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BrandenburgWie dieser SPD-Sieg zum Problem für Olaf Scholz werden könnte

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22.09.2024, Brandenburg, Potsdam: Dietmar Woidke, Ministerpräsident und Vorsitzender der SPD in Brandenburg kommt nach Bekanntgabe der ersten Prognosen zur SPD-Wahlparty. In Brandenburg fand am Sonntag die Landtagswahl statt. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Dietmar Woidke, Ministerpräsident und Vorsitzender der SPD in Brandenburg auf dem Weg zur SPD-Wahlparty. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Knapp an der AfD vorbei - das hat Dietmar Woidke in Brandenburg geschafft. Mit einem Abspaltungskurs von der SPD-Linie. Das bringt Olaf Scholz jetzt erst recht in Bedrängnis.

Ende der Schonzeit. Seit 18 Uhr am Sonntag, passenderweise 12 Uhr mittags für Olaf Scholz in New York, könnte die vor der Landtagswahl noch einigermaßen gebändigte Unruhe in der SPD jetzt ausbrechen. Dass SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke auf den letzten Metern doch noch knapp die AfD überholte, ist zwar beachtlich und hat den Politiker in seiner Poker-Strategie bestärkt. Er kann jetzt wahrscheinlich - in noch unklarer Konstellation - weiterregieren. Doch Entwarnung bedeutet das keineswegs. Weder für die SPD noch für Brandenburg.

Denn insgesamt schwächeln die Parteien der Mitte, während die Ränder zulegen. Wenn der als „gesichert rechtsextrem“ eingestufte AfD-Politiker Berndt so viele Wählerstimmen holt, dass er die seit 34 Jahren regierende SPD als Wahlsieger fast abgelöst hätte, und zugleich Sahra Wagenknecht ihr Fundament im Osten stabilisiert, ist dies alarmierend und nicht mehr als Protestwahl zu deuten.

Wird Boris Pistorius die deutsche Kamala Harris?

Die CDU konnte im dritten ostdeutschen Bundesland vom ansonsten stabilen Trend der Partei nicht profitieren und darf sich dafür sowohl bei Spitzenkandidat Redmann bedanken, der mit seiner E-Scooter-Eskapade unter Alkohol ins Abseits steuerte, als auch bei CDU-Politiker Kretschmer, der die Brandenburger zur Woidke-Wahl aufrief. Die Grünen haben erneut keinen Weg gefunden, sich aus dem dunklen Schatten des Berliner Ampel-Chaos zu befreien. Die FDP versinkt in der Bedeutungslosigkeit.

SPD-Spitzenkandidat Woidke hat im Endspurt vor allem auf einen gesetzt: auf Woidke. Und ließ dabei den Kanzler möglichst außen vor. Was der SPD hier offenbar genützt hat, war die betonte Entkoppelung von Berlin, auch inhaltlich. Denn der realpolitisch agierende Ministerpräsident spaltete sich mit seinem Kurs etwa in der Migrationspolitik klar von der SPD-Linie ab.

Das macht den Scherbenhaufen, vor dem die SPD steht, trotz des Wahlsiegs in Brandenburg eher größer. Denn wenn die Abkehr vom Partei-Kurs erfolgreich ist, spricht das weder für die Inhalte noch für das Führungspersonal. Dazu kommt die ohnehin desaströse Umfragelage deutschlandweit.

Ein Jahr vor der Bundestagswahl dümpeln die Sozialdemokraten bei 15 Prozent. Einem seit drei Jahren regierenden Olaf Scholz trauen nur noch 9 Prozent zu, „kanzlertauglich“ zu sein. Allein das wäre schon Grund genug, über einen geeigneten Kandidaten neu nachzudenken. Die Biden/Harris-Variante drängt sich als Blaupause auf. Ist der in Umfragen beliebte Boris Pistorius die deutsche Kamala Harris? Die SPD wird dieser Debatte nicht mehr entkommen können.