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Kremlchef sieht „schwerwiegende Folgen“Putin will im Gaza-Krieg vermitteln – und sorgt sich plötzlich um Zivilisten

Lesezeit 4 Minuten
Wladimir Putin beantwortet nach einem Treffen der Staatschefs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in der staatlichen Residenz Ala-Archa in Bischkek Fragen russischer Journalisten.

Wladimir Putin beantwortet nach einem Treffen der Staatschefs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in der staatlichen Residenz Ala-Archa in Bischkek Fragen russischer Journalisten.

Wladimir Putin führt seit 19 Monaten Krieg gegen die Ukraine. Im Nahen Osten will er für einen Frieden vermitteln – der Zivilbevölkerung zuliebe.

Wladimir Putin hat Israel vor einer Bodenoffensive im Gazastreifen gewarnt. Die Durchführung einer israelischen Bodenoperation im Gazastreifen werde schwerwiegende Folgen für alle Parteien haben, sagte der russische Präsident auf dem GUS-Gipfel.

Wladimir Putin äußert sich zu Konflikt zwischen Hamas und Israel

„Wir hören von Plänen zur Vorbereitung einer Bodenoperation in Gaza“, zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass Putin. Ein solcher Einsatz sei eine „komplexe Angelegenheit, die für alle Beteiligten schwerwiegende Folgen hat“, so der 71-Jährige weiter. Dem Bericht zufolge sorge sich der russische Präsident um die Zivilbevölkerung.

„Das Wichtigste ist, dass Verluste unter der Zivilbevölkerung absolut inakzeptabel sein werden. Dort leben fast zwei Millionen Menschen. Jetzt geht es vor allem darum, das Blutvergießen zu stoppen“, so Putin laut Tass. Die Aussagen klingen angesichts des seit Februar 2022 andauernden völkerrechtswidrigen Angriffs von Russland auf die Ukraine fast zynisch.

Die Doppelmoral des Wladimir Putin: Russischer Präsident sorgt sich um Zivilisten

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs haben die Vereinten Nationen in der Ukraine mehr als 9000 zivile Todesopfer registriert (Stand Juli 2023). Weitere rund 16.000 Menschen wurden verletzt. Die Dunkelziffer dürfte allerdings noch deutlich höher liegen. Die UN zählen nur Fälle, die sie unabhängig bestätigen können.

Während der Krieg gegen die Ukraine, der in Russland als „militärische Spezialoperation“ verklärt wird, andauert, fordert Wladimir Putin im Nahost-Konflikt eine „Verhandlungslösung“. Er selbst plädierte für eine Zweistaatenlösung, welche die Gründung eines unabhängigen Staates Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt vorsieht.

Wladimir Putin schlägt für Israel und Palästina Zweistaatenlösung vor

Seit den 1990er Jahren wurden viele Anläufe zur Umsetzung einer Zweistaatenlösung unternommen. Sie alle scheiterten, unter anderem, weil sich Israel und die Regierung der Palästinensischen Autonomiegebiete nicht auf eine gemeinsame Grenze einigen konnte.

Während er Israel nach dem brutalen Angriff der Hamas-Terroristen also eine diplomatische Lösung nahelegt, lehnt Putin selbst Verhandlungen mit der Ukraine faktisch ab.

Zwar gab der Kreml immer wieder an, prinzipiell dafür bereit zu sein, stellte aber auch klar, keine nennenswerten Zugeständnisse an die Ukraine machen zu wollen. Stattdessen betont die russische Führung, dass die sogenannte „Spezialoperation“ so lange fortgesetzt werde, bis alle ihre Ziele erreicht seien.

Ukraine überzeugt, dass Russland Hamas bei Angriff auf Israel unterstützte

Indes beteuerte die ukrainische Seite am Donnerstag ihre Anschuldigung, Russland sei in die Verbrechen der Hamas involviert. Kyrylo Budanow, Leiter des ukrainischen Verteidigungsnachrichtendienstes (DIU), ist davon überzeugt, dass die Russen die Hamas-Gruppe mit Infanteriewaffen versorgt hätten, die sie in der Ukraine erbeuten konnten. Das wisse er „mit Sicherheit“, wie er in einem Interview mit der ukrainischen Online-Zeitung „Ukrajinska Prawda“ sagte. Putin reagierte auf diese Anschuldigungen: Die Ukraine verkaufe alles, was verkauft werden kann, so seien die Waffen im Nahen Osten gelandet.

In den vergangenen Tagen kamen immer wieder Spekulationen darüber auf, dass Russland die Hamas unterstützt haben könnte. Laut dem Nationalen Widerstandszentrum, dem kommunikativen und organisatorischen Organ der ukrainischen Militär-Spezialkräfte, haben Kämpfer der Privatarmee Wagner Terroristen der Hamas vor dem Angriff auf Israel ausgebildet. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

Putin spricht sich für Waffenstillstand im Nahost-Konflikt aus

Budanow selbst ist auch davon überzeugt, dass die Russen den Hamas-Kämpfern beigebracht hätten, wie man FPV-Drohnen gegen gepanzerte Ausrüstung einsetzt. „Niemand außer den Leuten, die Erfahrungen auf unserem Kriegsschauplatz haben, kann das getan haben. Da wir nicht hier waren, müssen es die Russen gewesen sein“, schlussfolgert er im Interview, dass Wagner-Kämpfer die Hamas im Gebrauch von Drohnen geschult hätten. Auch dafür gibt es derzeit keine eindeutigen Beweise.

Nicht zu widerlegen ist indes, dass Russland Kontakte zur Hamas unterhält. So führte etwa der Nahost-Beauftragte des Kreml, Vizeaußenminister Michail Bogdanow, mehrfach in diesem Jahr Gespräche mit Hamas-Vertretern – am Telefon und bei persönlichen Begegnungen.

Dass Wladimir Putin im Nahost-Konflikt eine neutrale Haltung einnimmt, dürfte vor diesem Hintergrund kritisch zu betrachten sein. In seinem Statement auf dem GUS-Gipfel gab der russische Machthaber an, dass der Kreml bereit sei, eine Vermittlerrolle einzunehmen und „sich mit allen konstruktiv gesinnten Partnern abzustimmen“, um einen baldigen Waffenstillstand und eine Stabilisierung der Lage zu erreichen.