Am Montagvormittag ist Olaf Scholz nach einer Hängepartie von seiner Partei nominiert worden, am Abend stellte er sich im ZDF kritischen Fragen.
Kanzlerkandidatur, Putin-TelefonatMarietta Slomka bombardiert Scholz im „heute journal“ mit unangenehmen Fragen
Hängepartie bei der Kandidaten-Nominierung, Telefonat mit Wladimir Putin, anhaltende Taurus-Verweigerung für die Ukraine – die Kritik an Olaf Scholz war in den vergangenen Wochen groß. Nun stellte sich der am Montag frisch nominierte Kanzlerkandidat der SPD den Fragen von Marietta Slomka im „heute journal“ des ZDF. Slomka sprach am Abend in ihrer Anmoderation von einem „denkbar schlechten Start“ für den Kanzler im Wahlkampf, nachdem zwei Wochen lang eine quälende parteiinterne Personaldebatte rund um Verteidigungsminister Boris Pistorius geführt worden war. Erst mit dessen Verzicht war die Hängepartie beendet worden.
Wie sehr es schmerze, dass die SPD den Wahlkampfauftritt so „derartig versemmelt“ habe, startet Slomka in das Interview mit Scholz. Dieser bleibt erwartungsgemäß ruhig, es sei nichts versemmelt worden, findet der Kanzler. Es sei nur „ein bisschen überlegt worden, was wir tun müssen“. Die Moderatorin wundert sich wie viele politische Beobachter, warum der Kanzler und die Parteispitze nicht das Momentum des Aufbruchs nach dem Rauswurf von FDP-Finanzminister Christian Lindner genutzt habe, um die Kandidatur zu beschließen. „Hineinhorchen und drei Wochen lang nachdenken“ sei doch keine Strategie und eher kontraproduktiv gewesen, so Slomka.
Scholz antwortet gar nicht auf die Frage, Slomka bohrt weiter: Seine Partei schien sich nicht sicher gewesen zu sein, dass er der richtige Kandidat sei, Pistorius habe sich zudem auffallend lange Zeit für seinen Rückzug gelassen. Der Kanzler weicht erneut aus und betont, der Verteidigungsminister sei ein Freund von ihm, man werde nun „gemeinsam“ in den Wahlkampf gehen.
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Die 55-Jährige verweist auf den Umfrage-Vorsprung von Pistorius und will die Gründe wissen, warum Scholz keinerlei „Amtsbonus“ mitbringe. Dieser beginnt seine Antwort mit der Formulierung „Ich will das ganz klar auf mich als Person beziehen“. Wer nun allerdings auch nur einen Anflug von Selbstkritik erwartet hat, wird enttäuscht. Scholz verweist auf seinen „klaren Kurs“ und darauf, dass er die Koalition schließlich beendet habe – stellt also ausschließlich seine „Verdienste“ heraus. Immer wieder betont er seinen angeblich besonnenen Kurs in der Ukraine-Politik.
Slomka: Macht Scholz Wahlkampf auf dem Rücken der Ukraine?
Slomka verweist auf Scholz’ Kritiker, die ihm vorwerfen, sich als Friedenskanzler zu gerieren, in Wahrheit aber „Wahlkampf auf dem Rücken der Ukraine“ zu machen. Das sei „peinlich“, bügelt Scholz dies ab. Unter seiner Führung sei Deutschland der größte Unterstützer der Ukraine geworden. In dem Konflikt müsse man sich „genau überlegen, wie man klug handelt, wie man besonnen handelt“.
Auch wenn Länder wie die USA beim Einsatz ihrer Marschflugkörper durch die Ukraine auf russischem Territorium inzwischen ihre Meinung geändert hätten, bleibe er bei seinem Standpunkt: „Ich halte es für falsch, wenn Deutschland eine solche Entscheidung trifft.“ Sein Kurs habe eine Mehrheit bei den Bürgerinnen und Bürgern, davon sei er überzeugt. Er werde „das Verantwortliche tun“, auch wenn er davon abgebracht werden solle, gibt sich der Kanzler unbeirrt.
Slomka greift Scholz wegen Putin-Telefonat an
Slomka schießt den nächsten Pfeil ab: „War es verantwortlich, mit Wladimir Putin zu telefonieren, aus einer Position der Schwäche heraus?“, fragt sie unter Anspielung auf Scholz’ fehlende Mehrheit nach dem Bruch der Ampel. Dieser lässt sich nicht aus der Reserve locken. „Es war verantwortlich und notwendig, das zu tun“, beharrt der Kanzler. Er habe bis Ende 2022 immer wieder mit dem Kreml-Chef telefoniert. „Und das waren niemals erfreuliche Gespräche. Auch diesmal war es kein erfreuliches Gespräch. Aber man muss reden, auch um das zu hören.“
„Herr Putin, rechnen Sie nicht damit, dass wir unsere Unterstützung zurückfahren werden. Sie müssen einen Weg aus diesem Krieg finden. Sie müssen Ihre Angriffe einstellen und auch Truppen zurückziehen“, habe er seine Argumente dem Kreml-Herrscher vorgetragen. „Worauf er ja nicht reagiert hat“, fasst Slomka trocken zusammen. In diesem Moment reagiert Scholz seinerseits erstmals leicht angefasst und fällt Slomka ins Wort: „Ich hoffe nicht, dass Sie sich überlegt hatten, dass das mit einem einfachen Anruf geht“, gibt er süffisant zurück. Slomka wirft ihm daraufhin reine Wahlkampftaktik vor, das Telefonat sei in der Ukraine schlecht angekommen.
Zum Schluss geht es im Interview auf etwas weniger persönlicher Ebene weiter. Zum Absturz des deutschen Frachtflugzeugs in Litauen sagt Scholz, es müsse gründlich untersucht werden, ob Russland dahinter stecke. Der Kanzler sagte: „Es könnte so sein.“ Formen sogenannter hybrider Kriegsführung seien gegenwärtig auch in Deutschland festzustellen. „Deshalb muss das auch genau untersucht werden.“ Es werde aber erst dann ein Schuldiger benannt, wenn dies auch nachvollziehbar zu beweisen sei. (mit dpa)