AboAbonnieren

Parteitaktik oder Aufklärung?Union pocht auf Warburg-Untersuchungsausschuss

Lesezeit 5 Minuten
Scholz im Großformat, er schaut verwundert in eine Richtung.

Scholz bei einer Pressekonferenz.

Die Unionsfraktion will im Bundestag den Untersuchungsausschuss zur Steueraffäre um die Hamburger Warburg-Bank auf den Weg bringen. Im Visier haben CDU und CSU dabei Kanzler Olaf Scholz. Kann der Ausschuss Licht in Dunkel bringen?

Um die Frage nach einem Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex-Geschäften und der Rolle von Kanzler Olaf Scholz im Fall um Forderungen an die Warburg Bank ist im Bundestag eine hitzige Debatte entbrannt. Angestoßen hat die Bemühungen die Union. Die SPD sowie die Koalitionspartner FDP und Grüne sehen darin vor allem ein politisches Manöver der größten Oppositionsfraktion. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Worum geht es in der Warburg-Affäre?

Wie andere Institute war die Privatbank Warburg in inzwischen höchstrichterlich als illegal eingestufte Cum-Ex-Geschäfte verwickelt. Dabei schoben Investoren Aktienpakete rund um den Dividendenstichtag hin und her. Ziel war es, sich von den Finanzämtern Kapitalertragssteuern zurückerstatten zu lassen, die nie gezahlt worden waren. Es handelte sich um das womöglich umfassendste System der Steuerhinterziehung in der deutschen Wirtschaftsgeschichte – der Staat wurde um Milliarden geprellt.

Welche Summen spielen in der Hamburger Affäre eine Rolle?

Als bundesweit Finanzämter zu Unrecht gezahlte Steuererstattungen zurückforderten, verzichtete die Hamburger Steuerverwaltung 2016 auf eine Rückzahlung der Warburg-Bank für 2009 in Höhe von 47 Millionen Euro. Im Jahr darauf ging es um eine weitere Rückzahlung über 43 Millionen Euro. Sie wurde von der Hamburger Steuerverwaltung erst nach einer Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert.

Warum ist das ein Problem für Scholz und was sagt er zu dem Treffen?

Der Bundeskanzler war zu dieser Zeit Erster Bürgermeister von Hamburg. Im Raum steht die Frage, ob eine Intervention aus der Politik beim Verzicht auf Steuerrückzahlungen eine Rolle spielte. Politisch brisant wurde die Affäre, als im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen Tagebucheinträge des damaligen Warburg-Chefs Christian Olearius auftauchten. In ihnen berichtete dieser von einem regen Austausch mit der Steuerverwaltung und zwei Treffen sowie einem Telefonat mit Scholz.

An all diesen Unterstellungen ist nichts dran.
Michael Schrodi, SPD-Abgeordneter

In Hamburg befasst sich seit zweieinhalb Jahren ein Untersuchungsausschuss mit dem Thema, vor dem auch Scholz ausgesagt hat. Er bestreitet keineswegs die Tatsache der Treffen, die sich auch aus Kalendereinträgen der Hamburger Senatskanzlei rekonstruieren lassen. Er verweist allerdings zugleich immer wieder mit Nachdruck darauf, dass er keine konkrete Erinnerung an die Termine mehr habe und sein heutiges Wissen ausschließlich aus der öffentlichen Berichterstattung beziehe.

Was sagt Scholz zum Vorwurf politischer Einflussnahme?

Den Vorwurf, er selbst oder die Hamburger Landespolitik habe irgendeinen Einfluss auf das Steuerverfahren Warburg genommen, weist Scholz auf das Schärfste zurück. „Da war nichts“, sagte er im August vergangenen Jahres vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss. Es handle sich um „Mutmaßungen und Unterstellungen“, die durch nichts gestützt würden.

Wie begründet die Union den Untersuchungsausschuss und warum zweifeln CDU und CSU?

Die Vorgänge werfen nach dem Antrag von CDU und CSU für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses weiter „schwerwiegende Fragen“ auf. Es sei weiter unklar, warum Hamburg als einziges Bundesland „zum Nachteil des Bundes“ die „Rückforderung der zu Unrecht erhaltenen Kapitalertragsteuererstattungen aus Cum-Ex-Geschäften“ von der Warburg-Bank verjähren lassen wollte.

