Während in Deutschland viel über Verhandlungen debattiert wird, macht Moskau klar, dass es keineswegs bereit ist, die eigenen Kriegsziele aufzugeben.
„Das sollten alle wissen“Kremlsprecher nennt Putins Bedingungen für Friedensverhandlungen
Während in Deutschland weiterhin die Debatte über den richtigen Weg zu einer Friedenslösung für die Ukraine geführt wird, hat der Kreml klargestellt, dass Wladimir Putin und sein Machtzirkel derzeit keinerlei Interesse an Verhandlungen haben. Das Erreichen der Kriegsziele in der Ukraine habe Vorrang vor möglichen Friedensverhandlungen, stellte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag klar. „Das Erreichen unserer Ziele ist das Wichtigste, das ist unsere absolute Priorität“, erklärte Peskow. Grund für die russische Haltung sei auch die Ablehnung von Gesprächen durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, erklärte Peskow zudem.
Wolodymr Selenskyj lehnt Verhandlungen mit Wladimir Putin ab
Selenskyj lehnt Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten ab. Grundvoraussetzung für Gespräche sei, dass Russland seine Truppen komplett aus der Ukraine abzieht, heißt es aus Kiew. Auch ein Dialog mit Putin ist aus der Sicht des ukrainischen Präsidenten nicht möglich, da es schlichtweg kein Vertrauen darin gebe, dass der Kremlchef sich an Absprachen halten würde, erklärte Selenskyj zuletzt gegenüber der BBC. „Sehen Sie, wir können uns auf etwas einigen, und am nächsten Tag lässt er Truppen kommen“, erklärte Selenskyj. Man könne „keine Vereinbarungen mit denen treffen, die nicht bereit sind, sie einzuhalten“.
In Moskau wird die Forderung nach einem kompletten Truppenabzug unterdessen als absurd zurückgewiesen. Stattdessen stellt Russland eigene Bedingungen für Gespräche auf: So müsse die Ukraine laut Peskow zunächst anerkennen, dass die vier Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson nun auch in der Verfassung als Teile Russlands verankert seien. „Das sind sehr wichtige Realitäten“, erklärte Peskow. Allerdings kontrolliert Russland bisher keine dieser völkerrechtswidrig annektierten Regionen vollständig. International wird die Annexion der Gebiete, wie auch die der Halbinsel Krim im Jahr 2014, nicht anerkannt.
Verhandlungen undenkbar: Putin und sein Machtzirkel halten an Kriegszielen fest
Neben der Anerkennung des Donbass als russisches Staatsgebiet verfolge Moskau außerdem noch weitere Kriegsziele, führte Peskow am Dienstag aus, ohne diese konkrete zu benennen. Als ein Ziel hatte Russland zuletzt jedoch auch eine Entmilitarisierung der vom Westen mit Waffen und Munition ausgestatteten Ukraine genannt.
In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der kremlnahen Zeitung „Iswestija“ meinte Peskow zudem, dass es zwar „viele Äußerungen“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Krieg in der Ukraine gebe. Initiativen von ihrer Seite, das Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin zu suchen, um einen Ausweg aus der Lage zu finden, gebe es jedoch nicht. „Das sollten alle wissen“, sagte Peskow. Putin sei weiterhin offen für jedwede Kontakte, hieß es beim Kremlsprecher.
Rolf Mützenich sieht keinen Raum für Verhandlungen mit Wladimir Putin
Bundeskanzler Scholz hatte unterdessen nach einem Telefonat mit Putin im Dezember berichtet, es gebe kein Interesse an Verhandlungen auf russischer Seite. „In dem Augenblick, in dem sie erkennen lassen, der Weg ist Truppenrückzug, in dem Augenblick ist auch der Weg für Gespräche mit der Ukraine – da bin ich ziemlich sicher – frei“, hatte Scholz zudem bei einem Bürgerdialog in Marburg Anfang Februar erklärt – und sich damit den Forderungen Selenskyjs angeschlossen. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht derzeit keinen Raum für Verhandlungen mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Der Kremlchef wolle nicht verhandeln, sagte Mützenich am Montagabend bei einer Veranstaltung der SPD-Fraktion.
Als weiteres Zeichen dafür, dass es in Russland keine Verhandlungsbereitschaft gebe, deuten Experten wie der Politikwissenschaftler Carlo Masala unterdessen auch, dass Moskau sogar einen Vorstoß aus Peking für eine friedliche Lösung zurückgewiesen habe. „Wir haben dem Plan unserer chinesischen Freunde große Aufmerksamkeit geschenkt“, hatte Peskow am Montag erklärt – und hinzugefügt: „Im Moment sehen wir keine der Bedingungen, die erforderlich sind, um diese ganze Geschichte zum Frieden zu bringen.“
Masala sieht darin ein eindeutiges Zeichen: „Sie lehnen den Friedensplan Chinas ab (der ohnehin ein Witz war)“, schrieb der Politikwissenschaftler am Montag auf Twitter. „Betrachtet man mal die Abhängigkeit Russlands von China, ist das schon ein klares Statement.“ Peking gilt als einer der wenigen internationalen Unterstützer Russlands. Zuletzt gab es Berichte, dass China in Erwägung ziehe, Russland mit Waffen zu beliefern.
Sahra Wagenknecht sorgt für Debatte in Deutschland – ungeachtet der Botschaften aus Moskau
In Deutschland sorgten Forderungen nach Verhandlungen mit Russland unterdessen in den letzten Wochen und Tagen erneut für Wirbel. Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hatte zusammen mit der Publizistin Alice Schwarzer ein „Manifest für den Frieden“ veröffentlicht und schließlich eine Kundgebung am vergangenen Samstag in Berlin abgehalten. Die „Friedensbewegung“ fordert das Ende von Waffenlieferungen an die Ukraine und Friedensverhandlungen – ungeachtet der Botschaften aus Moskau.
Bundeskanzler Scholz hatte den Vorstoß von Wagenknecht und Schwarzer bereits in der Vorwoche zurückgewiesen. „Ich teile die Überzeugung dieses Aufrufs nicht“, sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Es reiche nicht, zu sagen, es müsse jetzt Verhandlungen geben. Dies führe nicht weiter. Man müsse verstehen, „dass der russische Präsident gegenwärtig nur eine Form von Verhandlungen akzeptiert, nämlich dass irgendjemand bedingungslos kapituliert und er alle seine Ziele durchsetzt“. (mit dpa)