- CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet erklärt im Interview im Heute-Journal, die Union habe wegen Finanzminister Olaf Scholz keinen Überblick über die Finanzen. Kann das sein?
Berlin – SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz muss bei der Union dafür herhalten, dass die meisten Vorhaben im Unionswahlprogramm unter sogenanntem Finanzierungsvorbehalt stehen. Das ist aus Unionssicht praktisch: Wenn nach der Wahl vieles doch nicht gemacht wird, kann man bequem auf Scholz verweisen. Und überdies hat man dem Kanzlerkandidaten der Konkurrenz im Wahlkampf mal eben einen mitgegeben.
Angefangen hat CSU-Chef Markus Söder, der erst nach der Bundestagswahl „eine Art Kassensturz“ machen will. Erst dann könne man sehen, welche der teuren Vorhaben der Union überhaupt umzusetzen sind. „Wir müssen auch nach der Wahl noch mal genau in die Kassen hineinschauen. Ich hab in den letzten Monaten immer ein komisches Gefühl bei Olaf Scholz bekommen“, sagt Söder. Dahinter steckt der unausgesprochene Vorwurf, Scholz rechne nicht richtig. Armin Laschet legt am Montagabend im „heute-journal“ nach. „Die Seriosität von Olaf Scholz - da habe ich in den letzten Wochen meine Zweifel“, sagt er. Auf Nachfrage, ob die Union mit Angela Merkel als Kanzlerin denn keinen Überblick über die Finanzen habe, räumt er ein: „Wir haben schon Einblick.“
Entwurf spiegelt Haushalt wider
Das ist nach vier Jahren gemeinsamer Regierung in der Großen Koalition schon reichlich untertrieben. An diesem Mittwoch wird das Kabinett von Union und SPD Scholz' Haushaltsentwurf für die nächsten Jahre gemeinsam absegnen. Darin ist für 2022 eine Neuverschuldung von rund 100 Milliarden Euro vorgesehen. Es wird nur ein Entwurf bleiben, weil der nächste Haushalt vom neuen Bundestag beschlossen und dann erst wirksam werden wird. Aber selbst der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, erklärt, dass der Entwurf „den aktuellen Stand der Haushaltlage vor der Bundestagswahl wiedergibt“.
Wirbel im Rheinwiesen-Feier von Laschet
Der Rheinländer ist bekanntermaßen freigiebig mit Jahrestagen. Die Feier jedoch, zu der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Freitagnachmittag seine versammelte Koalition in den Düsseldorfer Rheinwiesen einlädt, kommt dennoch überraschend. „Zum vierjährigen Jubiläum der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zwischen der CDU Nordrhein-Westfalen und der FDP Nordrhein-Westfalen“ will sich der Aachener Laschet mit dem liberalen Bundesvorsitzenden Christian Lindner fotografieren lassen und anschließend in der nahe gelegenen Jugendherberge gemeinschaftlich corona-konform Grillen. Bislang wurden Jahrestage zur Unterschrift von Koalitionsverträgen in Düsseldorf aber nicht öffentlich begangen. Für die SPD ist die Rheinwiesen-Fete „PR statt Politik“ zur Unzeit. „Es ist eine Feier völlig losgelöst von der Realität. Denn gerade geht es für Millionen Menschen darum, die Krise im Alltag zu bewerkstelligen“, kritisierte Generalsekretärin Nadja Lüders gestern. Mit bissiger Ironie reagierte Grünen-Landeschefin Mona Neubaur: „Wenn es sonst nichts zu feiern gibt, dann feiert man sich halt selbst.“ (tb)
Auf Nachfrage sagt zwar jetzt auch Rehberg, dass es inzwischen ein „gesundes Misstrauen“ gegenüber Scholz gebe. Etwa deshalb, weil sich zwischen der Steuerschätzung vom Januar und der vom Mai 40 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen aufgetan hätten. Es gebe schon „offene Fragen“ über den tatsächlichen Stand des Bundeshaushalts. Den Unionshaushältern hatten Scholz' Versprechen von „Wumms“ bis „Bazooka“ nicht immer gefallen. Zur Wahrheit gehört aber, dass auch CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier versprochen hat, jeden Arbeitsplatz zu retten. Die hunderte Milliarden schweren Rettungspakete, die dafür nötig waren, wurden gemeinsam beschlossen.
Kassensturz „Mumpitz“?
FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke hält die Vorwürfe gegen Scholz, er rechne nicht seriös, jedenfalls für unredlich. „Wenn sie stimmten, hieße das ja, die CDU- und CSU-Minster würden jetzt einem Haushalt zustimmen, der erlogen ist. Dann dürften sie eigentlich nicht zustimmen. Aber das werden sie nicht tun.“ Auch die Forderung Söders nach einem Kassensturz nach der Wahl hält Fricke für „Mumpitz“. „Man kann sich doch jetzt im Haushaltsentwurf alles anschauen - man muss nur die Kopfrechenmaschine anwerfen.“ Außerdem, fügt er hinzu, arbeiteten an der Steuerschätzung, auf Basis derer der Bundeshaushalt berechnet wird, ja auch die unionsgeführten Ministerien mit. „Es ist nicht nur der Haushalt der SPD, sondern auch der Haushalt von CDU und CSU“, erinnert Fricke. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, reagiert erwartungsgemäß ungehalten: „Wenn Armin Laschet im Stile eines Oppositionspolitikers einen Kassensturz fordert, spricht er damit der Bundeskanzlerin und den eigenen Ministerinnen und Ministern das Misstrauen aus.“
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Mehrere kostenintensive Punkte, die in ersten Entwürfen noch vorgesehen waren, sind wieder aus dem Unionsprogramm verschwunden oder wurden mit dem Wort „perspektivisch“ versehen. Armin Laschet sagte bei der Vorstellung des Unions-Wahlprogramms, der immer noch erhebliche Rest an Versprachen sei „seriös durchgerechnet“.
Wie das geschehen sein soll, wenn die belastbaren Zahlen dafür angeblich noch gar nicht vorliegen, bleibt sein Geheimnis.