Der Tatort ist mittlerweile übersät mit Indizien, mit Spuren, dass in diesem Fall politische Einflussnahme auf die konkrete Entscheidung stattgefunden hat.
Mathias Middelberg, CDU-Abgeordneter

Die Union verweist auf eine Aussage von Scholz im Finanzausschuss des Bundestags vom Juli 2020, in dem sich dieser zumindest an ein Treffen mit Olearius „konkret“ erinnert habe. Später habe Scholz jedoch das Gegenteil gesagt. „Dieser rasante und umfassende Gedächtnisverlust des Bundeskanzlers wirft Fragen auf“, heißt es in dem Unionsantrag für den Ausschuss. „Geht es um einen tatsächlichen oder um einen taktischen Erinnerungsverlust?“

Rechnet die Union mit einer Aufklärung und wie lange soll es dauern und wie lange soll es dauern?

Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) zeigte sich bei der Ausschussankündigung überzeugt, dass dieser aufgrund seiner weitreichenden Befugnisse zur Zeugenbefragung und Akteneinsicht weitere Erkenntnisse zutage fördern werde. Er verwies aber auch auf den Unterschied zu einem Strafverfahren: Dieses könne bei fehlenden durchschlagenden Beweisen im Zweifel mit einem Freispruch für den Angeklagten enden. „Wir sind hier in der Politik“, sagte Middelberg. Mit Blick auf den Ausschuss gehe es um die Frage, ob nach Klärung der Fakten Scholz’ Angaben noch Glauben geschenkt werden könne.

Das lässt die Union offen. Sie hat aber sicherlich ein Interesse daran, den Ausschuss zu einem politischen Dauerbrenner zu machen. Theoretisch müsste dieser seine Arbeit erst vor der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2025 beenden. Und jeder prominente Zeugenauftritt dürfte bis dahin eine hohe Medienaufmerksamkeit für die von der Union vermutete „Steueraffäre Scholz-Warburg“ garantieren.

Wie sieht nun das weitere Vorgehen aus?

Die Pläne wurden nach der Debatte in den Geschäftsordnungsausschuss überwiesen. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist im Plenum ein Viertel der Mitglieder des Bundestages nötig. Damit könnte die Union diesen alleine durchsetzen. Mit einem endgültigen Beschluss im Parlament wird im Mai gerechnet. (afp/dpa)


Kronzeuge sagt in Bonn aus

In einem Strafprozess vor dem Bonner Landgericht um sogenannte Cum-Ex-Geschäfte hat ein ehemaliger Wirtschaftsprüfer eines Londoner Finanzunternehmens gestern ausgesagt, in seiner Firma sei klar gewesen, wer den Schaden durch die betrügerischen Steuerdeals zu tragen habe: „der deutsche Steuerzahler“. Die Investmentbank galt als Organisatorin der Cum-Ex-Maschine. Der Banker war als Kronzeuge in einem Strafverfahren gegen einen früheren Kollegen geladen, unter dessen Mitwirkung 92 Millionen Euro an Kapitalertragssteuern hinterzogen worden sein sollen. Der Angeklagte bestreitet; er sei von der Rechtmäßigkeit seiner Arbeit überzeugt gewesen. Auch gegen den Kronzeugen, der verantwortlich für die Aktienkreisgeschäfte rund um den Dividendenstichtag gewesen sein soll, wird ermittelt. Er hat vor der Staatsanwaltschaft Köln bereits Rede und Antwort gestanden.

In seiner Aussage vor der 9. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts tauchte wiederholt der Name des Rechtsanwalts Hanno Berger und von dessen einstigen Kanzleipartner auf. Berger soll Erfinder der Cum-Ex-Geschäfte sein. Er habe sich um die Investoren gekümmert, so der Kronzeuge. In der Vorbereitung auf seine Tätigkeit in der Londoner Asset Management-Gesellschaft habe er sich wiederholt mit dem deutschen Anwalt getroffen und „eng“ mit ihm zusammengearbeitet. Berger war von einer anderen Strafkammer des Bonner Landgerichts wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt worden. (dbr)