- Mit 180 über die Autobahn - das geht europaweit nur in Deutschland.
- Das Umweltbundesamt hat neu berechnet, was ein Ende des Rasens dem Klima bringen würde.
- Ob das grundlegende Skeptiker überzeugt?
Berlin – Klimaschutz schnell und kostenlos - oder unnötige Gängelung? Mit neuen Berechnungen facht das Umweltbundesamt (UBA) den Streit um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen weiter an. Wie die Behörde am Freitag mitteilte, würde eine generelle Höchstgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde rund 1,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) im Jahr einsparen.
Umweltministerin Svenja Schulze nutze die Vorlage, um für ihre Position zu werben: „Im Verkehrssektor gibt es beim Klimaschutz den größten Handlungsbedarf – und ein solches Tempolimit ist auch in der Gesellschaft mehrheitsfähig“, schrieb die SPD-Politikerin auf Twitter.
Tempolimit 130 zuletzt noch abgelehnt
Weiter skeptisch zeigte sich dagegen das Ressort von Verkehrsminister Andreas Scheuer - der CSU-Politiker ist erklärter Tempolimit-Gegner. Die neuen Berechnungen müsse man sich erst mal anschauen, sagte eine Sprecherin. Generell sei man aber für „mehr Intelligenz“ in der Verkehrslenkung, die durch Digitalisierung möglich werde. Außerdem hätten Bundestag und zuletzt auch der Bundesrat ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern abgelehnt. Allerdings hatte die SPD im Bundestag gegen die eigene Beschlusslage der Partei gestimmt, weil es um einen Oppositionsantrag ging und sie ja mit der Union in einer Koalition arbeitet. Auch im Bundesrat enthalten sich Länder, wenn Koalitionspartner uneins sind.
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Überraschend sind die neuen Zahlen nicht, aber für Tempolimit-Freunde hilfreich - denn die letzte UBA-Berechnung stammte aus dem Jahr 1999 und bezog sich nur auf Tempo 120. Nun sind die Daten frischer. 1,9 Millionen Tonnen sind nur rund 1,2 Prozent der 163 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente - eine Einheit, in die alle Treibhausgase umgerechnet werden - des gesamten Verkehrsbereichs in Deutschland im Jahr 2018. Das UBA argumentiert, man habe in der Rechnung Pkw und leichte Nutzfahrzeuge angeschaut, die 39,1 Millionen Tonnen CO2 ausstießen. Und da wären 1,9 Tonnen dann immerhin knapp fünf Prozent Minderung.
„Deutlich mehr Dynamik“ nötig
Sicher ist, dass sich im Verkehrsbereich etwas tun muss. Seit 1990 sind die Emissionen kaum zurückgegangen, und dass Deutschland EU-Ziele reißt und vermutlich bald Strafzahlungen fällig werden, liegt auch am Verkehr. Im Klimaschutzgesetz sind die CO2-Ziele künftig genau vorgegeben - und wer es nicht schafft, muss Sofortprogramme vorlegen. Umweltministerin Schulze hat schon klar gemacht, dass aus ihrer Sicht das Tempolimit dann wieder auf den Tisch gehört. Ein Sprecher sagte nun: Man werde „noch verschiedene Möglichkeiten haben“, sich Emissionen und Maßnahmen anzuschauen.
Scheuer sagte - unabhängig von der Tempolimit-Debatte - am Freitag, es zeichne sich ab, dass „deutlich mehr Dynamik“ nötig sei, und nannte unter anderem eine Quote für nachhaltiges Kerosin in der Luftfahrt, die so ähnlich auch Schulze will. Er erinnerte auch daran, dass die Kfz-Steuer stärker nach dem CO2-Ausstoß gestaffelt werden soll - da ist Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gefragt.
Selbst ADAC gibt striktes Nein gege Tempolimit auf
Umweltschützer fühlten sich von den neuen UBA-Zahlen bestätigt. „Jetzt hat es die Bundesregierung schriftlich: Weniger Rasen schützt das Klima“, teilte Greenpeace mit. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) forderte Scheuer auf, „sein zu schwaches Klimaschutzprogramm zu überarbeiten und das Tempolimit mit aufzunehmen“. Die Union müsse sich „endlich von ihrer Raserideologie trennen“, kommentierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Kürzlich gab der Autofahrerclub ADAC sein jahrzehntelanges striktes Nein gegen ein Tempolimit auf und wirbt nun für eine umfassende Untersuchung möglicher Folgen vor allem für die Verkehrssicherheit.
Dagegen sprach der stellvertretende FDP-Fraktionschef Frank Sitta von einem „kulturkämpferischen Ziel“ und nannte es einen „Treppenwitz“, dass das Tempolimit angeblich nichts koste - da solle man mal Pendler fragen, die längere Strecken im Auto zurücklegen. Bisher gilt auf 70 Prozent des Autobahnnetzes nach wie vor freie Fahrt.