Vergleich und den Erfolg. „Neid ist aus Sicht der Evolutionspsychologie ein Alarmsignal“, erklärt Jan Crusius. „Es zeigt uns: Irgendwas stimmt nicht, ich muss etwas tun, um meinen Nachteil auszugleichen.“ Und dadurch spornt der Neid uns an.
Für Franziska Dully war die Sehnsucht nach dem, was andere hatten, eine große Motivation, sich ihre Träume zu erfüllen. Aus einer Kleinstadt stammend, ohne Geld für Reisen, beneidete sie Freunde, die viel herumkamen, das Leben führten, was sie sich wünschte - und das sie sich heute aus diesem Antrieb heraus erfüllt hat.
Neid als ehrliche Form der Anerkennung
In seiner Arbeit, so der Wissenschaftler Crusius, habe sich gezeigt, dass Leute sich oft an Situationen mit Freunden erinnern, wenn sie nach Neidgefühlen gefragt wurden. Aber sollte man nicht gerade denen alles erdenklich Gute wünschen? „Dass wir Freunde so häufig beneiden, ist nicht überraschend“, sagt Crusius. Neidisch ist man vor allem dann, wenn uns jemand sehr ähnlich ist. Je mehr Menschen sich ähneln, desto relevanter ist der andere für einen Vergleich. „Wer gerne Sport treibt, ist nicht neidisch auf einen Olympiasieger. Sondern eher auf den Freund in der Laufgruppe, der immer die Nase vorne hat“, erklärt Crusius.
Wenn ein Freund uns auf einmal überholt - das schmerzt. Dennoch: „Neid ist oft ein Kompliment an den beneideten Freund“, sagt Crusius. Vielleicht also nicht die schönste, aber doch die ehrlichste Form der Anerkennung. (dpa)